Manipuliert. Teri Terry

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Manipuliert - Teri Terry


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gehen, aber nachdem ich tagelang eingesperrt war, bin ich ruhelos und habe keinen Bock, artig im Hostel zu bleiben.

      Auf dem Weg nach unten juckt mir die Hand. Das frisch eintätowierte I weist mich ganz ohne Papiere für immer als immun aus. Es sei denn, ich verliere meine Hand.

      Ich laufe ein wenig in der Stadt herum, bis ich ein Café mit Internet finde; mit Bobbys Geld leiste ich mir einen Kaffee und Sandwiches.

      Erst mal gehe ich auf Nachrichtenseiten. Die Zonengrenzen scheinen standzuhalten. Offenbar ist man zuversichtlich, dass sich die Epidemie mit den neuen Maßnahmen eindämmen lässt. Haben die überhaupt eine Ahnung, was sich auf der anderen Seite vom Zaun in den Quarantänezonen abspielt?

      Noch nicht, aber bald.

      Über die Ursache der Epidemie finde ich nichts, gar nichts! Die Forschungen seien in vollem Gange und man hoffe auf baldige Erfolge. Leere Versprechungen und nichts dahinter – typisch Politiker.

      In mir schwelt natürlich die Angst, dass Shay zu niemand Wichtigem durchgedrungen ist und deshalb keiner informiert ist. Dass sie es nicht vom Stützpunkt geschafft hat, auch wenn mir der Soldat dort was anderes erzählt hat.

      Gefangen. Erschossen. Auf dem Scheiterhaufen verbrannt. All diese Möglichkeiten, diese Bilder rasen mir durch den Kopf; ich höre ihre Schreie, schmecke den Rauch, mir wird schlecht …

      Und dann? Würde es ihr ergehen wie Callie? Für alle Zeit ungehört und ungesehen?

      Gewaltsam dränge ich diese Vorstellung beiseite. Ich weiß ja gar nicht, ob das stimmt, und bis dahin … Nein.

      Aber es kann doch nicht sein, dass die Regierung gar nichts weiß! Die Scans sind der beste Beweis. Wenn sie von offizieller Seite nicht wüssten, wonach sie suchen müssen, könnten sie auch nicht nach Überlebenden scannen. Also lassen sie einfach nichts an die Öffentlichkeit dringen.

      Nur wenn alles im großen Stil vertuscht wird, was geschieht wohl mit Leuten, die wirklich ahnen, was vor sich geht – so wie Shay und ich? Was wir wissen, ist gefährlich!

      Alle sollen davon erfahren, nur müssen wir dabei sehr vorsichtig sein. Wenn erst mal genügend Leute informiert sind, können sie nichts mehr groß machen. Ich muss die Wahrheit verbreiten, so schütze ich Shay am ehesten.

      Nachdem ich mit den Nachrichtenseiten durch bin, ist Iona dran. Ich logge mich auf ihrer Seite ein, das Passwort kenne ich mittlerweile auswendig. Hoffentlich ist sie jetzt am Abend online.

      Ich schreibe einen neuen Post als Entwurf, damit er nicht für die Öffentlichkeit sichtbar ist: Glasgow ist schön zu dieser Jahreszeit. Iona antwortet prompt.

      Iona: Alles okay?

      Kai: Ja. Lange Geschichte, erzähle ich dir ein anderes Mal, aber ich bin jetzt in Glasgow. Und wie geht es euch?

      Iona: Bei uns ist noch alles im grünen Bereich. Ich fühle mich von der Zivilisation abgeschnitten und werd bald verrückt vor Langeweile. Die Stromleitungen sind tot, aber wir haben Generatoren. Gott sei Dank funktioniert das Internet, sonst würde ich total am Rad drehen.

      Kai: Ich habe eine Story für dich.

      In groben Zügen beschreibe ich die Bedingungen im Eingangslager an der Grenze.

      Iona: Echt jetzt? Hunderte von Kindern werden da auf unbestimmte Zeit festgehalten?

      Kai: Ja, warte kurz. Ich schicke dir mal ein paar Fotos.

      Im Nullkommanichts habe ich die Bilder hochgeladen und versendet.

      Iona: Ich bringe die überall in Umlauf.

      Kai: Danke. Und jetzt noch was: Ich kann im Internet nichts über die Krankheitsursache finden. Gibt es dazu schon was?

      Iona: Bloß, dass Überlebende Träger sind. Sonst nichts. Ich habe versucht, mich einzuklinken und Leuten davon zu erzählen, aber fast alle meine Kontakte und Netzwerke sind nicht mehr aktiv, entweder weil es keinen Strom gibt oder … hmm. Das mag ich mir nicht ausmalen.

      Kai: Hast du eine Idee, wo sie Shay hingebracht haben könnten?

      Iona: Ich habe sämtliche Militärbasen recherchiert, die irgendwie mit der Royal Airforce in Verbindung stehen. Es kursieren Gerüchte von einem geheimen Ort, an dem an Überlebenden geforscht wird. Ich versuche schon die ganze Zeit herauszufinden, wo das ist, komme bloß gerade nicht weiter. Und außerdem gibt es jetzt angeblich einen Test, mit dem man nachweisen kann, dass jemand Überlebender ist.

      Kai: Um aus der Quarantänezone zu kommen, musste man sich einem Scan unterziehen. Wir haben uns schon gedacht, dass sie damit irgendwie Überlebende rausfiltern. Ein Mann hat den Test nicht bestanden, den haben sie gleich abgeführt.

      Iona: Interessant.

      Kai: Ja, besonders für ihn und seine beiden Kinder.

      Iona: Du, tut mir leid, aber ich wollte dir noch was sagen.

      Kai: Ja?

      Iona: Ich hab mich mit deiner Mutter in Verbindung gesetzt … das wolltest du ja. Habe ein separates E-Mail-Konto eingerichtet, damit es niemand zurückverfolgen kann. Also konnte ich ihr nicht sagen, wer ich bin, habe aber weitergegeben, was ich von dir über die Ursachen der Krankheit weiß.

      Kai: Und?

      Iona: Die muss mich für total übergeschnappt gehalten haben. Hatte den Eindruck, dass sie mir das nicht abkauft.

      Kai: Es sei denn, sie wird überwacht und ist einfach vorsichtig.

      Iona: Kann sein. Glaube ich aber nicht. Schließlich kennt sie mich überhaupt nicht. Warum sollte sie also einem seltsamen x-beliebigen E-Mail-Kontakt vertrauen?

      Kai: Ich muss sie dringend anrufen.

      Iona: Wenn sie wirklich überwacht wird, ist das gefährlich. Sei bloß vorsichtig.

      Im Hostel gibt es zwei Telefonanschlüsse, einen oben und einen unten beim Fernsehraum, gleich neben Billardtisch, Rezeption, Büro und Speisesaal. Da herrscht gerade Trubel, weil die Leute von ihrem spaßigen Arbeitseinsatz zurück sind.

      Oben ist es ruhiger, und die Chancen stehen besser, dass niemand mithört. Ich schlendere möglichst unauffällig in den kleinen Gemeinschaftsbereich, von dem die verschiedenen Zimmer abzweigen. Dort gibt es eine Sofaecke und es herrscht ein Kommen und Gehen. Iona hat mich ja gewarnt, vorsichtig zu sein, und sie hat recht. Wenn die Behörden mich im Zusammenhang mit den falschen Mordanschuldigungen gegen Shay suchen, ist es vielleicht nicht ganz abwegig, dass sie Mum im Auge behalten und ihr Telefon überwachen. Schwer zu glauben, dass jemand meinetwegen so einen Aufstand macht, aber falls die den Anruf wirklich bis hierher zurückverfolgen, möchte ich lieber nicht mit dem Hörer in der Hand gesehen werden. Ich warte ungeduldig ab, bis sich der Gemeinschaftsraum endlich geleert hat, und wähle dann.

      Es klingelt sehr lange, und kurz bevor der Anrufbeantworter eigentlich anspringen sollte, klickt es und ein atemloses »Hallo?« ertönt. Diese Stimme würde ich unter Tausenden erkennen.

      »Hi, Mum, ich bin’s.«

      »Gott sei Dank, dir geht’s gut! Wo bist du?«

      »Das sage ich lieber nicht. Hör zu, Shay hat die Krankheit überlebt und sie hat sich auf den Shetlandinseln der Royal Airforce gestellt. Wo könnten sie sie hingebracht haben?«

      »Hat sie?« Mum klingt überrascht. »Davon weiß ich nichts.«

      »Aber macht ihr denn keine Tests mit Überlebenden? Ich dachte, man weiß, dass sie Überträger sind.«

      »Nein. Auch wenn sie als Überträger gelten, ist es im Grunde wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Man stützt sich nur auf Berichte.«

      »Es gibt keinen Beweis dafür?«

      »Streng genommen nein. Der Krankheitserreger ist immer noch nicht gefunden worden.«

      »Also, ich kann jetzt nicht lange reden. Auf den Shetlandinseln wurden in einem Labor komische Versuche mit einem Teilchenbeschleuniger gemacht. Und was dabei entstanden ist,


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