Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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in den Städten Böhmens und an der von Karl gegründeten Universität in Prag das Übergewicht, und eine Trennung Böhmens vom Reich kam ihm nicht in den Sinn. Die Verschiedenheit der Sprachen schien ihm bei seiner Auffassung des Reiches als Mittelpunkt des Abendlandes kein Hindernis zu sein. Auf einem Reichstage zu Metz ließ er festsetzen, da das Heilige Römische Reich verschiedenen Völkern Gesetze zu geben habe, sei es nützlich und notwendig, daß die Kurfürsten, die die Regierung des Reiches mit dem Kaiser teilten, die Sprache dieser Völker erlernten, und es sollten deshalb die Erben der vier weltlichen Kurfürsten außer in der deutschen Sprache, die in der Regel ihre Muttersprache sei, in der lateinischen, italienischen und slawischen Sprache unterwiesen werden. Ob er die französische Sprache nicht anführte, um die Empfindlichkeit der Franzosen zu schonen? Ebenso nun wie Karl Böhmen, sah Siegmund Ungarn als dem Reiche zugehörig an.

      Unabhängig von den Menschen treibt der Genius der Länder nach der Richtung, die ihnen gemäß ist. Seit die Bayernherzöge sich im Widerstand gegen die Frankenkönige mit den Avaren verbündeten, ging von Bayern ein bald feindliches, bald freundliches Hinüberwogen nach dem Osten aus, das von dem durch Abspaltung von Bayern entstandenen Österreich aufgenommen wurde. Schon wollten die Habsburger des kühnen Ottokar Plan, ein großes Ostreich zu gründen, fortsetzen, als das plötzlich aufblühende Glück erst Ludwigs des Bayern, dann der Luxemburger ihre Wirksamkeit unterbrach. Ludwig der Bayer brachte Brandenburg und Tirol an sich, seine Söhne verloren Brandenburg an die Luxemburger und Tirol an Österreich. Als Karl IV. mit Österreich eine Erbverbrüderung abschloß, war der Familienbestand so, daß er hoffen konnte, der Gewinnende zu sein. Von Polen ging Schlesien zu Karl IV. über, das deutsche Land folgte der Anziehungskraft des überwiegend deutschen; aber ein noch weit größerer Ausblick eröffnete sich ihm. Es war ein eigentümliches Zusammentreffen, daß Kasimir der Große von Polen und Ludwig der Große von Ungarn, die ungefähr gleichzeitig regierten und durch verwandtschaftliche Beziehungen verbunden waren, keine Söhne hatten. Da Kasimir überhaupt ohne Nachkommen war, Ludwig aber zwei Töchter hatte, Maria und Hedwig, galt es, mit der Hand dieser beiden die Reiche Ungarn und Polen zu erwerben. Ludwig wurde für die Verlobung Marias mit dem jungen Siegmund gewonnen; sie fand 1380, zwei Jahre vor seinem Tode, statt. Sein Wunsch war, Siegmund möchte nicht nur in Ungarn, sondern auch in Polen, das nach Kasimirs Tode ihm zugefallen war, sein Nachfolger werden; allein angesichts des Widerstandes der Polen wurde Hedwig als Erbin dieser Krone ins Auge gefaßt und zugleich ihre Verlobung mit Herzog Wilhelm von Österreich abgeschlossen. Die Abneigung der Polen gegen einen deutschen Herrscher betraf jedoch auch diesen; sie entschieden sich für den noch heidnischen Herzog Jagello von Litauen, der versprach, wenn er Hedwigs Hand und Polen erhielte, Christ zu werden. Obwohl Hedwig, um nicht von ihrem Bräutigam lassen zu müssen, auf eigene Hand das Beilager mit ihm vollzog, mußte sie nachgeben und Jagello heiraten, der 1387 bei der Taufe den Namen Wladislaw annahm; sie soll den vermeintlichen Barbaren viel annehmbarer gefunden haben, als sie gefürchtet hatte. Durch dies denkwürdige Ereignis schied Polen aus dem Gefüge des Ostreiches aus. Ungarn indessen blieb Siegmiand erhalten trotz der Abneigung der Witwe Ludwigs und eines Teils des ungarischen Adels gegen ihn und trotz all der wilden und tragischen Ereignisse, die daraus folgten. Im selben Jahre, als Jagello König von Polen wurde, wurde Siegmund in Stuhlweißenburg gekrönt. Schon vorher war der Achtzehnjährige mit der sechzehnjährigen Maria vermählt worden. Sie starb, ohne Kinder von ihm gehabt zu haben, im Jahre 1392, sieben Jahre später ihre Schwester Hedwig. Da nach dem kinderlosen Tode Wenzels Böhmen an Siegmund fiel, waren Böhmen und Ungarn neu vereinigt. Auf enge Beziehungen zu Österreich waren sowohl Wenzel wie Siegmund bedacht; der letztere sicherte die Verbindung später dadurch, daß er seine einzige Tochter Elisabeth mit dem jungen Herzog Albrecht von Österreich verheiratete, den er zu seinem Nachfolger in Ungarn erklärte. Ebenso suchte Siegmund ein gutes Verhältnis mit Polen herzustellen, was auch, solange Hedwig lebte, gelang; hier aber war ihm sein Verhalten dadurch erschwert, daß er als Kaiser sich verpflichtet fühlte, für den Deutschen Orden einzustehen, dessen Zugehörigkeit zum Reiche er stets betonte.

      Die Taufe Jagellos von Litauen und die Vereinigung Litauens mit Polen bedeutete für den Deutschen Orden eine wesentliche Veränderung. Als der Deutsche Orden sich in Preußen festigte, war die Bekämpfung der Heiden die Voraussetzung gewesen; gab es keine Heiden mehr zu bekämpfen, mußten die Heidenfahrten aufhören, die soviel kampflustige Herren nach Preußen gezogen hatten, und mußte der Orden sich auf Erhaltung seines Gebietes und friedliche Verständigung mit den Nachbarn beschränken. So durchaus aber war der Deutsche Orden auf Kampf gegründet, daß ihm diese Umstellung nicht gelingen wollte, daß er unvorsichtig genug war, bald Arger über das Christentum der Litauer, bald Zweifel daran zu äußern. Es zeigte sich, daß es dem Orden gar nicht auf Bekehrung der Heiden ankam, daß er sich im Gegenteil Heiden zu Nachbarn wünschte, um sie vertreiben oder ausrotten und sich ihres Landes bemächtigen zu können. Es war ein kühner und kluger Gedanke Siegmunds, einen Teil des Deutschen Ordens an die Donau zu versetzen, mit seiner Hilfe das Land bis an die Mündung der Donau zu erobern und dadurch eine Schutzwehr gegen die Türken zu errichten. Denn das Vordringen dieses asiatischen Volkes in Europa betraf ihn als König von Ungarn besonders, betraf ihn aber auch als König des Reiches, das von jeher die Angriffe asiatischer Völkerwanderungen aufgefangen und abgewendet hatte, und schließlich als Kaiser, der in Verbindung mit dem Papst die Grenzen der Christenheit schützte.

      Im Jahre 1359, also vor Siegmunds Geburt, machte Sultan Murad das griechische Adrianopel zum Mittelpunkt eines türkischen Reiches, im Jahre 1363 fand die erste Schlacht statt, in der Ungarn gegen Türken fochten. Gegen den gefährlich sich näher wälzen den Feind unternahm der 23jährige Siegmund als König von Ungarn den ersten Feldzug. Seiner Aufforderung zu einem abendländischen Kreuzzuge folgten im Jahre 1395 deutsche, französische und burgundische Ritter, so daß ein Heer von 100 000 Mann zusammenkam, dessen Annäherung den Sultan Bajazeth bewog, die Eroberung Konstantinopels, das er bereits eingeschlossen hatte, aufzugeben und sich der abendländischen Armee entgegenzuwerfen. Sie erlitt eine furchtbare Niederlage bei Nikopolis, deren Folge der Fall Konstantinopels gewesen sein würde, wenn nicht bald darauf der siegreiche Bajazeth in der Schlacht von Angora dem noch größeren Gewaltherrscher Timur erlegen wäre. Von den Gefangenen der Schlacht von Nikopolis ließ Bajazeth nur diejenigen am Leben, die weniger als 20 Jahre alt waren; einer von diesen, ein Bayer, namens Schildburger, ist nach 32jähriger Gefangenschaft zurückgekehrt und hat seine Erlebnisse beschrieben. Siegmund retteten seine treuen Freunde Graf Hermann von Cilly, der Burggraf von Nürnberg und der ungarische Adlige Nikolaus von Gara. Unter dem Schutze der venezianischen Flotte entkam er nach Konstantinopel und von da nach Dalmatien. Einige Jahre später eroberte er Bosnien und Dalmatien und durch seinen Feldherrn und Freund Pippo von Ozora, der in 23 Schlachten gegen die Türken gefochten haben soll, auch Friaul. Dies war der Punkt, wo Siegmund Gegner Venedigs wurde, das ihm den Besitz von Friaul und Dalmatien streitig machte. In einem Zirkularschreiben an die deutschen Reichsstände hob er die Wichtigkeit von Friaul als besten und leichtesten Eingang zu Italien hervor, und daß es deshalb notwendig sei, die Kirche von Agley, die, solange man denken könne, ein Glied des Reiches gewesen sei, beim Reiche zu erhalten. Aber auch für Venedig war Friaul als Handels weg nach Deutschland von größter Wichtigkeit, und es hatte deshalb, als die Grafen von Görz ihre Bedeutung einbüßten, deren Politik der Unterdrückung des Patriarchats aufgenommen. Wiederum griff Siegmund zu einem kühnen und ungewöhnlichen Mittel, um einen Druck auf Venedig auszuüben; er verhängte nämlich eine Handelssperre und versuchte den Handel der deutschen Kaufleute von Venedig nach Genua zu verlegen. Allein wie kräftig er auch die Sache angriff, scheiterte sie doch an dem Widerstande der Kaufleute, die lieber den Ausgang des Kampfes abwarten, als die alte Verbindung mit Venedig aufgeben wollten. Während die kriegerischen Aktionen mit wechselndem Glück verliefen, begab sich Siegmund selbst nach Friaul, wo er von den Ghibellinen mit Jubel aufgenommen und in Belluno von einer Braut, deren Hochzeit er mitfeierte, mit ihrem eigenen Kranze gekrönt wurde. Trotz aller Anstrengungen jedoch ließ sich das von Venedig beeinflußte Land nicht halten. Um 1412 kam der letzte deutsche und der letzte unabhängige Patriarch von Aquileja zur Regierung, bald darauf gingen die beiden Hauptstädte des Friaul, Udine und Cividale, freiwillig unter ehrenvollen Bedingungen an Venedig über, und ihnen folgte das ganze Land. Ludwig von Teck, der Patriarch, starb im Exil zu Basel, sein Nachfolger verzichtete auf seine weltlichen Besitzungen, wofür ihm die Stadt Aquileja mit einigen kleinen Ortschaften überlassen wurde. Wie einst von den Hunnen, wurde die


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