Faust. Der Tragödie erster Teil. Johann Wolfgang von Goethe

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Faust. Der Tragödie erster Teil - Johann Wolfgang von Goethe


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Ihr nur durch Masse zwingen,

      Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus.

      Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen,

      Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.

      Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!

      Solch ein Ragout, es muss Euch glücken;

      Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht.

      Was hilfts, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht?

      Das Publikum wird es Euch doch zerpflücken.

      dichter. Ihr fühlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei,

      Wie wenig das dem echten Künstler zieme!

      Der saubern Herren Pfuscherei,

      Ist, merk ich, schon bei Euch Maxime.

      direktor. Ein solcher Vorwurf lässt mich ungekränkt:

      Ein Mann, der recht zu wirken denkt,

      Muss auf das beste Werkzeug halten.

      Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten,

      Und seht nur hin, für wen Ihr schreibt!

      Wenn diesen Langeweile treibt,

      Kommt jener satt vom übertischten Mahle,

      Und was das Allerschlimmste bleibt,

      Gar mancher kommt vom Lesen der Journale.

      Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,

      Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt;

      Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten

      Und spielen ohne Gage mit.

      Was träumet Ihr auf Eurer Dichterhöhe?

      Was macht ein volles Haus Euch froh?

      Beseht die Gönner in der Nähe!

      Halb sind sie kalt, Halb sind sie roh.

      Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel,

      Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen!

      Was plagt ihr armen Toren viel.

      Zu solchem Zweck die holden Musen?

      Ich sag Euch: gebt nur mehr und immer, immer mehr,

      So könnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren.

      Sucht nur die Menschen zu verwirren,

      Sie zu befriedigen, ist schwer! –

      Was fällt Euch an? Entzückung oder Schmerzen?

      dichter. Geh hin und such dir einen andern Knecht!

      Der Dichter sollte wohl das höchste Recht,

      Das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt,

      Um deinetwillen freventlich verscherzen!

      Wodurch bewegt er alle Herzen?

      Wodurch besiegt er jedes Element?

      Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt

      Und in sein Herz die Welt zurückeschlingt?

      Wenn die Natur des Fadens ewge Länge,

      Gleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt,

      Wenn aller Wesen unharmonsche Menge

      Verdriesslich durcheinanderklingt:

      Wer teilt die fliessend immer gleiche Reihe

      Belebend ab, dass sie sich rhythmisch regt?

      Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe,

      Wo es in herrlichen Akkorden schlägt?

      Wer lässt den Sturm zu Leidenschaften wüten?

      Das Abendrot im ernsten Sinne glühn?

      Wer schüttet alle schönen Frühlingsblüten

      Auf der Geliebten Pfade hin?

      Wer flicht die unbedeutend-grünen Blätter

      Zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?

      Wer sichert den Olymp? vereinet Götter?

      Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart!

      lustige person. So braucht sie denn, die schönen Kräfte,

      Und treibt die dichtrischen Geschäfte,

      Wie man ein Liebesabenteuer treibt:

      Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt,

      Und nach und nach wird man verflochten;

      Es wächst das Glück, dann wird es angefochten,

      Man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran,

      Und eh man sichs versieht, ists eben ein Roman.

      Lasst uns auch so ein Schauspiel geben!

      Greift nur hinein ins volle Menschenleben!

      Ein jeder lebts, nicht vielen ists bekannt,

      Und wo Ihrs packt, da ists interessant.

      In bunten Bildern wenig Klarheit,

      Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit,

      So wird der beste Trank gebraut,

      Der alle Welt erquickt und auferbaut.

      Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte

      Vor Eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,

      Dann sauget jedes zärtliche Gemüte

      Aus Eurem Werk sich melancholsche Nahrung,

      Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt:

      Ein jeder sieht, was er im Herzen trägt.

      Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen,

      Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;

      Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen,

      Ein Werdender wird immer dankbar sein.

      dichter. So gib mir auch die Zeiten wieder,

      Da ich noch selbst im Werden war,

      Da sich ein Quell gedrängter Lieder.

      Ununterbrochen neu gebar,

      Da Nebel mir die Welt verhüllten,

      Die Knospe Wunder noch versprach,

      Da ich die tausend Blumen brach,

      Die alle Täler reichlich füllten!

      Ich hatte nichts und doch genug:

      Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug!

      Gib ungebändigt jene Triebe,

      Das tiefe, schmerzenvolle Glück,

      Des Haffes Kraft, die Macht der Liebe,

      Gib meine Jugend mir zurück!

      lustige person. Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls,

      Wenn dich in Schlachten Feinde drängen,

      Wenn mit Gewalt an deinen Hals

      Sich allerliebste Mädchen hängen,

      Wenn fern des schnellen Laufes Kranz

      Vom schwer erreichten Ziele winket,

      Wenn nach dem heftgen Wirbeltanz

      Die Nächte schmausend man vertrinket.

      Doch ins bekannte Saitenspiel

      Mit Mut und Anmut einzugreifen,

      Nach


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