Treacherous Love. Jana Reeds
Читать онлайн книгу.die Verunsicherung, die ich ihm gegenüber empfand. Ich schaffte es kaum, ihm in die Augen zu sehen, weil ich die Abscheu und die Wut darin nicht ertrug. Weil ich mich schuldig fühlte – obwohl ich nicht einmal wusste, warum eigentlich. Ja, Dylan verunsicherte mich wie noch kein Mensch zuvor. Wenn ich nur daran dachte, ihn gleich zu sehen, fingen meine Hände bereits vor Nervosität an zu zittern und mein Herzschlag beschleunigte sich. Doch da musste ich durch. Ich hatte vorher gewusst, was mich hier erwarten würde. Und vielleicht waren die nächsten Monate auf diesem Schiff genau das, was ich brauchte. Vielleicht würde ich dadurch diese verdammte Unsicherheit wieder loswerden. Ich konnte es nur hoffen …
„Okay, können wir dann?“, fragte Lou. Als ich nickte, hakte sie sich bei mir ein und zog mich den Gang entlang zum Esszimmer.
3
Dylan
Okay, Marli in einem Sommerkleid sah verdammt sexy aus. Wie schon das T-Shirt, das sie heute Nachmittag getragen hatte, so schmiegte sich auch dieses Kleid verführerisch an ihre Kurven. Noch schlimmer aber waren ihre Beine. Der Saum vom Rock endete ein gutes Stück über den Knien und so hatte man eine sensationelle Sicht auf lange, schlanke, leicht gebräunte …
Ich riss meinen Blick von Marli weg, bevor ich noch poetischer wurde und jeder merkte, wie ich die beste Freundin meiner Schwester anstarrte. Die beiden waren für einen kurzen Augenblick im Eingang zum Salon stehen geblieben. Ja, Salon. So nannte Tylers Mutter den Raum, den wir mittlerweile als Esszimmer benutzten. Die Crew war so sehr angewachsen, dass Tylers Köche jeden Abend ein Büfett hier aufstellten. Und das hatte es wirklich in sich. Wenn ich nicht jeden Tag tauchen gehen und mich im Fitnessraum austoben würde, hätte ich wahrscheinlich längst eine fette Wampe bei all den Delikatessen, die hier aufgetischt wurden. Eines musste man Tyler lassen, er ließ es an nichts fehlen.
Der Bastard war großzügig.
Und äußerst gut gelaunt.
Zumindest sah er so aus, als er auf Lou und Marli zuging und meiner Schwester einen Kuss direkt auf den Mund gab.
Verdammt, ich schaute schon wieder hinüber. Ich drehte mich um und ließ meinen Blick über das heiße Büfett schweifen. Es verging keine Sekunde, da tanzte Lou an mir vorbei, wie immer auf direktem Weg zum Salatbüfett, dicht gefolgt von Marli.
„Hi, Bruderherz“, sagte Lou im Vorbeigehen.
„Hallo, Dylan.“ Der knappe Gruß kam von Marli.
„Hallo, Marli, wie geht’s dir? Gefällt es dir an Bord?“ Immerhin, zwei Sätze. Wow. Ich war von mir selbst beeindruckt. Marli offenbar nicht, denn sie ließ sich nur zu einem kurzen „Ja, danke“ hinreißen. Die zwei Worte waren mit ungefähr so viel Wärme gesprochen, als müsse sie dem Kellner mitteilen, gerade eine Kakerlake im Salat gefunden zu haben.
„Freut mich“, murmelte ich, aber Marli hörte mich schon nicht mehr, so eilig hatte sie es, von mir wegzukommen. Also vertiefte ich mich in den Anblick der Speisen, als sei ich tatsächlich interessiert an dem, was die Köche sich für heute Abend hatten einfallen lassen. Natürlich nahm ich weder so richtig wahr, was es gab, noch hatte ich Hunger. Der Appetit war mir mit einem Schlag vergangen.
„Kein Wunder, dass du jetzt was Heißes brauchst“, ließ sich Juans Stimme vernehmen. Der Spanier stellte sich mit einem Teller in der Hand neben mich und knuffte mich mit seinem Ellbogen gutmütig in die Seite. „Bei der begeisterten Antwort sind dir garantiert die Eier eingefroren.“
„Fick dich, Alvarez.“
„Hey, hey. Wer wird denn so schlecht gelaunt sein?“
Normalerweise mochte ich Juan. Wir hatten bereits einige gemeinsame Tauchgänge hinter uns, und ich wusste, dass ich mich auf ihn hundertprozentig verlassen konnte. Das war wichtig, denn in den Tiefen, in denen wir tauchten, konnte leicht mal was schiefgehen. Juan wusste genau, was er tat. Er war umsichtig, zuverlässig und erfahren. Im Prinzip das Gegenteil von seinem Charakter, wenn er sich über Wasser befand. Denn da war er stets zu Späßen aufgelegt, entspannt und vor allem dafür bekannt, dass er zu jeder Teambesprechung zuverlässig zu spät kam.
Normalerweise mochte ich seine Art, im Moment ging er mir allerdings ziemlich auf die Nerven, denn er hatte genau meinen wunden Punkt getroffen.
„Was ging da zwischen dir und Marli?“, hakte er auch prompt nach.
„Nichts. Und jetzt kümmer dich um deinen eigenen Scheiß.“
„Nichts? Hm? Na, dafür hat sie dich ja eben eiskalt abblitzen lassen. Wenn du mich fragst, tut das eine Frau nur dann, wenn sie wütend ist.“
„Ich frage dich aber nicht, Alvarez. Schon bemerkt?“
Juan zuckte mit den Schultern.
„Also, da war nichts?“
„Nein, da war nichts.“
„Dann stört es dich bestimmt nicht, wenn ich mich mal an die süße, verführerische Marli ranmache. Sechs Monate ohne Sex können ziemlich lang sein, und ich wette, die Frau ist eine Granate im Bett.“
Bevor ich richtig nachdenken konnte, hatte ich Juan schon an die Wand gerammt. „Lass deine Finger von ihr, du kleiner Drecksack“, zischte ich.
„Hey, immer mit der Ruhe.“
„Noch ein Wort und ich prügel dir dein Grinsen aus dem Gesicht.“
Juan hatte offensichtlich einen Todeswunsch, denn er grinste jetzt bloß breiter. Keine Ahnung, wie er das schaffte.
„Chill, Amigo. Kein Grund, zum Hulk zu werden. Du bist voll reingetappt, Mann.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte nur mal sehen, wie du reagierst. Und so, wie du gerade ausgerastet bist, war da wohl doch was.“
„Du bist ein Idiot.“ Ich trat einen Schritt zurück. Der kleine Mistkerl hatte mich tatsächlich drangekriegt.
„Kann sein, aber ein kluger Idiot.“ Juan richtete sich auf und blickte in die Runde. Erst jetzt bemerkte ich, dass wir interessierte Zuschauer hatten. „Alles in Ordnung. Dylan hier hat nur seine Tage“, verkündete er.
„Du mich auch, Juan“, knurrte ich, dann drehte ich mich um, schnappte mir einen Teller und häufte mir irgendwelche Speisen drauf.
Ich wollte mich gerade mit meinem Essen an den Tisch verkrümeln an dem Logan, unser Security-Mann, bereits saß – er hatte eine abgelegene Ecke gewählt, die wirklich einladend aussah –, als Lous Stimme durch meine Gedanken drang. Die drehten sich gerade darum, wie ich Juan eine verpasste. Die Vorstellung war so ziemlich das Einzige, was meine Laune etwas hob. Lou zu hören, die „Dylan“, rief, sorgte dafür, dass der ganze Effekt zum Teufel ging.
Lou hüpfte auf ihrem Stuhl auf und ab und winkte mir zu, als sei ich blind oder doof. Oder beides.
Natürlich wollte sie, dass ich mit ihr, Marli und Tyler zu Abend aß, als ob dieser Teil des Tages noch irgendwie schlimmer werden könnte. Ich rang mir eine Grimasse ab, von der ich hoffte, dass sie als Lächeln durchgehen würde, und steuerte den runden Vierertisch an. Natürlich. Der einzige Platz, der noch frei war, befand sich an Marlis Seite. Rechts von ihr saß Lou, daneben Tyler.
Scheiße. Sollte ich jetzt etwa ein halbes Jahr lang jede Mahlzeit damit verbringen, neben Marli zu sitzen? Dazu die Besprechungen, die Tatsache, dass diese Jacht verdammt klein war und man sich ständig über den Weg lief. So schlimm hätte ich mir das nicht mal in einem Albtraum ausmalen können.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte Lou. Wie immer hatte meine Schwester einen untrüglichen Riecher für meine Gefühlslage, oder vielleicht lag es auch an meiner Mimik.
„Nichts, was soll sein?“, brummelte ich und fügte ein: „Juan hat nur mal wieder genervt“, hinzu. In der Hoffnung, sie würde mit dieser Information zufrieden sein.
„Was hat er denn gesagt?“
Klar.