Der Zauberladen von Applecross (Bd. 1). Pierdomenico Baccalario

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Der Zauberladen von Applecross (Bd. 1) - Pierdomenico  Baccalario


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stellte, denn leider konnte ich nicht leugnen, dass er mein Bruder war.

      »So etwas in der Art: Dein Bruder bleibt sitzen«, erklärte ihm Mama.

      Doug sah mich irgendwie seltsam an. Als würde er das erste Mal seit Jahren feststellen, dass wir etwas gemeinsam hatten.

      »Wirklich?«, sagte er und zerzauste mir die Haare. »He, stark!«

      »Darüber sprechen wir später …«, sagte mein Vater leise und erhob sich mühsam. »Danke, dass Sie persönlich vorbeigekommen sind, Mrs Rozenkratz.«

      Die beiden gaben sich die Hand.

      »Ich nehme an, es ist sinnlos, wenn Finley die letzten Tage vor Ferienbeginn noch einmal zur Schule geht, oder?«

      Die Witwe nickte. »Das glaube ich auch, Mr McPhee.«

      Papa nickte ebenfalls, sehr bedächtig.

      »Verabschiede dich von Mrs Rozenkratz«, befahl mir Mama und meine Hand schnellte automatisch vor wie die eines Roboters.

      »Dann sehen wir uns also im nächsten Schuljahr, Finley«, sagte die Rektorin lächelnd.

      Vielleicht tat es ihr ja wirklich leid. Oder sie wusste schon, was in einigen Tagen passieren würde. Ich will lieber glauben, dass es nicht so war und dass ich die Familie Lily auch kennengelernt hätte, wenn ich nicht sitzen geblieben wäre. Aber da kann ich mir nicht sicher sein.

      Wir schwiegen peinlich berührt, während die Witwe Rozenkratz den Raum verließ. Dann, als wir hörten, wie sie den Motor ihres Stadtflitzers anließ, sah mein Vater mich endlich an, Mama verzog sich in die Küche und Doug fragte: »Also, was gibt’s heute zu Mittag?«

      DRITTES KAPITEL

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      DER REVEREND

      MISTER CULLEN

      JULES DER POSTBOTE

      An das Mittagessen und den darauffolgenden Nachmittag erinnere ich mich nicht gern: Nachdem ich gleich eine doppelte Standpauke von beiden Elternteilen kassiert hatte, flüchtete ich mich in mein Zimmer. Dusty durfte mich natürlich nicht begleiten. Er trollte sich auf die Wiese unter meinem Fenster und rollte sich neben der Buche zusammen. Ich legte mich auf mein Bett und hatte bis zum Abend nur meine Gedanken als Gesellschaft.

      Die waren nicht gerade schön: Ich musste immer wieder darüber nachgrübeln, dass ich einen Fehler gemacht hatte, klar, und dass ich von nun an wohl nicht mehr tun und lassen konnte, was ich wollte. In Zukunft würde ich besser aufpassen müssen, wollte ich mich nicht erwischen lassen. Wahrscheinlich hatte ich es ein bisschen übertrieben. So etwas in der Art ging mir durch den Kopf. Und am Abend fühlte ich mich ein wenig besser. Ich möchte nicht behaupten, dass ich an diesem Tag etwas erwachsener geworden bin, aber ich begriff immerhin, dass ich nicht auf ewig ein Kind sein wollte.

      Als es Zeit zum Abendessen war, klopfte mein Vater an die Tür zu meinem Zimmer. Er war der Einzige, der anklopfte, meine Mutter und Doug kamen immer so rein.

      »Ja«, sagte ich und setzte mich ruckartig auf.

      Ich wollte nicht, dass er mich so in die Kissen vergraben sah und etwa denken könnte, ich sei völlig verzweifelt wegen dem, was ich angestellt hatte. Immerhin hatte ich ein ganzes Schuljahr sausen lassen und mir damit höchstwahrscheinlich den Sommer verdorben. Er sollte einfach nur denken, dass es mir leidtat.

      »Wir haben alle zurückgesteckt, Finley, damit du zur Schule gehen kannst«, begann mein Vater und machte mir damit klar, dass die ganze Sache noch lange nicht vom Tisch war. »Es wäre durchaus nützlich für den Hof, wenn du dich um die Schafe kümmern würdest. Dein Bruder und ich müssen ziemlich ackern, um hier zu zweit zurechtzukommen.«

      »Papa, es tut mir leid. Aber ich würde dir und Doug gern …«

      »Das ist nicht wahr«, erwiderte mein Vater. »Auf Dauer wärst du nicht glücklich. Ganz bestimmt nicht. Und das weißt du selbst genau.«

      Es stimmte. Und das wusste ich auch, na klar. Ich war der Meinung, dass Schafe die dümmsten Lebewesen waren, die es auf der Welt gab. Abgesehen von Doug natürlich.

      »Wir haben alle zurückgesteckt, deinetwegen«, fing mein Vater wieder an. »Und du hast uns hintergangen. Bei deinem Bruder haben wir ziemlich schnell gemerkt, dass die Schule nichts für ihn ist. Aber du bist nicht Doug. Und deshalb …«

      Er ließ den Satz drohend in der Schwebe.

      »… bringe ich dich morgen zu Reverend Prospero«, vollendete er ihn schließlich in einem Atemzug.

      Und damit ging er und ließ mich auf dem Bett und ohne Abendessen sitzen.

      Als mir klar wurde, was ich da eben gehört hatte, rannte ich zum Fenster. »Dusty! Hast du gehört? Dusty! Sie schicken mich zu Reverend Prospero!«

      Doch dieser miese Verräter hatte schon seinen Platz unter meinem Fenster verlassen und war auf die andere Seite des Hauses gelaufen, um sich dort sein Fressen zu holen.

      Es wurde die längste Nacht meines Lebens.

      Mit weit geöffneten Augen lauschte ich den Sternen, die vor dem Fenster vor sich hin wisperten, und als ich schließlich doch eingeschlafen war, wurde ich gleich wieder von meiner Mutter aus den Träumen gerissen. Zumindest kam es mir so vor, als wäre es noch mitten in der Nacht.

      »Los, aufstehen, raus aus den Federn, du Nichtsnutz!«

      Sie schmiss mich buchstäblich aus dem Bett, trieb mich vor sich her ins Bad und deutete auf die mit dampfendem Wasser gefüllte Badewanne. Rechts davon lagen zwei Handtücher. Auf der anderen Seite meine guten Anziehsachen, in die sie mich immer steckte, wenn wir in die Kirche gingen: dunkle Hose und Jacke, ein gestärktes Hemd, weiße Socken und schwarze Halbschuhe. »Du hast zehn Minuten, um dich fertig zu machen!«

      Mir war sofort klar: Wenn ich wagte, wegen der Wanne zu protestieren, würde sie mich mit Gewalt dort hineinstecken und mich eigenhändig baden, so wie früher als Baby.

      Zehn Minuten später, gewaschen und so gründlich gestriegelt, dass sich mein Kopf fast kahl anfühlte, näherte ich mich dem Frühstückstisch. Mein Magen grummelte, weil ich gestern Abend nichts gegessen hatte. Papa hatte die Sportzeitung von letzter Woche vor dem Gesicht und ließ sie auch nicht sinken, um mir Guten Morgen zu wünschen.

      »Einstein im Anflug!«, begrüßte mich Doug.

      Ich erwiderte nichts. Mein Bruder hatte sich einen Riesenberg Rührei auf den Teller geladen, auf den er gleichzeitig einen Löffel Honig und einen Löffel Senf klatschte. Ich war so hungrig, dass ich sogar das gegessen hätte.

      Ich nahm mir einen Toast mit Marmelade und ein Ei mit sauren Gurken, die ich normalerweise hasse. Der Milchkaffee war so heiß wie dieser Vulkan auf Island, der seit einiger Zeit Asche spuckte, aber ich wagte nicht, mich zu beschweren.

      Während ich mein Frühstück aß, versuchte ich, Doug zu ignorieren, der mit dem Fuß rhythmisch zu dem Song aus seinem Kopfhörer aufstampfte, und als ich fertig war, blieb ich einfach sitzen und wartete ab.

      Laut raschelte mein Vater mit der Zeitung. »Gehen wir.« Dann fügte er noch hinzu: »Nimm dieses Ding ab, Doug.«

      Mein Vater und ich setzten uns vorn in den Lieferwagen, Dusty drängte sich zwischen uns, und sobald wir losfuhren, kletterte er auf meine gute Hose, um seine Schnauze zum Seitenfenster hinauszustecken und sich den Fahrtwind um die Schlappohren wehen zu lassen.

      Und ich ließ ihn machen, hielt ihn nur am Halsband fest, damit er nicht hinaushüpfte.

      »Warum fahren wir zu Reverend Prospero?«, fragte ich Papa, als die Häuser und der einzige Kirchturm von Applecross in Sichtweite kamen.

      »Ich habe ihn gebeten, dir für diesen Sommer


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