Emma. Jane Austen

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Emma - Jane Austen


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die einzige Gewähr, etwas ganz Neues in unser Heft zu bekommen, und nichts dürfte Ihnen leichter fallen.«

      O nein, er habe nie, fast nie im Leben etwas Derartiges geschrieben, Dummkopf der er sei! Er fürchte, nicht einmal Miss Woodhouse – er hielt einen Augenblick inne – oder Miss Smith könnten ihn dazu inspirieren.

      Aber schon am nächsten Morgen brachte er einen Beweis seiner Inspiration zutage. Er sprach nur für ein paar Minuten vor und ließ einen Zettel auf dem Tisch liegen, auf dem eine Scharade stand, die angeblich ein Freund von ihm an die junge Dame seines Herzens gerichtet hatte. Doch aus seinem Benehmen schloß Emma sogleich, daß sie sein eigenes Produkt war.

      »Ich biete sie nicht für Miss Smith’ Sammlung an«, sagte er. »Da sie von meinem Freunde stammt, habe ich nicht das Recht, sie den Augen der Öffentlichkeit preiszugeben, aber vielleicht werfen Sie nicht ungern einen Blick darauf.«

      Er sprach mehr zu Emma als zu Harriet, wofür Emma Verständnis hatte; er war sehr verlegen und fand es darum leichter, ihren Augen zu begegnen als denen ihrer Freundin. Im nächsten Augenblick war er verschwunden, und nach einem weiteren Augenblick schob Emma lächelnd den Zettel Harriet zu und sagte: »Da, nimm ihn, er ist ja doch für dich bestimmt. Nimm dein Eigentum an dich.«

      Aber Harriet zitterte und bebte und konnte ihn nicht anrühren, und Emma, die sich nie sträubte, wenn’s um den Vorrang ging, mußte ihn zuerst studieren.

      An Miss . . .

      Scharade

      »Mein erstes zeigt des Königs Glanz und Pracht,

      Da thront der Herr der Erde hoch und hehr.

      Mein zweites preist des Mannes andre Macht,

      Sieh, wie es stolz durchfurcht das wilde Meer!

      Wie anders, ach! wenn sie verbunden sind!

      Des Mannes Macht und Freiheit schwand dahin,

      Der stolze Herrscher wird zum Knecht und dient

      Der holden Frau, der einz’gen Herrscherin.

      Dein rascher Witz wird bald den Sinn ergründen;

      Laß mir dein sanftes Auge Gnade künden!«

      Sie überflog die Verse, überlegte, erfaßte den Sinn, las sie noch einmal durch, um sich zu vergewissern und sie sich einzuprägen, und reichte sie dann Harriet; und während diese, ganz wirr vor Hoffnung und Benommenheit, an dem Zettel herumrätselte, sprach Emma im stillen: Bravo, Mr. Elton, bravo! Ich habe schon schlimmere Scharaden gelesen. Courtship – Courmachen –, eine sehr treffende Anspielung, das muß ich Ihnen lassen. So tasten Sie sich vor. Das sagt deutlich genug: Bitte, Miss Smith, erlauben Sie, daß ich Ihnen den Hof mache. Sagen Sie mir mit einem einzigen Blick, daß meine Scharade wie meine Wünsche vor Ihnen Gnade finden.

      »Laß mir dein sanftes Auge Gnade künden!«

      Ganz Harriet. Sanft ist die richtige Bezeichnung für ihre Augen – von allen Beiworten das treffendste, das sich finden läßt.

      »Dein rascher Witz wird bald den Sinn ergründen . . .«

      Hm . . . Harriet und rascher Witz! Doch um so besser! Wer das von ihr sagen kann, muß schon toll verliebt sein. Ach, Mr. Knightley, ich möchte Ihnen gönnen, daß Sie das läsen, ich glaube, das würde selbst Sie überzeugen. Einmal in Ihrem Leben müßten Sie zugeben, daß Sie sich geirrt haben! Wirklich eine prächtige Scharade! Sehr für ihren Zweck geeignet. Nun muß es bald zur Entscheidung kommen.

      Sie mußte jedoch diese erfreulichen Betrachtungen, die sie sonst wohl endlos weitergesponnen hätte, abbrechen, da Harriet, aufs höchste gespannt, sie mit ihren Fragen bestürmte.

      »Was mag das bloß bedeuten, Miss Woodhouse? Was kann es denn nur sein? Ich hab nicht die geringste Ahnung. Ich komme einfach nicht dahinter. Was kann es denn nur bedeuten? Versuchen Sie es doch, Miss Woodhouse! Helfen Sie mir! Etwas so Schwieriges hab ich noch nie gelesen. Heißt es Königreich? Ich möchte wissen, wer der Freund war . . . und wer mag die junge Dame sein? Finden Sie es gut? Ob es Frau bedeutet?

      ›Der holden Frau, der einz’gen Herrscherin.‹

      Oder ist Neptun gemeint?

      ›Sieh, wie es stolz durchfurcht das wilde Meer.‹

      Oder ein Dreizack? Oder eine Seejungfer? Oder ein Hai? Ach nein, Hai ist ja einsilbig. Es muß sehr scharfsinnig sein, sonst hätte er’s uns nicht gebracht. Ach Miss Woodhouse, glauben Sie, daß wir es je herauskriegen?«

      »Seejungfern und Hai! Unsinn! Meine liebe Harriet, was denkst du dir denn? Wozu sollte er uns die Scharade eines Freundes bringen, die von Seejungfern und Haien handelt? Gib mir den Zettel und hör zu!

      ›An Miss . . .‹ lies: Miss Smith.

      ›Mein erstes zeigt des Königs Glanz und Pracht,

      Da thront der Herr der Erde hoch und hehr.‹

      Das ist court – der königliche Hof.

      ›Mein zweites preist des Mannes andre Macht.

      Sieh, wie es stolz durchfurcht das wilde Meer!‹

      Das ist ship – das Schiff. Klar wie der Tag. Jetzt kommt das Beste.

      ›Wie anders, ach! wenn sie verbunden sind!

      (courtship, weißt du, Courmachen, einer Frau den Hof machen)

      Des Mannes Macht und Freiheit schwand dahin,

      Der stolze Herrscher wird zum Knecht und dient

      Der holden Frau, der einz’gen Herrscherin.‹

      Eine sehr geschickte Huldigung! Und dann kommt die Nutzanwendung, meine liebe Harriet, die du wohl ohne großes Kopfzerbrechen verstehst. Lies es noch einmal in Ruhe allein. Zweifellos ist das an dich geschrieben und auf dich gemünzt.«

      Harriet konnte einer so berückenden Überredungskunst nicht lange widerstehen. Sie las die Schlußzeilen und war außer sich vor Seligkeit. Sie konnte nichts sagen. Doch sie brauchte auch nichts zu sagen, wenn sie nur fühlte. Emma sprach für sie.

      »Die Pointe spricht so deutlich, so nachdrücklich, daß ich nicht eine Sekunde mehr über Mr. Eltons Absichten im Ungewissen bin. Du bist gemeint – und du wirst bald den vollkommensten Beweis dafür erhalten. Ich habe immer gedacht, daß es so kommen würde. Ich wußte, daß ich mich nicht so täuschen konnte. Aber nun ist es heraus. Seine Verfassung zeigt sich hier so klar und eindeutig, wie ich es immer für dich gewünscht habe, seit ich dich kenne. Ja, Harriet, so lange schon habe ich dies herbeigesehnt, und nun ist es eingetroffen. Ich hätte nie sagen können, was stärker dabei mitspielte, daß ich dich und Mr. Elton als künftiges Liebespaar sah: daß ich es so heiß wünschte oder daß es so selbstverständlich schien. Beide, Wunsch und Wahrscheinlichkeit, sind nun völlig in Einklang gekommen! Ich bin überglücklich! Meine liebe Harriet, ich gratuliere dir von ganzem Herzen. Eine Frau darf wahrlich stolz darauf sein, einen solchen Liebesbund zu stiften. Aus dieser Verbindung kann dir nur Gutes erwachsen. Sie wird dir alles geben, was du dir wünschst – Ansehen, Unabhängigkeit, ein Heim, wie es dir zukommt –, sie gibt dir einen Platz inmitten all deiner wahren Freunde, nicht weit von Hartfield und von mir, und sie wird unsre Freundschaft für immer besiegeln. Es ist ein Bund, Harriet, über den wir beide nie zu erröten brauchen.«

      »Liebe Miss Woodhouse!« und abermals »Liebe Miss Woodhouse!« war alles, was Harriet zunächst unter vielen zärtlichen Umarmungen zu stammeln vermochte. Als sie aber allmählich wieder reden konnte, wurde ihrer Freundin hinlänglich klar, daß Harriet nun sah, fühlte, Künftiges ausmalte und in Erinnerungen schwelgte, wie es sich gehörte. Mr. Eltons überragende Qualitäten fanden uneingeschränkte Anerkennung.

      »Was Sie sagen, ist immer richtig«, rief Harriet, »und deshalb vermute, glaube, hoffe ich, daß es so ist, aber sonst hätte ich es mir nicht einmal träumen lassen. Es ist mehr als alles, was ich verdiene. Mr. Elton, der jede Frau heiraten könnte . . . Über ihn gibt es nur eine Meinung. Er ist ein so herrlicher Mann . .


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