Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur. Theodor Fontane

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Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur - Theodor Fontane


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würd ich mir auch verbitten. Er hat sein Alter, und ich habe meine Jugend. Und ich würde ihm mit den Fingern drohen und ihm sagen: ,Geert, überlege, was besser ist‘.“

      „Und dann würde er dir antworten: ,Was du hast, Effi, das ist das Bessere‘. Denn er ist nicht nur ein Mann der feinsten Formen, er ist auch gerecht und verständig und weiss recht gut, was Jugend bedeutet. Er sagt sich das immer und stimmt sich auf das Jugendliche hin, und wenn er in der Ehe so bleibt, so werdet ihr eine Musterehe führen.“

      „Ja, das glaube ich auch, Mama. Aber kannst du dir vorstellen, und ich schäme mich fast, es zu sagen, ich bin nicht so sehr für das, was man eine Musterehe nennt.“

      „Das sieht dir ähnlich. Und nun sage mir, wofür bist du denn eigentlich?“

      „Ich bin . . . nun, ich bin für gleich und gleich und natürlich auch für Zärtlichkeit und Liebe. Und wenn es Zärtlichkeit und Liebe nicht sein können, weil Liebe, wie Papa sagt, doch nur ein Papperlapapp ist (was ich aber nicht glaube), nun, dann bin ich für Reichtum und ein vornehmes Haus, ein ganz vornehmes, wo Prinz Friedrich Karl zur Jagd kommt, auf Elchwild oder Auerhahn, oder wo der alte Kaiser vorfährt und für jede Dame, auch für die jungen, ein gnädiges Wort hat. Und wenn wir dann in Berlin sind, dann bin ich für Hofball und Galaoper, immer dicht neben der grossen Mittelloge.“

      „Sagst du das so bloss aus Übermut und Laune?“

      „Nein, Mama, das ist mein völliger Ernst. Liebe kommt zuerst, aber gleich hinterher kommt Glanz und Ehre, und dann kommt Zerstreuung — ja, Zerstreuung, immer was Neues, immer was, dass ich lachen oder weinen muss. Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile.“

      „Wie bist du da nur mit uns fertig geworden?“

      „Ach, Mama, wie du nur so was sagen kannst. Freilich, wenn im Winter die liebe Verwandtschaft vorgefahren kommt und sechs Stunden bleibt oder wohl auch noch länger, und Tante Gundel und Tante Olga mich mustern und mich naseweis finden — und Tante Gundel hat es mir auch mal gesagt — ja, da macht sich’s mitunter nicht sehr hübsch, das muss ich zugeben. Aber sonst bin ich hier immer glücklich gewesen, so glücklich . . .“

      Und während sie das sagte, warf sie sich heftig weinend vor der Mama auf die Knie und küsste ihre beiden Hände.

      „Steh auf, Effi. Das sind so Stimmungen, die über einen kommen, wenn man so jung ist wie du und vor der Hochzeit steht und vor dem Ungewissen. Aber nun lies mir den Brief vor, wenn er nicht was ganz Besonderes enthält oder vielleicht Geheimnisse.“

      „Geheimnisse,“ lachte Effi und sprang in plötzlich veränderter Stimmung wieder auf. „Geheimnisse! Ja, er nimmt immer einen Anlauf, aber das meiste könnt ich auf dem Schulzenamt anschlagen lassen, da, wo immer die landrätlichen Verordnungen stehen. Nun, Geert ist ja auch Landrat.“

      „Lies, lies.“

      „Liebe. Effi!. . . So fängt es nämlich immer an, und manchmal nennt er mich auch seine ,kleine Eva‘.“

      „Lies, lies . . . Du sollst ja lesen.“

      „Also: Liebe Effi! Je näher wir unserem Hochzeitstage kommen, je sparsamer werden Deine Briefe. Wenn die Post kommt, suche ich immer zuerst nach Deiner Handschrift, aber wie Du weisst (und ich hab es ja auch nicht anders gewollt) in der Regel vergeblich. Im Hause sind jetzt die Handwerker, die die Zimmer, freilich nur wenige, für Dein Kommen herrichten Tollen. Das beste wird wohl erst geschehen, wenn wir auf der Reise sind. Tapezierer Madelung, der alles liefert, ist ein Original, von dem ich Dir mit nachstem erzähle, vor allem aber, wie glücklich ich bin über Dich, über meine süsse, kleine Effi. Mir brennt hier der Boden unter den Füssen, und dabei wird es in unserer guten Stadt immer stiller und einsamer. Der letzte Badegast ist gestern abgereist; er badete zuletzt bei neun Grad, und die Badewärter waren immer froh, wenn er wieder heil heraus war. Denn sie fürchteten einen Schlaganfall, was dann das Bad in Misskredit bringt, als ob die Wellen hier schlimmer wären als wo anders. Ich juble, wenn ich denke, dass ich in vier Wochen schon mit Dir von der Piazzetta aus nach dem Lido fahre oder nach Murano hin, wo sie Glasperlen machen und schönen Schmück. Und der schönste sei für Dich. Viele Grüsse den Eltern und den zärtlichsten Kuss Dir von Deinem Geert.“

      Effi faltete den Brief wieder zusammen, um ihn in das Kuvert zu stecken.

      „Das ist ein sehr hübscher Brief,“ sagte Frau von Briest, „und dass er in allem das richtige Mass hält, das ist ein Vorzug mehr.“

      „Ja, das rechte Mass, das hält er.“

      „Meine liebe Effi, lass mich eine Frage tun; wünschtest du, dass der Brief nicht das richtige Mass hielte, wünschtest du, dass er zärtlicher wäre, vielleicht überschwenglich zärtlich?“

      „Nein, nein, Mama. Wahr und wahrhaftig nicht, das wünsche ich nicht. Da ist es doch besser so.“

      „Da ist es doch besser so. Wie das nun wieder klingt. Du bist so sonderbar. Und dass du vorhin weintest. Hast du was auf deinem Herzen? Noch ist es Zeit. Liebst du Geert nicht?“

      „Warum soll ich ihn nicht lieben? Ich liebe Hulda, und ich liebe Bertha, und ich liebe Hertha. Und ich liebe auch den alten Niemeyer. Und dass ich euch liebe, davon spreche ich gar nicht erst. Ich liebe alle, die’s gut mit mir meinen und gütig gegen mich sind und mich verwöhnen. Und Geert wird mich auch wohl verwöhnen. Natürlich auf seine Art. Er will mir ja schon Schmuck schenken in Venedig. Er hat keine Ahnung davon, dass ich mir nichts aus Schmuck mache. Ich klettere lieber und ich schaukle mich lieber, und am liebsten immer in der Furcht, dass es irgendwo reissen oder brechen und ich niederstürzen könnte. Den Kopf wird es ja nicht gleich kosten.“

      „Und liebst du vielleicht auch deinen Petter Briest?“

      „Ja, sehr. Der erheitert mich immer.“

      „Und hättest du Vetter Briest heiraten mögen?“

      „Heiraten? Um Gottes willen nicht. Er ist ja noch ein halber Junge. Geert ist ein Mann, ein schöner Mann, ein Mann, mit dem ich Staat machen kann und aus dem was wird in der Welt. Wo denkst du hin, Mama.“

      „Nun, das ist recht, Effi, das freut mich. Aber du hast noch was auf der Seele.“

      „Vielleicht.“

      „Nun, sprich.“

      „Sieh, Mama, dass er älter ist als ich, das schadet nichts, das ist vielleicht recht gut: er ist ja doch nicht alt und ist gesund und frisch und so soldatisch und so schneidig. Und ich könnte beinah sagen, ich wäre gang und gar für ihn, wenn er nur . . . ja, wenn er nur ein bisschen anders wäre.“

      „Wie denn, Effi?“

      „Ja, wie. Nun, du darfst mich nicht auslachen. Es ist etwas, was ich erst ganz vor kurzem aufgehorcht habe, drüben im Pastorhause. Wir sprachen da von Innstetten, und mit einem Male zog der alte Niemeyer seine Stirn in Falten, aber in Respektsund Bewunderungsfalten, und sagte: ,Ja, der Baron! Das ist ein Mann von Charakter, ein Mann von Prinzipien‘.“

      „Das ist er auch, Effi.“

      „Gewiss. Und ich glaube, Niemeyer sagte nachher sogar, er sei auch ein Mann von Grundsätzen. Und das ist, glaub ich, noch etwas mehr. Ach, und ich . . . ich habe keine. Sieh, Mama, da liegt etwas, was mich quält und ängstigt. Er ist so lieb und gut gegen mich und so nachsichtig, aber . . . ich fürchte mich vor ihm.“

      Fünftes Kapitel

      Die Hohen-Cremmer Festtage lagen zurück; alles war abgereift, auch das junge Paar, noch am Abend des Hochzeitstages.

      Der Polterabend hatte jeden zufriedengestellt, besonders die Mitspielenden, und Hulda war dabei das Entzücken aller jungen Offiziere gewesen, sowohl der Rathenower Husaren wie der etwas kritischer gestimmten Kameraden vom Alexanders Regiment. Ja, alles war gut und glatt verlaufen, fast über Erwarten. Nur Bertha und Hertha hatten so heftig geschluchzt, dass Jahnkes plattdeutsche Verse so gut wie verloren gegangen waren. Aber auch das hatte wenig geschadet. Einige seine Kenner waren sogar der Meinung gewesen, „das sei das Wahre; Steckenbleiben und Schluchzen


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