Im Alten Reich. Ricarda Huch

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Im Alten Reich - Ricarda Huch


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beide waren da, ohne daß sich ihre Entwicklungsgeschichte verfolgen ließe. Von der Stadt ist zum erstenmal urkundlich die Rede, als König Heinrich, Friedrichs II. Sohn, im Jahre 1232 den Städten Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen das Recht verlieh, daß die Bürger nicht gezwungen werden sollten, ihre Töchter einem von den königlichen Hofleuten zur Ehe zu geben. Ein Fall, der sich in Frankfurt begeben hatte, war der Anlaß zu dem Privilegium, das beweist, in welcher abhängigen Stellung die Bewohner jener Städte sich damals befanden. Bald änderte sich das: Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar verbündeten sich, stärkten sich dadurch und errangen Ansehen durch ihre Sorge für den Landfrieden. Auch größeren Bünden schlossen sie sich an, fast immer zusammen auftretend und zusammen als die vier Städte der Wetterau genannt. Ihnen zusammen verlieh auch König Richard im Jahre 1257 die Reichsfreiheit.

      Kaum hatte sich ein Gefühl der Kraft in der Stadt Friedberg befestigt, so empfand sie, wie hemmend für ihre Entwicklung die Nähe der Burg war. Sie war von Rittern bewohnt, die unter einem aus ihrer Mitte gewählten Burggrafen standen, sich selbst ergänzten und an Selbstgefühl der Stadt nichts nachgaben; der Drang, ihre Macht zu mehren, mußte die beiden reichsunmittelbaren Körperschaften in Gegensatz bringen. Verderblich aneinandergekoppelt standen sich Ritterschaft und Stadtrepublik kampfbereit, drohend und doch zögernd gegenüber; bei gleicher Kraft und gleichem Recht war der Ausgang eines Kampfes ungewiß. Trotzdem kam es zu einem solchen, während dessen die Burg durch die Städter zerstört wurde. Es geschah zu Kaiser Rudolfs Zeit, der der Stadt verzieh und eine Einigung zwischen den widerwilligen Zwillingen zustandebrachte, die erste Versöhnung von den vielen, die sich folgten, um immer wieder durch den unausrottbaren Zwiespalt gebrochen zu werden. Demselben König verdankte Friedberg das Privilegium de non evocando und das Recht, Lehen erwerben zu können; aber trotz dieser Begnadigungen begünstigte er, wie alle Kaiser, die Ritter. Kaiser Albrecht führte den ersten verhängnisvollen Streich gegen Friedberg, indem er dem Burggrafen das Recht verlieh, der Stadt einen Schultheißen zu setzen, und sie dadurch in eine gewisse rechtlich begründete Abhängigkeit von der Burg brachte. Es ist verständlich, daß die Burg, sowie die Stadt sich davon zu befreien suchte, das Recht festhielt und womöglich Folgerungen daraus zu ziehen suchte, wie ihr das dem freien Gericht in der Grafschaft Kaichen gegenüber gelang. Eine bedeutungslose Beziehung, in die sie durch irgendeine Urkunde mit der Grafschaft gebracht worden war, benutzten die Burgmannen, um ein Recht über sie zu erlangen, das der Kaiser ihnen bestätigte, so daß sie zuerst Beschirmer und dann Besitzer derselben wurden. Die Proteste und die Auflehnung der freien Bauern blieben unbeachtet; da sie nichts als ihr Recht hatten und ihre Dienste den herrschenden Klassen unentbehrlich schienen, wurden sie sogar bestraft, wenn sie sich darauf beriefen.

      Noch machte sich das Übergewicht der Burg nicht bemerklich; in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts fällt die Blüte der Stadt. Sie erbaute die gotische Liebfrauenkirche, schlicht, aber nicht ohne Größe, und schmückte sie mit reicher Glasmalerei und anderen Kunstwerken. In einem Bündnis, das Friedberg nach alter Gewohnheit mit Frankfurt und Gelnhausen abschloß, war vorgesehen, daß Frankfurt 13, Friedberg 10, Gelnhausen 3 Gewaffnete zu stellen habe; dies Verhältnis stellte Friedberg noch in ziemliche Nähe von Frankfurt. Immer mehr aber machte sich der Vorteil, den seine Lage am Main dem glücklicheren Frankfurt gab, bemerkbar und drückte die benachbarten und befreundeten Wetterauer Städte sicherer und unabwendbarer, als ihre Feinde es konnten. Wohl hatte auch Friedberg eine Messe, aber gegen die von Frankfurt konnte sie nicht aufkommen. Mitten in ihrer Blüte traf die Stadt ein Schlag, mit dem ihr langes Siechtum begann.

      Kaiser Karl IV. verpfändete sie an den Grafen von Schwarzburg. Die beginnende Ohnmacht des Reichshaupts, das auf wenig sichere Einnahmen rechnen konnte und auf die Willfährigkeit seiner Großen angewiesen war, entschuldigt einigermaßen den unkaiserlichen Gebrauch, den er einführte. Das Privileg Ludwigs des Bayern, das Friedberg vor Verpfändung sicherstellte, half nichts gegenüber dem Willen der Mächtigen. Andere Städte wußten sich der Gefahr zu entziehen; Friedberg war dazu nicht reich und infolgedessen nicht selbstbewußt und furchtlos genug. Patrizische Geschlechter, die sich ohne Reichtum nicht bilden oder halten, gab es in Friedberg nicht oder nicht mehr; es war in der Hauptsache eine Stadt von Handwerkern und Ackerbürgern, ehrenhaften Leuten, denen der reißende Zahn des Raubtiers fehlte.

      Hingegen hatten die Burgmannen nur Gewinn einzuheimsen. Auch sie hatten innerhalb ihrer Mauern eine Kirche, die dem Patron der Ritter, dem heiligen Georg, geweiht war und für welche Johann Wölflein, Maler aus dem Cisterzienserorden zu Ilbenstadt, ein großes Gemälde zu Ehren Gottes malte. Außerdem besaß die Kirche eine hölzerne, bunt bemalte Figur des heiligen Georg und eine Glocke, die Maria hieß, und die ein Glockengießer von Frankfurt gegossen hatte. Graf Adolf von Hessen, den sie, von der Stadt unterstützt, erfolgreich befehdeten und gefangennahmen, baute ihnen, um sich zu lösen, die hohe Turmsäule, die das nördliche Burgtor bewacht. Ludwig der Bayer verlieh ihnen den ersten Burgfrieden, die Ordnung nämlich, wonach sie untereinander leben sollten. Sie hatten danach das Recht, aus ihrer Mitte einen Burggrafen auf Lebenszeit zu wählen, der mit einer gewissen Zahl von Burgmannen, welche Bauleute hießen, die Regierungsgeschäfte besorgte, ferner das Recht, wenn ein Burgmann gestorben oder seines Amtes entsetzt war oder es freiwillig aufgegeben hatte, einen anderen, Kaiser und Reich dienlichen zu wählen, den der Kaiser bestätigte. Wenn ein Burgmann einen anderen totschlüge, hieß es in der ersten Satzung, so solle er ein Jahr über Rhein gehen, habe er den andern nur verwundet, auf ein halbes Jahr nach Frankfurt oder, je nachdem, nach Wetzlar oder Gelnhausen. War dadurch der gebrochene Burgfrieden gesühnt, so blieb noch die Sühne mit den Geschädigten zu vereinbaren. Eine Reise nach Frankfurt oder Wetzlar und vollends eine über Rhein scheint demnach durchaus nicht als Vergnügen betrachtet worden zu sein.

      Die Burg hatte das Recht, durch sechs Burgmannen an den Ratssitzungen teilzunehmen, wohingegen die Stadt von der Burg ausgeschlossen war. Geradezu gegen die Stadt richtete sich ein Privileg Wenzels, wonach die Burg, weil sie groß und weit sei, Beisassen aufnehmen dürfe; denn dadurch wurde sie gleichsam zur Stadt und konnte die Nachbarin noch in anderem Sinne als früher erdrücken.

      Im Jahre 1400 kam Kaiser Ruprecht von Gelnhausen her zur Huldigung nach Friedberg. Sechzig bis achtzig Burgmannen holten ihn an der Grenze ein und geleiteten ihn mit entfaltetem Georgsbanner in die Burg. Sie schenkten ihm, altem Herkommen gemäß, drei Rehe und 60 Fische; die Stadt schenkte ihm ein Fuder Wein, halb neuen und halb firnen, einen silbernen vergoldeten Becher mit 200 Goldgulden und Hafer für die Pferde, wozu noch Geldgeschenke an das Gefolge und eine spätere Leistung von 500 Goldgulden zum Zuge »über Berg nach Lamparten« kam. Von der Burg aus ritt der Kaiser in die Liebfrauenkirche, wo ihm im Chor vom Magistrat gehuldigt wurde. Die Formel lautete: »Wir huldigen unserem gnädigen Herrn, König Ruprechten, gegenwärtig und in guten Treuen, ihm gehorsam, getreu und hold zu sein und zu warten als einem römischen König und zukünftigen Kaiser und als unsern rechten Herrn, doch uns unschädlich an solcher Pfandschaft, als wir unserem Herrn von Schwarzburg von des heil. Reichs wegen verpfändet sind, und wollen unserem gnäd. Herrn, König Ruprecht, stet und fest halten ohne alle Gefährde, als uns Gott helfe und alle Heiligen.«

      Trotz der empfangenen reichen Geschenke stellte sich Ruprecht, wie die anderen Kaiser, auf die Seite der Ritter, indem er der Stadt gebot, die Türme der Liebfrauenkirche, von denen der eine noch kaum begonnen war, nicht höher aufzubauen, als sie gerade wären, und sie auf keinen Fall zu einer Befestigung einzurichten, von welcher aus die Burg beschossen werden könne. Eine solche Absicht lag allerdings den Friedbergern nicht fern, wie denn auch die Katharinenkapelle dicht am südlichen Turm der Burg zugleich den Zweck einer Schanze erfüllte.

      Um 1430 war die Stadt Friedberg schon »wüst und vergänglich« geworden und so tief verschuldet, daß der Graf von Schwarzburg die Lust an seinem Pfande verlor und, nachdem er der Stadt das Recht erteilt hatte, sich ungeachtet der Pfandschaft mit anderen Fürsten und Herren einzulassen, sie weiter verpfändete, und zwar an mehrere Teilhaber. Es waren der Erzbischof Diether von Mainz, die Herren von Eppstein, ein Herr von Isenburg und die Stadt Frankfurt, und das Verhältnis der Anteile war so, daß Frankfurt die Hälfte hatte. Vermutlich um den Wert des verpfändeten Gegenstandes zu erhöhen, machte der Erzbischof von Mainz Anstalt, sich Friedbergs gegen die Burg anzunehmen; allein er fand sofort einen Gegner in dem Pfalzgrafen Friedrich dem Siegreichen, der kurz zuvor sich das Öffnungsrecht der Burg erkauft hatte und dadurch


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