Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд

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Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt - Хэлли Рубенхолд


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hat vermutet, dass Sams endgültige Entscheidung, sein Handwerk an den Nagel zu hängen, in dem Moment fiel, als ihm eine Theaterrolle angeboten wurde. Sein Hauptziel war es immer gewesen, als Dichter Erfolge zu ernten, doch war aus seiner Theaterfaszination ein Interesse erwachsen, möglichst auch einmal selbst auf der Bühne zu stehen. Viele Theaterautoren haben zunächst als Schauspieler Erfahrungen gesammelt, bevor sie ihre dramatischen Werke schufen, und es lässt sich denken, dass Sam eine solche Gelegenheit begeistert beim Schopf gepackt hat. Doch gab es da auch eine Reihe von Hindernissen.

      Noch immer glaubte seine Tante, dass sich ihr Neffe dem Tuchhandel verschrieben hatte. Sein Interesse an der Dichtung mag sie noch toleriert haben, immer vorausgesetzt, dass es sich nicht auf Kosten seiner Befähigung zu einem anständigen Broterwerb entfaltete. Sams schauspielerische Ambitionen hingegen hätte sie niemals zu billigen vermocht. Man ergötzte sich zwar gern an der vom Theater gebotenen Unterhaltung und schenkte dem Leben und Lieben der Mimen selbst dann noch Aufmerksamkeit, wenn es sich nicht auf der Bühne abspielte, dennoch war das Schauspielhaus in den Augen der ehrbaren Gesellschaft ein Stätte sittlicher Verworfenheit. Kein Ehrenmann und keine anständige Dame würde sich je derart schamlos in der Öffentlichkeit zur Schau stellen. Schauspieler und Schauspielerinnen trieben auch mit ihrer Tugend ihr Spiel: Allein schon dass sie freiwillig in die Rollen vulgärer Charaktere schlüpften, unzüchtige Texte vortrugen und mit Flüchen um sich warfen, war ungeheuerlich. Dieser Beruf spottete jedem Begriff von Schicklichkeit, besonders was die Frauen betraf, die alle Regeln des Anstands völlig missachteten und sich bereitwillig in Männerkleidung oder ihrer Kleidung teilweise entledigt auf der Bühne zeigten. Schauspieler waren nicht nur für ihr unbeherrschtes Temperament bekannt, sondern auch für ihre eheliche Untreue und ihre zügellose Geschlechtsgier. 1757 schrieb ein Sittenrichter:

      Theaterschauspieler sind die liederlichsten Wichte und das schändlichste Geschmeiß, das die Hölle je ausgespien; ... sie sind der Unrat und Auswurf der Erde, ein Abschaum und Schandfleck der menschlichen Natur; sie sind der Kot und Unflat der gesamten Menschheit, die Pest und Geißel der Gesellschaft und die Verderber von Geist und Sitten.

      Einem solchen Trommelfeuer von Verdammungsurteilen ausgesetzt, kam ein Auftritt auf der Bühne dem öffentlich vollzogenen Austritt aus dem gesellschaftlich gebilligten Leben gleich.

      In London war Derrick weit weg von den klatschsüchtigen Kreisen der Dubliner Salons, und so muss er davon ausgegangen sein, dass die Nachricht von seiner Übernahme der Rolle des Duke of Gloucester in einer Aufführung von Nicholas Rowes Jane Shore nie bis nach Irland vordringen würde. Solange Mrs. Creagh nichts von seinen Londoner Aktivitäten erfuhr, war sein Erbe, das Unterpfand seines zukünftigen Glücks, sicher. Wäre Derricks Theaterdebüt durch eine Fügung des Schicksals Erfolg beschieden gewesen, wäre es wohl schwierig geworden, diese Farce dauerhaft weiterzuspinnen, doch Fortuna hatte ein Einsehen: Sams Tage auf den Bühnenbrettern waren rasch gezählt, wenngleich sein Ruf als Schauspieler noch lange nachhallen sollte. Noch viele Jahre später, als Sam den Hut des Zeremonienmeisters von Bath trug, trat ein Herr an ihn heran, der das Unglück gehabt hatte, mit im Publikum zu sitzen, als Derrick die Bühne mit seinen Künsten beehrte. Als Schauspieler könne man ihn »mit Recht ein Original nennen«, vertraute er Sam an, schließlich könne sich »jeder andere sein Lebtag lang dafür abplagen, ohne dass es ihm jemals gelänge, ein derart miserabler Schauspieler zu werden«. Auch wenn sich sein Theaterexperiment als Fiasko erwiesen hatte, sollte die Bühne weiterhin eine gewisse Anziehung auf Derrick ausüben und ihn nicht loslassen. Ein Scheitern hielt ihn nie davon ab, einen zweiten Anlauf zu versuchen, ob als Mime oder gar als Dramatiker, Kritiker und Schauspiellehrer.

      Für einige Zeit lebte Sam Derrick ein Doppelleben; hielt zwischen den beiden Städten ein unsicher schwankendes Gleichgewicht. Wann immer er nach London entkommen konnte, war er der Dichter und Schauspieler, der er immer zu werden gehofft hatte, kannte Dr. Johnson, Davy Garrick und andere wichtige Persönlichkeiten aus der Welt von Literatur und Theater. In Dublin dagegen war er schlicht Sam Derrick, Tuchhändler. Sicher hat er George Faulkner und seinen anderen Freunden gegenüber seiner wachsenden Unzufriedenheit und Ungeduld Ausdruck verliehen, bis er es 1751 dann nicht mehr länger ertragen konnte, und beschloss, sich mit den Rücklagen aus seinen Geschäften längerfristig in London niederzulassen. Elizabeth Creagh wusste einstweilen noch nichts von seinem Plan. Doch wie lange würde er die Täuschung aufrechterhalten können, und wie viele lügengetränkte Beschwichtigungsbriefe würde er fabrizieren müssen? Dies sollte sich als die wahre Herausforderung erweisen.

      Nachdem seine zahlreichen Bekanntschaften mit Londoner Persönlichkeiten ihm ein starkes Selbstbewusstsein gegeben hatten, war Sam zu Beginn der fünfziger Jahre mehr denn je davon überzeugt, »ein Dichter ersten Ranges« werden zu können. Angeregt durch den Blick auf Dublin (das antike Eblana), vielleicht anlässlich einer seiner letzten Reisen von England nach Irland, bevor er seine Zelte auf Dauer in Covent Garden aufschlagen sollte, ließ er seinen sentimentalen Hoffnungen auf Unsterblichkeit die Zügel schießen:

      Eblana! Much lov’d city, hail!

      Where first I saw the light of day,

      Soon as declining life shall fail,

      To thee shall I resign my clay.

      Muses, who saw me first your care;

      Ye trees, that fostering shelter spred;

      The fate of man you shall see me share;

      Soon number’d with forgotten dead.

      Unless my lines protract my fame,

      And those who chance to read them, cry

      I knew him! Derrick was his name,

      In yonder tomb his ashes lie.

      Heil dir, geliebte Stadt, Eblana mein!

      Wo ich erblickt’ des Tages Licht.

      Dir geb ich anheim mein sterblich Gebein,

      Wenn einst mein schwindend Auge bricht.

      Hier habt ihr Musen mir zuerst euren Segen erteilt,

      Ihr Bäume mir hegenden Schatten geboten.

      Nun sehet, wie bald das menschliche Los mich ereilt,

      Beigezählt zum Heere der vergess’nen Toten.

      Falls meinem Ruhme meine Zeilen nicht Fortdauer geben

      Und es ruft, wer sie liest – durch Fortunas Intrigen –:

      Derrick hieß er! Ich kannt’ ihn im Leben:

      In jenem Grabe seine Knochen dort liegen.

      Gewiss blieb Derrick nach seinem Tod unvergessen. Freilich nicht seiner Verse wegen.

      Kapitel 4

      Eine Venus wird geboren

      Es kommt selten vor, dass Männer, die überreichlich in fleischlichen Freuden geschwelgt haben und denen zwischen den mit Seide ausgeschlagenen Boudoirs von Kurtisanen und der Unterwäsche von Straßendirnen nichts fremd geblieben ist, eine einzige, ganz bestimmte Unzuchtsdienerin auserwählen können, der sie ihre unumschränkte Hochachtung zollen. Selbst noch als sie alt geworden und die letzten Spuren der Schönheit aus ihren vom Leben gegerbten Zügen gewichen waren, scharten sich Männer von hoher Geburt und großem Einfluss um sie. Sie nannten sie »einzigartig« und »ehrenwert«, Bezeichnungen, mit denen man in Beschreibungen ältlicher Bordellmütter gemeinhin nicht mal eben so um sich wirft. Jene Ehrenmänner erkannten in ihr den Ausdruck eines reinen Herzens, wahre Großmut, Warmherzigkeit und ungekünstelte Aufrichtigkeit, und diese Attribute haben überhaupt jeden gefangengenommen, der sie von ihren frühesten Jahren im Geschäft bis an ihre letzten Tage persönlich erlebte. Doch war das bloß der eine Teil von Charlotte Hayes und weitgehend nur schöner Schein. Die Wahrheit sollte diesen Leuten immer verschlossen bleiben; sie verbarg sie hinter einem Netz von Täuschungen wie hinter einem wedelnden Fächer – ein Netz, dessen erste Fäden schon vor dem Tag ihrer Geburt gesponnen worden waren.

      Ihr genaues Geburtsdatum hat sich, wie auch ihre Todesursache, längst in den Tiefen der Geschichte verloren, nur jahr und


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