Sturm über der Eifel. Katja Kleiber
Читать онлайн книгу.trocken. Danach Regen, zu spät und zu viel auf einmal. Und dann noch der Sturm.
Wasser-Juppes brummte zustimmend.
Schließlich kam sie auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen. »Die Wiese, über die wir neulich schon gesprochen haben, was ist mit der?«
»Jo, die Wiese da oben, die wär schon passend für ein Pferd«, reagierte Wasser-Juppes positiver, als sie erwartet hatte. »Groß genug auch. Aber …« Jetzt druckste er herum.
»Was aber?« Sie blickte ihn offen an.
»Hab sie verkauft.«
Das war natürlich schade. Sie hatte ihm vor einigen Wochen von ihrem Plan erzählt. Damals hatte er gesagt, er werde sich die Sache überlegen. Sie hatte den Verdacht gehegt, dass er mit seiner Frau darüber sprechen wollte. Häufig waren die Frauen ja die Finanzminister in der Ehe.
Nun hatte er sich anders entschieden. Nicht schön, aber schließlich konnte Wasser-Juppes seine Wiese verkaufen, wann und an wen er wollte. Aber wieso blickte er ihr nicht in die Augen? Schämte er sich vielleicht, weil er den Käufer über den Tisch gezogen hatte?
»Guten Preis bekommen?«, wollte sie wissen.
Er nickte und grinste über beide Ohren. »Pferd willste halten? Frag doch die Frau aus Köln.« Er nickte in Richtung der beiden Tiere auf der Weide weiter hangabwärts, die Ella überhaupt erst auf die Idee mit dem Pferd und dem Reiten gebracht hatten. »Die ist nur am Wochenende hier, aber Margret oben aus Aremberg hat ein Auge auf die Tiere, guckt, ob Wasser da ist und so. Dafür bekommt sie ein paar Euro.« Der Bauer wischte sich über die Stirn, obwohl er nicht schwitzte. »Vielleicht kannste die Wiese ja pachten und die Pferdchen dazukriegen. Die Kölnerin hat dat doch bald satt, immer herzufahren.« Er blinzelte ihr verschwörerisch zu.
Ella nickte gedankenverloren. Das war eine Möglichkeit. Außerdem gab es ja noch mehr Bauern mit Wiesen hier in der Nähe. Die vom Wasser-Juppes war allerdings für sie besonders günstig gelegen. Optimistischerweise hatte sie angenommen, dass er in seinem Alter den Hof ohnehin verkleinern wollte. Er hatte schon die Schweine abgeschafft und dann auch noch die Kühe. Jetzt stieß er Land ab, wie es schien. Leider war ihr jemand zuvorgekommen.
Vielleicht war das mit dem Pferd und der Wiese ja ohnehin eine Schnapsidee. Zuerst musste sie mal das Dach vom Anbau reparieren und den dann zu einem Stall umbauen. So ein Pferd brauchte doch einen Stall für den Winter, oder? Außerdem wäre es dann immer in ihrer Nähe, und sie könnte jederzeit seine samtigen Nüstern streicheln. Am besten würde sie bei ihrer nächsten Reitstunde Marnie fragen, was sie alles vorbereiten musste, wenn sie plante, sich ein Pferd anzuschaffen. Sie nickte Wasser-Juppes zum Abschied zu.
»Mach et joot.« Der Mann wirkte erleichtert, als sie weiterging.
Ella pfiff nach Rocco, der seine Nase aus einem Mauseloch zog und freudig hinter ihr hersprang.
Keltenopfer
»War es Ritualmord? Toter am Goloring entdeckt – das Werk einer Sekte?«
Peter las die Überschrift auf der Titelseite der Tageszeitung und verschluckte sich an seinem Kaffee.
»Der Fall eilt.« Tanja klopfte mit dem Kuli auf den Tisch, was Peter auf der Stelle nervte. »Je schneller wir ihn lösen, desto eher hat dieser Unsinn ein Ende.« Sie schlug mit der flachen Hand auf die Zeitung und las vor: »›Bei dem Toten handelt es sich um Leonhard S. aus dem Kreis Ahrweiler‹ – Leonhart ist falsch geschrieben, mit d statt mit t. Nicht einmal richtig recherchieren können diese Pressefritzen. Zum Glück wird die seltsame Kleidung des Toten nicht erwähnt. Oder die fehlenden Schuhe. Unsere Kollegen haben dichtgehalten.«
Peter griff nach dem Blatt. »Das hat Matze verbrochen«, stellte er fest. Sein ehemaliger Schulkamerad Matthias Reuter, genannt Matze, war als Chefreporter bei der »Rheinzeitung« für aktuelle und aufsehenerregende Nachrichten zuständig. »Meinst du, da ist was dran?«
»Am Ritualmord?« Tanja schüttelte den Kopf. »Hast du den Obduktionsbericht der Rechtsmedizinerin nicht gelesen, der heute Nacht noch reingekommen ist?«
Peter senkte seinen Kopf und nippte am Kaffee. Er fühlte sich schon deutlich fitter als gestern, war aber morgens nicht aus den Federn gekommen.
Lag wahrscheinlich an der Jahreszeit. Es war noch stockdunkel gewesen, als der Wecker schellte. Er hatte ihn ausgemacht und war umgehend wieder eingeschlafen. Weil er deshalb die Morgenbesprechung in der großen Runde verpasst hatte, wollte Tanja mit ihm anscheinend jetzt die Einzelheiten durchgehen, als wäre er ihr Nachhilfeschüler.
»Renate Schade schreibt, Todesursache seien die Messerstiche. Insgesamt ein Dutzend davon.« Sie blickte ihn kritisch an: »Was sagt uns das?«
Sofort kam Peter sich vor wie damals in der Schule, wenn der Lehrer ihn abgefragt hatte. Sein Hirn blockierte. »Ja, was?«, brachte er heraus.
»Dass der Täter total ausgerastet ist. Er hat besinnungslos auf sein Opfer eingestochen. Nichts an dem Dutzend Stiche wirkt wie ein Ritual.«
»Eher wie eine Beziehungstat im Affekt. Eifersucht oder so«, mutmaßte Peter.
»Genau.«
Er seufzte innerlich. Diesen oberlehrerhaften Ton konnte sie sich echt sparen.
»Außerdem deutet nichts darauf hin, dass mehrere Täter vor Ort waren«, erläuterte Tanja weiter, während sie den Obduktionsbericht überflog, den sie sich auf den Bildschirm geholt hatte. »Ein Ritualmord würde mit einem planmäßigen Vorgehen einhergehen. Und mit der Anwesenheit von Komplizen oder Zuschauern, denn sonst würde ja niemand von dem rituellen Opfer erfahren, einverstanden?«
Peter nickte. Er verspürte überhaupt keine Lust darauf, sich mit Leuten anzulegen, die Menschenopfer praktizierten. Waren die nicht auch schon ausgestorben? Allerdings war bei der seltsamen Kleidung des Toten und seinem Schlafzimmer in der Jurte nicht auszuschließen, dass er einer seltsamen Religion angehangen oder obskure Bräuche gepflegt hatte.
»Opfern Schamanen Menschen?«, fragte er. »Oder tun das Mongolen? Ich meine, weil unser Ötzi doch in einer Jurte geschlafen hat. Vielleicht hielt er sich für einen Mongolen?«
»Keine Ahnung.« Tanja googelte hektisch. »Auf den ersten Blick kann ich nichts finden, was darauf hindeutet.« Sie murmelte: »Menschenopfer bei Azteken … Gut und schön, aber Azteken gibt es hier ja nicht.«
»Dafür Kelten. Und der Tatort ist doch ein Keltendenkmal, oder?« Peter erinnerte sich an ein solches Detail aus den Berichten.
Tanja tippte weiter auf der Tastatur, während Peter seinen Kaffee trank und den Autokalender an der Wand anstarrte. Auf dem aktuellen Monatsbild war ein heißer Schlitten zu sehen, auf dessen Kühlerhaube sich eine leicht bekleidete Frau rekelte. Verstieß wahrscheinlich gegen irgendwelche Gender-Richtlinien, dass die Kollegen ihn hier aufgehängt hatten.
Eine nackte Frau würde er auch gerne mal wieder live sehen. Schmerzhaft fiel ihm sein Ausflug nach Köln ein. Nachdem seine Lieblingskneipe in ein Veganerbistro umgewandelt worden war, hatte er ein Lokal gefunden, das weder schickimicki noch Kaschemme war.
Glück gehabt. Scheinbar. Eine ältere Brünette war auf seine Flirtversuche eingegangen. Eine Frau mit schönen Rundungen, wie sie ihm gefielen. Sie hatten einige Gläser Tequila getrunken, die alle er bezahlt hatte. Dann hatte Peter sie nach Hause gebracht, doch statt ihn auf einen Kaffee hochzubitten, hatte sie ihn abgewimmelt. Er hatte die Nacht in dem Billighotel verbracht, in dem er in Köln immer abstieg. Allein. Es lag zentral in einer Gasse hinter dem Heumarkt, das Zimmer war sogar einigermaßen modern, aber das Frühstück mies. Für seinen nächsten Besuch sollte er sich etwas anderes suchen. Das Wochenende hatte damit geendet, dass er einige Scheinchen weniger im Portemonnaie hatte, aber dafür mit einem fetten Kater nach Hause fuhr.
»Ha!«
Peter fuhr zusammen.
»Ich hab was, hör zu: ›Die Kelten weihen nämlich einen Menschen und stoßen ihm dann ein Schwert in die Brust, und indem das Opfer getroffen zusammenstürzt, erkennen