Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд

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Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt - Хэлли Рубенхолд


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von nicht unansehnlichem Äußeren, die ich ohne Begleitung einer männlichen Bekanntschaft angetroffen, lieb Kind zu machen. Ich beschenkte sie mit Früchten und erwies ihnen allerlei andere kleine Artigkeiten, wie sie an solchen Orten gewöhnlich sind. Durch beiläufige und nicht allzu eifrige Befragung erfuhr ich bald die Verhältnisse der meisten von ihnen.

      Wie die Berufstätige bedurfte auch die unglücklich verheiratete Frau nur einer offenen Schilderung der Art und Weise, wie ihr Harris »ihre gegenwärtige Lage angenehmer zu gestalten« plane. Zur Ermunterung war meist nicht mehr vonnöten als das Angebot der finanziellen Unabhängigkeit von einem »bösartigen, sauertöpfischen Manne«, der »in der Erfüllung seiner Ehepflichten äußerst nachlässig« war. Harris prahlte: »Durch diese Schliche habe ich eine ganze Zahl verheirateter Weiber verlockt, insonderheit die Gattin eines Ballenbinders, die nicht weit von der Royal Exchange wohnte, sowie auch die eines Arzneiverkäufers nahe Crutched Friar’s, beides ausnehmend schöne Frauenzimmer.«

      Harris schuf nicht nur ein wahres Pantheon verfügbarer Londoner Damen, er erwarb sich auch für seine »vortreffliche Pflanzschule« irischer Huren einen guten Ruf. Sowohl in The Remonstrance of Harris als auch in The Memoirs of the Celebrated Miss Fanny Murray spricht er davon, zur Ausweitung seines Angebots auf diese Frauen zurückgegriffen und sich sogar selbst aktiv auf die Suche nach »irischen Novizinnen« gemacht zu haben. Er habe sich »nicht nur alle von Chester her kommenden Landkutschen zwischen Highgate und St. Alban’s« vorgenommen, sondern, als seine Geschäfte immer besser liefen, auch »in jedem Sommer eine Reise nach Dublin« getan, um neue Damen ins Land zu holen. Auf seinen Fahrten war er dort auf eine wahre Goldader potenzieller neuer Kräfte gestoßen. Da viele irische Prostituierte »selten entlohnt und häufig geschlagen« wurden, waren sie, wie er feststellen konnte, von der Möglichkeit, sich nach London davonzumachen, hellauf begeistert. Andere, denen er begegnete, hatten eine »so schmale Börse« und einen »so großen Hunger«, dass sie ihm schon auf das bloße Versprechen einer warmen Mahlzeit hin zu folgen bereit waren. Im Anschluss erwähnen beide Schriften auch, dass der findige Harris eine Art Schule für seine Mädchen von der Grünen Insel eingerichtet habe, um »ihnen ihre irische Wildheit zu nehmen und sie ein wenig gesitteter zu machen« und so sicherzustellen, dass sie auch »vollkommene Meisterinnen ihrer Kunst« waren, bevor er sie auf die Londoner Männerwelt losließ. Solche Usancen waren in Harris’ Metier nichts Ungewöhnliches. Die besseren Kupplerinnen der Hauptstadt waren dafür bekannt, dass sie ihre neu akquirierten Mädchen einer Schulung unterzogen und ihnen beibrachten, sich verführerisch zu bewegen und mit Worten zu betören, bevor sie sie ihrer solventen männlichen Klientel anboten. Harris behauptete, in der Kunst, die ungehobelten Manieren dieser Frauen zu verfeinern, nicht schlechter zu sein als jede Kuppelmutter, und er brüstete sich, sie nach ein wenig Unterricht »als sehr liebreizende Geschöpfe, ja Göttinnen – jede eine Venus an Schönheit und eine Minerva an Verständigkeit –, an nicht wenige unserer hochempfindlichen urenglischen Ehrenmänner weitergeben« zu können.

      Doch selbst nachdem sie gründlich geputzt und auf Manieren getrimmt worden waren, erfüllten Harris’ Frauen noch nicht die Anforderungen aller seiner Bekanntschaften. Nicht jeder war auf eine Gespielin erpicht, die er schlicht der willkürlichen Wahl eines Kupplers zu verdanken hatte. Manche seiner wohlhabenderen adligen Auftraggeber erbaten sich von ihm vielmehr exklusivere Dienste. Seinem eigenen Bericht zufolge erhielt Harris häufig Anweisung, für die Vergnügungen seines Kundenkreises ganz bestimmte Mädchen herbeizuschaffen. Schlimme Geschichten von Bordellwirten und Kuppelweibern, die finstere Pläne schmieden, um unbefleckte junge Damen in die Falle zu locken, waren das täglich Brot der Literatur des 18. Jahrhunderts, und dass solche Szenarien keine alleinige Domäne der Fiktion waren, bezeugen die zeitgenössischen Gerichtsakten. Wenig überraschend, dass in mehreren dieser Geschichten auch der Name Harris auftaucht. Der Kuppler habe über etliche in der ganzen Stadt verstreute angemietete Zimmer und »kleine Unterschlupfe« verfügt, hieß es, und in diesen Räumen habe er viele seiner Untaten an jungen Frauen begangen, die er »verführte« und dort »unterhielt«, um sie für Spezialkunden vorzubereiten. Die Memoirs of the Celebrated Miss Fanny Murray berichten, dass auf diese Weise auch eine unter dem Namen Charlotte Spencer bekannte Frau in ihr Gewerbe eingeführt worden sei.

      Es sollte einer von Harris’ ganz großen Coups sein, als er im Zenit seiner Macht stand. Lord Robert Spencer hatte, anlässlich eines Aufenthalts in Newcastle, auf einer Gesellschaft eine begehrenswerte junge Dame tanzen sehen und sich auf der Stelle in sie verliebt. Charlotte war, wie ihm bald zu Ohren kam, die Tochter eines angesehenen, aber sehr geizigen Kohlenhändlers, der trotz seines ansehnlichen Vermögens seiner Tochter doch nur eine knickrige Aussteuer zubedingen wollte. In einer Zeit, da die Eignung eines Ehepartners häufig durch die Proportionen des versprochenen Erbes und sonstiger Gegenwerte bestimmt wurde, zogen Frauen, die zwar ein sympathisches Auftreten und ein hübsches Gesicht zu bieten hatten, aber kein Geld, fast immer den Kürzeren. Dafür waren sie die idealen Kandidatinnen für Adlige auf der Jagd nach einer attraktiven, vollendeten Mätresse. Unfähig, sich von seiner Liebeskrankheit zu kurieren, aber auch nicht willens, einer Frau mit einer derart dürftigen Mitgift den Hof zu machen, appellierte Lord Spencer an die Künste von Jack Harris. Dieser wurde gegen eine beträchtliche Summe dazu angeheuert, nach Newcastle zu reisen und um das Objekt von Spencers Begierde zu freien, bis sie sich einverstanden erklärte, mit ihm nach London durchzugehen. Harris gab sich als ein Ehrenmann aus guter Familie aus, gewann Charlottes Vertrauen, und sie willigte in eine heimliche Trauung ein, die dann in seinen Zimmern in der Nähe des Temple Bar von einem Mann vollzogen wurde, der behauptete, der Bruder ihres Verlobten zu sein. Nach der Zeremonie begaben sich Charlotte und Jack Harris im Zimmer nebenan zu Bett. Die Kerzen wurden ausgeblasen, und – so Charlotte – »dann kam er zu mir, wie ich vermeinte«. Bei ihrem Erwachen am nächsten Morgen erwartete sie der Schock ihres Lebens. Ein wildfremder Mann lag neben ihr. Ihre Schreckensschreie riefen schließlich Harris aus dem Nachbarzimmer herbei, der sie über ihre Situation aufklärte und ihr »unumwunden den ganzen schurkischen Plan eingestand«. Hierzu gab sie später zu Protokoll, dass »Mr. Harris, der Kuppler ..., von Lord Spencer damit betraut worden war, mich unter dem Vorwande einer Vermählung in die Stadt zu locken, dass die Zeremonie nicht rechtsgültig war und dass Harris, zuzüglich zur Erstattung all seiner Ausgaben, fünfhundert Pfund dafür empfing, um in der ersten Nacht, an seiner statt, seine Lordschaft mich besitzen zu lassen, welche sich in einer Nische meines Gemachs verborgen bereitgehalten, bis die Kerzen gelöscht waren«. Charlotte war eine widerstrebende Novizin. Harris gab ihr den guten Rat, von nun an »danach zu trachten, sich der Gewogenheit von Ihro Gnaden Lord Spencer zu versichern«, damit »seine Lordschaft großzügig für sie Vorsorge treffen« werde. Auch wenn Lord Spencers neue Mätresse für ihre Dienste reich belohnt wurde, zeigt sich deutlich, dass es bei jedem der von Harris davongetragenen Triumphe immer nur um seinen eigenen Vorteil und um den Nutzen seines Auftraggebers ging. Charlottes Bericht endet in Verbitterung: Nachdem er »seine Lust mit meiner treuen Gegenwart bis zum Überdruss gesättigt, wandte Lord Spencer sich von mir ab und mein vermeintlicher Ehemann setzte mich auf seine Liste – zu seinem eignen Vorteil und zu meinem Verderben«.

      Ohne sein besonderes Geschick im Verwalten von Informationen hätte sich Jack Harris vielleicht nie einen so guten Ruf als findiger Kuppler erworben. Doch ganz gleich, was er alles in seiner Trickkiste hatte – kein Zuhälter hätte seine Geschäfte zu lenken und seine Heerscharen käuflicher Damen zu befehligen vermocht, wenn er nicht über irgendeine Form von methodischem System verfügte. Ein besonders erfolgreicher Kuppler musste entweder mit einem phänomenalen Namensgedächtnis gesegnet sein oder über die Gabe des Schreibenkönnens verfügen. Harris konnte mit Letzterem punkten.

      Jack Harris hat die Hurenliste des Zuhälters keineswegs erfunden. Jeder, der über eine großen Zahl von Prostituierten den Überblick behalten musste, tat wahrscheinlich genau dasselbe, was andere Geschäftsleute auch machten, und legte sich ein Bestandsverzeichnis an. Man kann sich gut ausmalen, dass mit dem Anstieg der allgemeinen Alphabetisierungsrate in der britischen Bevölkerung mehr und mehr Informationen dem Papier anvertraut wurden, die zuvor allein in den Archiven des Geistes verwahrt worden waren. Eine persönlich geführte Liste, häufig aktualisiert und so detailliert wie möglich, war – ob man sie nun auf Pergament kritzelte oder sie sich lediglich ins Gedächtnis einprägte – auf jeden Fall das wichtigste Utensil im Menschenmaklergewerbe; unverzichtbar wie der Besen eines Schornsteinfegers


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