Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд

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Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt - Хэлли Рубенхолд


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dennoch einen Hasardclub, wo große Summen gewonnen und verloren wurden. So manchen Glückspilz sah man mit Hüten voller Guineen von den illegalen Spieltischen davongehen. Die Draufgänger und Lebemänner liebten das Shakespear. Einer von ihnen war auch der Schriftsteller James Boswell, dem ein freies Séparée im Oberstock sehr zupasskam: Er geleitete zwei willige Liebesdamen ins Shakespear, und »ich tröstete meine arme Seele mit ihnen – eine nach der anderen, nach dem Range ihres Alters«. Wer sich kein ungestörtes Zimmer leisten konnte oder zum Warten zu ungeduldig war, konnte solchen »Trost« auch einfach in einem stillen Winkel bei einer der »trunkenen und hungernden Metzen« suchen, die oft darüber klagten, dass solche »wollüstigen Umarmungen« auf dem Wirtshausboden »ihre Kleider besudelten«.

      Es gab in Covent Garden nur wenige, die ihren Wohlstand so ostentativ zur Schau tragen konnten, wie der Besitzer des Shakespear, Packington Tomkins. Sein Wirtshaus bot dem Kunden alles, was er wollte, und noch mehr: Alkohol, Frauen, fröhliche Geselligkeit, gefeierte Berühmtheiten und unerwartete Überraschungen. Sein Haus war ungeheuer beliebt und Tomkins’ Zapfhähne versiegten nie. Er besaß einen der größten Keller im Umkreis, »mit nie weniger denn hundert Weinfässern gefüllt«. Natürlich machte das brummende Geschäft Tomkins unverschämt reich. Neben einem Haus in London besaß er auch ein Gut in Herefordshire und eine Privatkutsche, um ihn nach Belieben hin- und zurückzubringen. Auch wenn er der Inhaber eines übel beleumdeten Hauses war, konnte er doch den Schmutzfleck des sittlichen Makels von seiner Weste wischen und als ein völlig ehrbar wirkender Familienvater durch Londons Straßen paradieren. Am Ende seines Lebens hatte er seine Tochter in die Verlegerfamilie der Longmans verheiratet, und er starb mit einem Vermögen von über zwanzigtausend Pfund. Anders als die Mehrzahl seiner Gäste war Tomkins schlau genug, sich nichts vormachen zu lassen, bewahrte einen nüchternen Kopf und mied die Spieltische.

      Florieren konnte so ein Geschäft nicht ohne ein Heer von Helfern, und um den Laden am Laufen zu halten, beschäftigte Tomkins sieben Kellner: unter anderem einen Oberkellner, einen Kellermeister und einen Schankburschen. Er stellte auch Lehrlinge ein, und seine Küche war für ihre kulinarischen Hochgenüsse berühmt. Die Angestellten des Shakespear hätten wahrscheinlich in ganz London kaum besser bezahlte Posten finden können. Packington Tomkins war sehr darauf bedacht, den guten Ruf seines Hauses zu wahren, und bestand darauf, dass »jeder Kellner fein geputzt in seinen Manschetten« erschien. Neu eingestellte Arbeitskräfte wie John Harrison erhielten zunächst wohl eine Zulage, damit sie sich einkleiden konnten, bald jedoch waren ihre Taschen schwer genug mit Goldstücken gefüllt, dass sie sich so viele schmucke Hemden, Röcke und Beinkleider kaufen konnten, wie sie wollten. Die stattlichen Trinkgelder, die die Kellner des Shakespear einsteckten, zauberten ein selbstzufriedenes Lächeln auf ihre Lippen. Wie sich »Old Twigg«, ein ehemaliger Koch des Wirtshauses, erinnert, befand es ein Portier für »eine schlechte Woche, wenn er keine sieben Pfund machte«, eine Summe, die dem gesamten Jahresverdienst eines Dienstboten entsprach. Selbst für den Sohn eines Gastwirts muss das eine Menge Geld gewesen sein. Dazu kam dann noch sein Kupplerlohn, und so wurden seine finanziellen Wünsche sicher vollauf befriedigt.

      Unter dem Dach von Packington Tomkins erhielt John Harrison die einmalige Chance zu einem Neuanfang. Als er noch Kellner einer Kneipe in den Hintergassen von Covent Garden war, werden außer den Stammgästen nur wenige seinen Namen und sein Gesicht gekannt haben, aber im Shakespear, mitten im quirligen Zentrum des Geschehens, wurde Harrison von einem Tag auf den anderen eine bekannte Persönlichkeit. Das Shakespear’s Head war schon an sich eine beliebte Zieladresse, ein Ort, wo sich Männer aus allen Ecken Londons zu einem vergnüglichen Abend trafen. Als junger und aufstrebender Zuhälter erkannte Harrison, wie sehr er sein Vermögen würde vergrößern können, wenn er die Möglichkeiten seiner Position nur optimal nutzte, und genauso müssen ihm umgekehrt auch die möglichen Gefahren eines solchen Erfolgs deutlich geworden sein. Obgleich um Unauffälligkeit bemühte Bordellwirtinnen, Kuppelkellner und die feineren Maquereaus in den gehobenen Etagen des Hurenwesens von der leicht zu bestechenden Obrigkeit nur wenig zu befürchten hatten, gab sich Harrison, was die Rechtmäßigkeit seines Tuns anbelangte, keinerlei Illusionen hin. Ein Deckname war in seiner Branche unverzichtbar, eine Art unsichtbar machender Tarnumhang, der jederzeit im Nu übergezogen werden konnte. Wenn also Tomkins’ Gäste nach einem Kellner grölten, der Frauen beibringen sollte, riefen sie nicht nach John Harrison, sondern verlangten stattdessen jenen aufmerksamen, gut gekleideten Mann, der schlicht als »Jack Harris« bekannt war. Der vom Vater ererbte Name, wie geschätzt, gehasst oder völlig belanglos er auch immer gewesen sein mochte, wurde zugunsten einer völlig neuen Identität abgelegt. Nun, da er nicht mehr der Sohn von Harris dem Wirt war, stand es ihm frei, zu werden, wer immer er werden wollte.

      Glaubt man den beiden zeitgenössischen »maßgeblichen Quellen« zu Jack Harris – The Remonstrance of Harris und The Memoirs of the Celebrated Miss Fanny Murray –, so waren der Schlüssel zu seinem Erfolg seine überlegte und berechnende Art, seine Beobachtungsgabe und die rationale Herangehensweise an sein Gewerbe. Wie sein Arbeitgeber Tomkins war auch Harris ein ausgebuffter Geschäftsmann. Als er ins Shakespear kam, war er mit der Rolle des Kuppelkellners bereits wohlvertraut, und unter Tomkins’ Anleitung konnte er sie zur Perfektion weiterentwickeln. Er hatte bereits seine feste Auffassung davon, welche grundlegenden Eigenschaften ein guter Kuppler oder Hurenwirt mitbringen musste. Das Erste und Wichtigste war Erfahrung in der Kunst des Bekniens potenzieller Kunden, was Geschick im »Andeuten, Heucheln, Schmeicheln, Katzbuckeln« und »Hofieren« voraussetzte. Zwar passte es nicht sonderlich zu seinem Charakter, um junge Gentlemen mit schlechten Manieren herumzuscharwenzeln, doch stellte er fest, dass eine pragmatische Selbstbeherrschung es ihm erleichterte, »die schnaubenden Fragen hitziger Bengel zu erwidern« und seinen »Zorn zu zügeln«. Auch wenn ihm vor Wut »schier der Schädel zerspringen wollte«, lernte er, seinen »Blick zu Boden zu senken ..., ihn dann ganz allmählig zu heben und im gewinnenden Tone der Unterwürfigkeit zu sprechen«. Diese Kröte zu schlucken war für ihn alles andere als leicht, und es wäre ihm, wie er später behauptete, auch nicht gelungen, wenn er sich nicht eine gewisse Charakterstärke und »die nötige Weltweisheit, einen Tritt ungerührt hinzunehmen« angeeignet hätte. Sein einziger Trost war die Rache, die er über den Umweg der Geldbörse seines wohlhabenden Klienten würde nehmen können.

      Harris stellte zudem fest, dass in einem größeren Haus auch die Ansprüche der Kunden an ihn deutlich höher waren. Ein breiteres Spektrum von Männern, darunter Stammgäste genauso wie Besucher aus anderen Teilen Londons, verlangte zu seinem Amüsement eine vielfältigere Bandbreite von Frauen. Die Harris bekannten Huren aus der näheren Umgebung konnten da den Bedarf nur kurze Zeit decken. Wollte er sich allein auf das im Umkreis von Covent Garden verfügbare Sortiment verlassen, konnte in einem so gut besuchten Haus wie dem Shakespear die Nachfrage schnell einmal das Angebot übersteigen, besonders wenn mehrere seiner bewährten Damen etwa wegen einer unverhofft aufgetretenen Syphilis- oder Tripperinfektion arbeitsunfähig waren. Ungeachtet seiner akuten Verlegenheit und Ratlosigkeit waren »die jungen Brauseköpfe gleichwohl unvermindert in Hitze und riefen nach kühlender Linderung, um ihre Brunst zu stillen«. Rückblickend konnte Harris darüber philosophieren: »Der Mensch ist ein von der Leidenschaft getriebenes Wesen«, schloss er, und »was seinen Leidenschaften unterworfen ist, kennt keine Standhaftigkeit ..., noch kann es an irgendetwas über lange Zeit Gefallen finden.« Die Antwort auf eine solche Problemlage war klar: »Sorge für eine Vielfalt von Gesichtern!« Aber woher nehmen? Und wie konnte er für die Tadellosigkeit der feilgebotenen Ware einstehen, wenn er die Geschichte ihrer Lieferantinnen nicht kannte? Und was war, wenn dieselben Heißsporne zu allem Übel »den Quell, der ihnen Labsal geschenkt, vergiftet fanden«? Gewiss würden sie »demjenigen, der sie zu ihm hingeleitet, die Schuld anlasten, insonderheit wenn dies allein um der schnöden Liebe zum Mammon willen geschehen« war. Vermutlich war Harris schon seit den frühen Tagen seiner Laufbahn körperliche Gewalt nicht fremd: Eifersüchtige Liebhaber, wütende Ehemänner und vormals gesunde Kunden, die sich die Franzosenkrankheit eingehandelt hatten, sie alle mögen sich den Kuppler irgendwann einmal vorgeknöpft haben. Niemand von ihnen konnte so unangenehm werden wie die Herren der letzten Gruppe, die, wie sich plötzlich herausstellte, für ein rasches Tête-à-Tête in unbesonnener Wollust ihr ganzes Leben in die Waagschale geworfen hatten. Hier hatte jemand vielleicht unwissentlich seine Frau und seine ungeborenen Kinder angesteckt, sein eigenes Leben und das seiner ganzen Familie verkürzt, und alles nur, weil ihn


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