Faust. Der Tragödie erster Teil. Johann Wolfgang von Goethe

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Faust. Der Tragödie erster Teil - Johann Wolfgang von Goethe


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      Und blast die kümmerlichen Flammen

      Aus eurem Aschenhäufchen ’raus!

      Bewundrung von Kindern und Affen,

      Wenn euch darnach der Gaumen steht –

      Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,

      Wenn es euch nicht von Herzen geht.

      wagner . Allein der Vortrag macht des Redners Glück;

      Ich fühl es wohl, noch bin ich weit zurück.

      faust . Such Er den redlichen Gewinn!

      Sei Er kein schellenlauter Tor!

      Es trägt Verstand und rechter Sinn

      Mit wenig Kunst sich selber vor.

      Und wenns euch Ernst ist, was zu sagen,

      Ists nötig, Worten nachzujagen?

      Ja, eure Reden, die so blinkend, sind,

      In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,

      Sind unerquicklich wie der Nebelwind,

      Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!

      wagner . Ach Gott! die Kunst ist lang,

      Und kurz ist unser Leben.

      Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben,

      Doch oft um Kopf und Busen bang.

      Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,

      Durch die man zu den Quellen steigt!

      Und eh man nur den halben Weg erreicht,

      Muss wohl ein armer Teufel sterben.

      faust . Das Pergament, ist das der heilge Bronnen,

      Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?

      Erquickung hast du nicht gewonnen,

      Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.

      wagner . Verzeiht! es ist ein gross Ergetzen,

      Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen,

      Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht

      Und wie wirs dann zuletzt so herrlich weit gebracht.

      faust . O ja, bis an die Sterne weit!

      Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit

      Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.

      Was ihr den Geist der Zeiten heisst,

      Das ist im Grund der Herren eigner Geist,

      In dem die Zeiten sich bespiegeln.

      Da ists denn wahrlich oft ein Jammer!

      Man läuft euch bei dem ersten Blick davon:

      Ein Kehrichtfass und eine Rumpelkammer,

      Und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion

      Mit trefflichen pragmatischen Maximen,

      Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!

      wagner . Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!

      Möcht jeglicher doch was davon erkennen.

      faust . Ja, was man so erkennen heisst!

      Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen?

      Die wenigen, die was davon erkannt,

      Die töricht gnug ihr volles Herz nicht wahrten,

      Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,

      Hat man von je gekreuzigt und verbrannt.

      Ich bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht,

      Wir müssens diesmal unterbrechen.

      wagner . Ich hätte gern nur immer fortgewacht,

      Um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen.

      Doch morgen, als am ersten Ostertage,

      Erlaubt mir ein- und andre Frage!

      Mit Eifer hab ich mich der Studien beflissen;

      Zwar weiss ich viel, doch möcht ich alles wissen. Ab.

      faust allein. Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,

      Der immerfort an schalem Zeuge klebt,

      Mit gierger Hand nach Schätzen gräbt

      Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!

      Darf eine solche Menschenstimme hier,

      Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?

      Doch ach! für diesmal dank ich dir,

      Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.

      Du rissest mich von der Verzweiflung los,

      Die mir die Sinne schon zerstören wollte.

      Ach! die Erscheinung war so riesengross,

      Dass ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.

      Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon

      Ganz nah gedünkt dem Spiegel ewger Wahrheit,

      Sein selbst genoss in Himmelsglanz und Klarheit,

      Und abgestreift den Erdensohn,

      Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft

      Schon durch die Adern der Natur zu fliessen

      Und, schaffend, Götterleben zu geniessen

      Sich ahnungsvoll vermass, wie muss ichs büssen!

      Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.

      Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen!

      Hab ich die Kraft, dich anzuziehn, besessen,

      So hatt ich dich zu halten keine Kraft.

      In jenem selgen Augenblicke

      Ich fühlte mich so klein, so gross;

      Du stiessest grausam mich zurücke

      Ins ungewisse Menschenlos.

      Wer lehret mich? was soll ich meiden?

      Soll ich gehorchen jenem Drang?

      Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden,

      Sie hemmen unsres Lebens Gang.

      Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,

      Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;

      Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,

      Dann heisst das Bessre Trug und Wahn.

      Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle

      Erstarren in dem irdischen Gewühle.

      Wenn Phantasie sich sonst mit kühnem Flug

      Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,

      So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,

      Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.

      Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,

      Dort wirket sie geheime Schmerzen,

      Unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruh;

      Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,

      Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,

      Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift:

      Du bebst vor allem, was nicht trifft,

      Und was du nie verlierst, das musst du stets beweinen.

      Den


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