Mit Fahrrad durch Corona-Europa. Mattis Lühmann
Читать онлайн книгу.eigentlich nur aus Skandinavien oder Kanada. Deutschland ist schon ein schönes und abwechslungsreiches Land.
19:17 Uhr
Ich bin jetzt in Freudenstadt, oder am Rande davon, ganz oben auf einem Berg und habe den perfekten Schlafplatz gefunden. Es regnet, aber ich bin unter Dach. Ich weiß nicht genau was das hier ist, aber vorne dran steht Duftrosengarten. Und hier ist ein Turm und so mehrere Bänke unter Überdachungen. Wie Zuschauertribünen, na ja egal, Hauptsache trocken und eine Steckdose. Jetzt kann ich alles schön durchladen und trocknen und Morgen richtig was schaffen. Heute habe ich nicht genau drauf geachtet wie viel ich geschafft habe, aber ich schätze mal so etwas über 30 Kilometer. Langsam hänge ich durch. Liegt aber auch daran, dass ich ständig Strom suchen muss.
Inzwischen verschwimmen alle Tage ineinander. Manchmal fühlt sich ein Tag auch an wie mehrere Tage oder ich habe einen Moment vor Augen, kann aber nicht mehr sagen welcher Tag es war. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Frau im Garten, die neben sich eine einen halben Meter große Spinne aus Metall an der Wand hängen hatte, ich glaube das war vor Winterberg. Oder gestern, glaube ich, war eine Oma im Gebüsch ohne Hose, die sich da erleichtert hat, weil sie wohl dachte, dass da keiner vorbeikommt.
08.10.2020
07:22 Uhr: Einer meiner unheimlichsten Schlafplätze, im Sommertheater am Rande des Schwarzwaldes
10:02 Uhr: Neue Eier
13:14 Uhr
Es war ein Sommertheater wo ich letzte Nacht geschlafen habe. Am Rande des Schwarzwaldes, durch den ich heute Morgen größten Teils durchgerollt bin.
Ich musste jetzt ein bisschen umplanen. Ich habe eben zwei Flixbusse über das Netto-WLAN gebucht, und zwar am 18.10. von Genova in Italien nach Bremen zur Beerdigung und am 23. wieder zurück, um meine Radtour fortzusetzen. Meine Freundin hat eine Freundin in Genova, vielleicht kann ich mein Fahrrad so lange da lassen. Ich fahre von Italien, weil es dort nicht so viele Reisebeschränkungen von den Regierungen gibt wie in Frankreich. Meiner Meinung nach ist das mit dem Corona-Virus total übertrieben. Wir leben schon immer mit weitaus schlimmeren Krankheiten und da gab es auch nie solche Maßnahmen, die überhaupt nichts mit Gesundheit zu tun haben. Jedenfalls sind es nicht mal mehr 600 Kilometer bis nach Genova und ich habe noch elf Tage Zeit. Das heißt, ich muss nur etwas über 50 Kilometer am Tag schaffen. Endlich etwas entspannter fahren. Und wenn es dann weitergeht lasse ich den Punto de Tarifa in Südspanien wahrscheinlich auch weg, dann sind es nur noch etwa 2300 Kilometer.
Ein kleines Gedicht: Ich fahr’ unverzüglich zügig nach Zürich, es ist zwar hüglig, aber ich lüg’ nicht, wenn nicht sogar bergig, aber ich sterb’ nicht.
20:37 Uhr
Ich bin in einem Gebüsch im Zelt neben einem Fußgängerweg mit Blick über eine Wiese auf die Stadt. Welche weiß ich nicht. Gerade kam hier einer mit bellendem Hund und Taschenlampe vorbei. Der Hund hat an der Leine gezogen und wollte nicht an mir vorbeigehen, ich musste hallo sagen, sonst wäre der Typ hier noch ins Gebüsch gekommen, um zu sehen, was hier ist. Bei einer Pause vorhin hat mich zum ersten Mal eine Frau gefragt, wo ich herkomme, hinwill und wie viel ich am Tag schaffe.
Und vorhin habe ich bei einer Kirche mein Handy geladen und mir Nudeln mit Champignons gekocht, die ich auf einer Wiese gefunden hatte, bis Leute mit Musikinstrumenten in die Kirche gingen und komisch geguckt haben, da bin ich lieber weggegangen.
Ich konnte heute schon die Alpen sehen und morgen komme ich wohl in der Schweiz an.
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