Why not?. Lars Amend

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Why not? - Lars Amend


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selbst zu bemitleiden. Das ist ziemlich erbärmlich. Okay, vielleicht liegt es auch an mir. Vielleicht habe ich mich in der Vergangenheit zu undeutlich ausgedrückt. Du willst ein sorgenfreies Leben führen, stimmt’s?«

       »Schon, aber …«

      »Nein, kein Aber!«, fiel er mir barsch ins Wort. »Menschen, die zuerst etwas bejahen, um im nächsten Augenblick mit einem Aber wieder alles zu relativieren, sind schwach und dumm und können keine klaren Entscheidungen treffen. Willst du so jemand sein?«

      Wieso stellte er mir diese Frage, wenn er doch wusste, in was für einem furchtbaren mentalen Zustand ich mich befand? Mein Seelenleben war ein einziges Durcheinander. Ihm schien das allerdings große Freude zu bereiten, denn er hatte nichts Besseres zu tun, als Tag und Nacht bei mir aufzutauchen und mir ständig diese unangenehmen Fragen zu stellen.

      Bei seinem ersten Besuch stellte er sich mit »Brainfucker« vor und er machte seinem Namen wirklich sofort alle Ehre.

      Als ich wieder zur Brücke sah, sprang er direkt ans Steuer eines heranfliegenden blutroten Maybach Cabrio. Er nickte im Takt zu Drake, sah mir tief in die Augen und pustete eine Million Ein-Dollar-Scheine, auf denen seine grinsende Visage abgedruckt war, durch die Luft, die wenige Sekunden später mit einem lauten Knall über mir explodierten, um dann wie Goldstaub auf mich herunterzurieseln. »Hör gut zu«, rief er mir noch zu, bevor er am glühenden Horizont verschwand. »Deine drei großen Schwachpunkte sind schnell aufgezählt: Ego, Ego, Ego! Aber bevor du dir jetzt in die Hosen machst, lass dir gesagt sein, dass es im Prinzip allen Menschen so geht. Denk einfach mal darüber nach. Mein Tipp: Du bist nicht dein Ego! Also, bis morgen.«

      Dann wachte ich auf. Mit Kopfschmerzen. Wie jeden Tag.

      Wohin mit meiner Traurigkeit?

      Ich quälte mich aus dem Bett, zog die Jogginghose an, die vor dem flimmernden Fernseher auf dem Boden lag, und ging zum Fenster. Die helle Morgensonne funkelte auf der dünnen Eisschicht der Spree, die allmählich vom nahenden Frühling aufgefressen wurde. Bald schon würden die Enten zurückkehren. Ente müsste man sein. Sie hatten keine Sorgen: keine Miete, keinen Ärger und dank der vielen einsamen Menschen im Park immer reichlich zu futtern. Sie führten einfach das perfekte Leben.

      Für einen kurzen Moment kam Alfred Jodocus Kwak am Fenster vorbeigeflogen und sang sein Lied: »Er ist auch schon mal traurig …«. Mein Schädel brummte fürchterlich. Ich wünschte, die holländische Ente würde auch mal die erste Strophe für mich singen, aber das tat sie nicht. Am Himmel hingen ein paar Wolken. Es gab Tage, an denen ich meine Traurigkeit kaum wahrnahm. Sie war zwar da und ich konnte sie auch spüren – wie ein grauer Schleier lag sie über meinen Gedanken –, aber sie ließ mir wenigstens noch Raum, um mein Leben zu leben. Heute war nicht so ein Tag. Das Atmen fiel mir schwer.

      Die Reise auf dem Wunderteppich

      Mein altes Nokia-Handy blinkte. Ich hob es vom Sofa auf, sah, dass ich acht Anrufe verpasst hatte, und schaltete es wieder aus. Ich wollte mit niemandem sprechen. Warum war mir alles nur so egal geworden? Was hatte das zu bedeuten? Wäre ich wenigstens verliebt, wünschte ich mir oft, dann könnte ich nachts von ihr träumen und ihr nach dem Aufwachen einen Liebesbrief schreiben. Ich könnte mich in den Zug setzen und zu ihr fahren und ihr in die Augen blicken und sagen: »Danke, dass du mich daran erinnerst, wer ich bin, wenn ich selbst es vergesse. Danke, dass du mich meine Traurigkeit vergessen lässt und mich zurück zu meinen wahren Träumen geführt hast.« Ich hätte eine Aufgabe, ein Ziel, es gäbe Hoffnung. Aber so? Da war nichts. Ich nahm ein Aspirin und ging zurück ins Bett. Es dauerte nicht lange und eine vertraute Stimme begrüßte mich. Ich versuchte zu lächeln und meinte es sogar ehrlich.

      »Warum können wir uns nicht vertragen?«, fragte ich.

      »Können wir doch.«

      »Und warum tun wir es nicht?«

      »Weil es dir anscheinend noch nicht schlecht genug geht.«

      Ich drehte mich beleidigt um. Der Brainfucker lachte und schwebte mit seinem fliegenden Teppich zu mir rüber und bewarf mich mit kleinen Rubinen. Hatte der Witzbold echt einen schwarzen Turban auf seinem Kopf?

      »Machst du jetzt auf Aladin, oder was?«

      »Wieso nicht? Du könntest ruhig auch mal wieder Spaß haben. Hast du aber nicht, weil du ein Idiot bist und lieber dein Leben verschläfst. Komm schon, spring auf. Wir drehen eine Runde.«

      »Ich bin aber nicht schwindelfrei.«

      »Mach dir darüber mal keine Sorgen«, lachte er und streckte seinen Arm nach mir aus.

      Vorsichtig bestieg ich den Teppich. Ich musste Hunderte Diamanten, Smaragde und Rubine zur Seite räumen, um es einigermaßen bequem zu haben.

      »Kann ich die alle runterschmeißen?«, fragte ich etwas unsicher.

      »Ja, hau sie nur weg. Ich habe genug davon.«

      Ich klammerte mich fest an ihn, dann ging es los. Es wurde augenblicklich dunkel. Hoch über dem Atlantischen Ozean sahen die Sterne wie Straßenlaternen aus, die uns den Weg wiesen.

      »Ich sag dir jetzt mal was.« Der Brainfucker drehte sich um und ließ seinen Teppich freihändig fliegen. »Wenn du etwas wirklich willst, wird Gott, das Universum, die Energie des Lebens – für diese Macht gibt es viele Namen – alles tun, um dich dabei zu unterstützen. Du hast dir eben die Sterne angesehen, richtig? Ein kleiner Rat von mir: Greif nach ihnen, sooft du kannst. Du wirst überrascht sein, wie oft du einen erwischen wirst.«

       »Willst du mich verarschen?«, prustete ich. »Wo hast du den Spruch denn her, aus einem Glückskeks?«

      Er sah mich an, schloss seine Augen, streckte seelenruhig seine Hand aus, öffnete seine Augen wieder und ließ einen wunderschön funkelnden Stern durch seine Finger gleiten.

      »Und jetzt du«, lachte er.

      Ich fuchtelte unbeholfen mit meinen Armen umher und wäre fast vom Teppich gefallen. Bei ihm sah es so einfach aus, verdammt.

      »Wie hast du das gemacht?«

      »Mit einem Hauch Magie. Ich hab’s dir schon 100-mal gesagt: Wer nicht an Wunder glaubt, ist selbst Schuld, wenn ihm keine widerfahren. Ändere deinen Blickwinkel, und schon ändert sich deine Welt.«

      »Ach, fick dich!«

      »Geht nicht. Ich bin du. Schon vergessen?«

      Vor uns tauchte die Skyline von New York auf.

      »Was machen wir hier?«, fragte ich beeindruckt.

      »Zu Abend essen.«

      Unter Champions

      Als wir Manhattan erreichten, ging es im Sturzflug bergab. Mein Herz raste wie wild. Vor dem Fenster eines luxuriösen Penthauses hielten wir an. Der Brainfucker drehte sich erneut zu mir um und trug plötzlich einen eleganten Designeranzug.

      »Wow, siehst gut aus!«, sagte ich noch etwas benommen.

       »Danke. Sieh mal durch das Fenster!«

      Ich konnte kaum glauben, was, oder besser gesagt, wen ich dort sah. An einer langen Tafel saßen Jay-Z, Beyoncé, Oprah Winfrey, Michael Jordan, Barack und Michelle Obama, Scarlett Johansson, George Lucas, Shep Gordon, J. K. Rowling und Bill Murray. Alle winkten mir zu. Zwischen Scarlett Johansson und Bill Murray war noch ein letzter Platz frei.

      »Jay-Z rappte einmal: ›People ask me: Hov, how you get so fly? I said: From not being afraid to fall out the sky!‹«

      Ich nickte, hörte ihm aber gar nicht richtig zu.

      »Das Problem mit dir ist, dass du noch zu große Angst vor dem Aus-dem-Himmel-fallen hast. Du hast kein Vertrauen in deine


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