Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur. Theodor Fontane

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Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur - Theodor Fontane


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dürfen. Er war als Demuthscher Kommis erschienen, der in Erfahrung gebracht, die junge Braut habe vor, gleich nach der Hochzeit nach Italien zu reisen, weshalb er einen Reisekoffer abliefern wolle. Dieser Koffer entpuppte sich natürlich als eine Riesenbonbonniere von Hövel. Bis um drei Uhr war getanzt worden, bei welcher Gelegenheit der sich mehr und mehr in eine höchste Champagnerstimmung hineinredende alte Briest allerlei Bemerkungen über den an manchen Höfen immer noch üblichen Fackeltanz und die merkwürdige Sitte des Strumpfband-Austangens gemacht hatte, Bemerkungen, die nicht abschliessen, wollten und, sich immer mehr steigernd, am Ende so weit gingen, dass ihnen durchaus ein Riegel vorgeschoben werden musste. „Nimm dich zusammen, Briest,“ war ihm in ziemlich ernstem Tone von seiner Frau zugeflüstert worden; „du stehst hier nicht, um Zweideutigkeiten zu sagen, sondern um die Honneurs des Sauses zu machen. Wir haben eben eine Hochzeit und nicht eine Jagdpartie.“ Worauf Briest geantwortet, „er sähe darin seinen so grossen Unterschied; übrigens sei er glücklich.“

      Auch der Hochzeitstag selbst war gut verlaufen. Niemeyer hatte vorzüglich gesprochen, und einer der alten Berliner Herren, der halb und halb zur Hofgesellschaft gehörte, hatte sich auf dem Rückwege von der Kirche zum Hochzeitshause dahin geäussert, es sei doch merkwürdig, wie reich gesät in einem Staate wie der unsrige die Talente seien. „Ich sehe darin einen Triumph unserer Schulen und vielleicht mehr noch unserer Philosophie Wenn ich bedenke, dieser Niemeyer, ein alter Dorfpastor, der anfangs aussah wie ein Hospitalit . . . ja, Freund, sagen Sie selbst, hat er nicht gesprochen wie ein Hofprediger? Dieser Takt und diese Kunst der Antithese, ganz wie Kögel, und an Gefühl ihm noch über. Kögel ist zu kalt. Freilich ein Mann in seiner Stellung muss kalt sein. Woran scheitert man denn im Leben überhaupt? Immer nur an der Wärme.“ Der noch unverheiratete, aber wohl eben deshalb zum vierten Male in einem „Verhältnis“ stehende Würdenträger, an den sich diese Worte gerichtet hatten, stimmte selbstverständlich zu. „Nur zu wahr, lieber Freund,“ sagte er. „Zuviel Wärme! . . . ganz vorzüglich . . . Übrigens muss ich Ihnen nachher eine Geschichte erzählen.“

      Der Tag nach der Hochzeit war ein heller Oktobertag. Die Morgensonne blinkte; trotzdem war es schon herbstlich frisch, und Briest, der eben gemeinschaftlich mit seiner Frau das Frühstück genommen, erhob sich von seinem Platz und stellte sich, beide Hände auf dem Rücken, gegen das mehr und mehr verglimmende Kaminfeuer. Frau von Briest, eine Handarbeit in Händen, rückte gleichfalls näher, an den Kamin und sagte zu Wilke, der gerade eintrat, um den Frühstückstisch abzuräumen: „Und nun, Wilke, wenn Sie drin im Saal, aber das geht vor, alles in Ordnung haben, dann sorgen Sie, dass die Torten nach drüben kommen, die Nusstorte zu Pastors und die Schüssel mit kleinen Kuchen zu Jahnkes. Und nehmen Sie sich mit den Gläsern in acht. Ich meine die dünn geschliffenen.“

      Briest war schon bei der dritten Zigarette, sah sehr wohl aus und erklärte, „nichts bekomme einem so gut wie eine Hochzeit, natürlich die eigene ausgenommen.“

      „Ich weiss nicht, Briest, wie du zu solcher Bemerkung kommt. Mir war ganz neu, dass du darunter gelitten haben willst. Ich wüsste auch nicht warum.“

      „Luise, du bist eine Spielverderberin. Aber ich nehme nichts übel, auch nicht einmal so was. Im übrigen, was wollen wir von uns sprechen, die wir nicht einmal eine Hochzeitsreise gemacht haben. Dein Vater war dagegen. Aber Effi macht nun eine Hochzeitsreise. Beneidenswert. Mit dem Zehnuhrzug ab. Sie müssen jetzt schon bei Regensburg sein, und ich nehme an, dass er ihr — selbstverständlich ohne auszusteigen — die Hauptkunstschätze der Walhalla herzählt. Innstetten ist ein vorzüglicher Kerl, aber er hat so was von einem Kunstfex, und Effi, Gott, unsere arme Effi, ist ein Naturfind. Ich fürchte, dass er sie mit seinem Kunstenthusiasmus etwas quälen wird.“

      „Jeder quält reine Frau. Und Kunstenthusiasmus ist noch lange nicht das Schlimmste.“

      „Nein, gewiss nicht; jedenfalls wollen wir darüber nicht streiten; es ist ein weites Feld. Und dann sind auch die Menschen so verschieden. Du, nun ja, du hattest dazu getaugt. Überhaupt hattest du besser zu Innstetten gepasst als Effi. Schade, nun ist es zu spät.“

      „Überaus galant, abgesehen davon, dass es nicht passt. Unter allen Umständen aber; was gewesen ist, ist gewesen. Jetzt ist er mein Schwiegersohn, und es kann zu nichts führen, immer auf Jugendlichkeiten zurückzuweisen.“

      „Ich habe dich nur in eine animierte Stimmung bringen wollen.“

      „Sehr gütig. Übrigens nicht nötig. Ich bin in animierter Stimmung.“

      „Und auch in guter?“

      „Ich kann es fast sagen. Aber du darfst sie nicht verderben. Nun, was hast du noch? Ich sehe, dass du was auf dem Herzen hast.“

      „Gefiel dir Effi? Gefiel dir die ganze Geschichte? Sie war so sonderbar, halb wie ein Kind, und dann wieder sehr selbstbewusst und durchaus nicht so bescheiden, wie sie’s solchem Manne gegenüber sein müsste. Das kann doch nur so zusammenhängen, dass sie noch nicht recht weiss, was sie an ihm hat. Oder ist es einfach, dass sie ihn nicht recht liebt? Das wäre schlimm. Denn bei all seinen Vorzügen, er ist nicht der Mann, sich diese Liebe mit leichter Manier zu gewinnen.“

      Frau von Briest schwieg und zählte die Stiche auf dem Kanevas. Endlich sagte sie: „Was du da sagst, Briest, ist das Gescheiteste, was ich seit drei Tagen von dir gehört habe, deine Rede bei Tisch mit eingerechnet. Ich habe auch so meine Bedenken gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen.“

      „Hat sie dir ihr Herz ausgeschüttet?“

      „So möcht ich es nicht nennen. Sie hat wohl das Bedürfnis zu sprechen, aber sie hat nicht das Bedürfnis, sich so recht von Herzen auszusprechen, und macht vieles in sich selber ab; sie ist mitteilsam und verschlossen zugleich, beinah versteckt; überhaupt ein ganz eigenes Gemisch.“

      „Ich bin gang deiner Meinung. Aber wenn sie dir nichts gesagt hat, woher weisst du’s?“

      „Ich sagte nur, sie habe mir nicht ihr Herz ausgeschüttet. Solche Generalbeichte, so alles von der Seele herunter, das liegt nicht in ihr. Es fuhr alles so bloss ruckweis und plötzlich aus ihr heraus, und dann war es wieder vorüber. Aber gerade weil es so ungewollt und wie von ungefähr aus ihrer Seele kam, deshalb war es mir so wichtig.“

      „Und wann war es denn und bei welcher Gelegenheit?“

      „Es werden jetzt gerade drei Wochen sein, und wir sassen im Garten, mit allerhand Ausstattungsdingen, grossen und kleinen, beschäftigt, als Wilke einen Brief von Innstetten brachte. Sie steckte ihn zu sich, und ich musste sie eine Viertelstunde später erst erinnern, dass sie ja einen Brief habe. Dann las sie ihn, aber verzog kaum eine Miene. Ich bekenne dir, dass mir bang ums Herz dabei wurde, so bang, dass ich gern eine Gewissheit haben wollte, soviel, wie man in diesen Dingen haben kann.“

      „Sehr wahr, sehr wahr.“

      „Was meinst du damit?“

      „Nun, ich meine nur . . . Aber das ist ja ganz gleich. Sprich nur weiter; ich bin ganz Ohr.“

      „Ich fragte also rund heraus, wie’s stünde, und weil ich bei ihrem eigenen Charakter einen feierlichen Ton vermeiden und alles so leicht, wie möglich, ja beinah scherzhaft nehmen wollte, so warf ich die Frage hin, ob sie vielleicht den Vetter Briest, der ihr in Berlin sehr stark den Hof gemacht hatte, ob sie den vielleicht lieber heiraten würde . . .“

      „Und?“

      „Da härtest du sie sehen sollen. Ihre nächste Antwort war ein schnippisches Lachen. Der Vetter sei doch eigentlich nur ein grosser Kadett in Leutnantsuniform. Und einen Kadetten könne sie nicht einmal lieben, geschweige heiraten. Und dann sprach sie von Innstetten, der ihr mit einem Male der Träger aller männlichen Tugenden war.“

      „Und wie erklärft du dir das?“

      „Ganz einfach. So geweckt und temperamentvoll und beinahe leidenschaftlich sie ist, oder vielleicht auch weil sie es ist, sie gehört nicht zu denen, die so recht eigentlich auf Liebe gestellt sind, wenigstens nicht auf das, was den Namen ehrlich verdient. Sie redet zwar davon, sogar mit Nachdruck und einem gewissen Überzeugungston, aber doch nur, weil sie irgendwo gelesen hat, Liebe sei nun mal das


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