Die 12 Häuser der Magie - Schicksalsretter. Andreas Suchanek

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Die 12 Häuser der Magie - Schicksalsretter - Andreas Suchanek


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       Das Schicksal schrie auf.

       Er schwebte inmitten des Chaos, wusste nicht einmal seinen eigenen Namen. Doch er existierte. Irgendwo. Irgendwie. Das Schicksal wollte ihn nicht gehen lassen, hielt ihn fest. Gleichzeitig sollte er sterben. Musste er.

       Unsichtbare Augen schienen in der Dunkelheit ihren Blick auf ihn zu richten, groß wie Wolkenkratzer. Er war nichts. Und doch alles. Der Funke, der einen Brand ausgelöst hatte.

       Wie lange war er bereits hier?

       Ein Schrei erklang, urtümlich und voller Pein. Die goldenen Fäden des Schicksals pochten im Takt eines Herzschlags, erschienen und vergingen. Doch immer mehr Stellen färbten sich schwarz.

       »Doch Verrat milderte des Schicksals Klinge.«

       Die Stimme war laut und leise, alt und jung, schien von überallher an sein Ohr zu dringen.

       »Ein Tropfen Blut von reiner Seele.«

       Die Worte klangen schmerzerfüllt, wurden beständig leiser. Der letzte Satz war nicht mehr als ein Wispern.

       »Einzig tausendfach aus Güte gegeben.«

       Ein Seufzer, dann war sie fort. Die Umgebung machte einen Ruck, ein Strudel zog ihn mit sich. Zum ersten Mal blickte er an sich herab, wurde seiner eigenen Finger gewahr, die in seine Hand übergingen, seinen Arm. Da war keine Haut, kein Leben.

       Nur schwarzes Glas.

      Teil I

Mauern des Schicksals

      Kapitel 1

      Zerbrechende Mauern

      Matt

      Ein Stück Himmel fiel herab und hinterließ ein schwarzes Loch. Dahinter lauerte etwas, dessen Anblick allein Matt in panische Angst versetzte. Sein Innerstes verkrampfte sich. Er wollte sich zusammenrollen wie ein kleines Kind und wimmern.

      »Hey!«, brüllte Jane.

      In ihren Augen stand nackte Panik, doch ihre Bewegungen waren zielgerichtet und beherrscht. Sie berührte ihren jadegrünen Anima-Stein in der Halskette, obgleich es keine Magie ringsum gab, die sie hätte verweben können.

      Er erwiderte ihren Blick. »Was?«

      »Nicht hinsehen«, verlangte sie. »Ich bin durch diese Schwärze getaumelt, tagelang. Du kannst keinen klaren Gedanken mehr fassen, wenn du dich darin verlierst.«

      Risse verästelten sich auf dem Boden, die Gebäude fielen in sich zusammen. Die gesamte Kulisse, die der Dämon – Egmont Chavale – erschaffen hatte, war dem Untergang geweiht. Matts eigene Dummheit hatte all das ermöglicht. Der Fluch hatte sich erfüllt, das Gefängnis war offen.

      Was eine fehlerhafte Kopie Londons aus dem 18. Jahrhundert gewesen war, fiel zusammen, als bestünde es aus Pappmaschee. Ohne den Dämon hatte der Kerker des Schicksals keinen Nutzen mehr.

      »Wir müssen es durch die Schatten versuchen«, schaltete sich Sam ein.

      Hektisch zupfte sie an ihrem Lippenpiercing, und es hätte Matt keine Sekunde gewundert, wenn ihr Anima darin eingelassen gewesen wäre. Doch sie trug wie er ein Lederband mit dem magischen Stein.

      »Dieses Gefängnis wurde errichtet, um den Dämon einzu­kerkern«, sagte Jane. »Meine Gabe ist nutzlos. Beide Gaben.«

      Das galt für sie alle.

      Er selbst konnte keine Pflanzen manipulieren, weil es hier schlicht keine gab. Sams Talent des Traumwandelns bot sowieso keinerlei Nutzen für eine Fluchtmöglichkeit.

      In Sichtweite brach ein Stück Straße weg, ein Abgrund tat sich auf. Die Schwärze darin wallte auf wie farbige Säure, die jemand in ein Becken gekippt hatte.

      »Lauft!«, brüllte Sam.

      »Wartet!« Matt gefror in der Bewegung.

      »Matty, das ist nicht der richtige Augenblick für … was auch immer du in erstarrter Variante vorhast!« Jane blickte zwischen dem Abgrund und ihm hin und her.

      Sein erster Instinkt war es gewesen, Engelsschwingen einzusetzen, um in der Luft Sicherheit zu suchen. Ohne Magie war das unmöglich, doch im Kampf gegen die Kreatur von Chavale war er nach oben gestiegen. Es war nur ein kurzer Blick gewesen, doch etwas war ihm in Erinnerung geblieben. »Alles bricht zusammen, aber nach innen. Das Haus wird am längsten stehen.«

      »Los!«, rief Jane.

      Gemeinsam rannten sie die Treppenstufen empor.

      Das einstmals herrschaftliche Anwesen glich einer verfallenen Ruine, doch bisher hielt es der Zerstörung stand. Es war der Kern des Kerns. Die letzte Insel der Stabilität.

      Sie stürzten durch die Tür.

      Dass die Apparatur erloschen war, wussten sie längst. Der Dämon war durch den Spiegel entkommen.

      Sam schrie auf, als sich etwas aus dem Nichts schälte, Konturen annahm und explodierte. Für eine Sekunde erkannte Matt einen aufrecht stehenden Mann in einer Robe, dann regnete schwarzes Glas herab.

      »Was geht hier vor?«, flüsterte Jane.

      Matts Gedanken rasten. »Das hier ist das Gefängnis, außer dem Dämon sollte sich niemand hier befinden.«

      Eine weitere Silhouette erschien, um kurz darauf zu explodieren. Dieses Mal konnte Jane nicht schnell genug ausweichen, einer der Splitter bohrte sich in ihre Haut. Er war lediglich münzgroß, doch scharfkantig.

      Sie schrie auf, ging wimmernd in die Knie.

      »Jane!« Sam sank neben ihr zu Boden.

      Matt wollte ebenfalls helfen. Ein weiteres Beben riss ihn jedoch von den Beinen. Ein Teil der Wand brach nach außen, gab den Blick frei auf die brodelnde Dunkelheit des Nichts.

      »Es wurde von den Sieben erschaffen, die dafür selbst ihr Leben gaben«, flüsterte Jane.

      Stöhnend kam Matt in die Höhe, taumelte zu ihr.

      »Das war falsch.«

      Natürlich kannten sie alle die Geschichte des Dämons, dessen Regnum vor über hundert Jahren beendet worden war. Erst durch Nics Zugehörigkeit zum Haus der Schicksalswächter hatten sie die Wahrheit erfahren. Der Dämon war nicht tot, lediglich eingekerkert. Sieben Magier hatten das Schicksal gebeugt und ein Gefängnis erschaffen. Doch der Dämon hatte in seiner Schläue ausgenutzt, dass die natürliche Ordnung für dieses Ziel gebrochen worden war. Ein Fluch sorgte seitdem dafür, dass sich alles zu seinen Gunsten neigte, zur Öffnung des Kerkers.

      »Was meinst du?« Matt ging neben ihr in die Knie.

      »Sie harrten aus«, flüsterte Jane. »Sie gaben ihre Freiheit, jedoch nicht ihre Existenz.«

      »Ich verstehe nicht …« Sam hob einen der Splitter vom Boden auf. »Wer?«

      »Die Überlieferung spricht davon, dass sie ihr Leben gaben, allerdings war damit nicht die körperliche Existenz gemeint. Sie opferten ihr Leben in Freiheit. Sie wurden zu Ankern.« Janes Augen waren weit aufgerissen. »Ihr Leib wurde zu schwarzem Glas. Angefüllt von jener Dunkelheit, die das Schicksal zu verändern vermag. Sie waren Teil des Kerkers.«

      Sie hatten also die Stellung gehalten, um die Barriere zu stabili­sieren. Womöglich sogar, um gegen den Fluch anzukämpfen.

      »Allerdings waren es nur sechs«, flüsterte Jane weiter. »Eine


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