Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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er neuerdings durch Nachrichten aus der Heimat empfindlich beunruhigt wurde; seine Mutter nämlich, die in Güglingen lebte, war der Zauberei verdächtigt worden.

      Katharina Kepler, eine kleine, braune, durch vielerlei Mühseligkeiten früh gebeugte Frau, die aber munteren und beweglichen Geistes war, lebte, seit ihre hübsche sanfte Tochter Margarete sich mit dem Pfarrer Binder verheiratet hatte, ganz allein in leidlichen Verhältnissen. Ihr Mann war vor vielen Jahren, des häuslichen Lebens müde, in den Türkenkrieg gezogen und dort verschollen; ihre Söhne waren, bis auf Johannes, ohne höhere Bildung aufgewachsen, einer war, wie einst sein Vater, als Söldner dem Kriege nachgezogen und kam mit Frau und Kindern bettelarm zurück, nachdem er in der Fremde katholisch geworden war. Entrüstet wies ihn die Mutter, bei der er jetzt unterschlüpfen zu können hoffte, von ihrem Tische. In ihrer Einsamkeit vertrieb sie sich die Zeit, die sie sich durch Lesen nicht verkürzen konnte, denn das verstand sie nicht, mit wunderlichen Träumereien oder dadurch, daß sie Besuche aus der Nachbarschaft empfing, mit denen sie bei einem Glase Würzwein plauderte. Irgendwie verdarb sie es mit manchen von diesen Bekannten, vielleicht weil ihre Augen, obwohl sie fern an den Leuten vorbei ins Weite schweiften, doch tief eindrangen und sie mit unbedacht scharfer Zunge unliebsame Wahrheiten sagte. So kam es dahin, daß eine Frau namens Reinbold, die unter einer immer zunehmenden Lähmung und Verkrümmung der Gliedmaßen litt, die Kepler beschuldigte, ihr das Leiden, mit dem kein Arzt sich auskenne, angehängt zu haben.

      Während dies im Gange war, traf es sich, daß ein Bruder dieser Frau, der Barbier Kräutlein, und der Vogt Luther Einhorn bei einem ihnen befreundeten Förster mit dem Bruder des regierenden Herzogs, dem Prinzen Achilles, zusammenkamen, der gerade in der dortigen Gegend jagte. Bei dem gemeinsamen Mittagessen erzählte der Barbier, wie seine Schwester von der Keplerin unheilbar verzaubert sei und daß seiner Meinung nach die alte Hexe gezwungen werden müsse, die Kranke wieder gesund zu machen. Prinz Achilles zeigte sich begierig, mehr von dem Hexenwesen zu vernehmen, womit ihn denn der Vogt und der Barbier gut bedienen konnten. Er vermesse sich, sagte der Vogt, eine Hexe bloß am Gesicht zu erkennen, er habe schon viele prozessiert, er kenne jetzt ihre Schliche, und es könne ihm keine entschlüpfen.

      Ob man sich denn dabei nicht den Teufel auf den Hals ziehe, fragte Prinz Achilles, als den Buhlen der Weibsbilder?

      Ach, rief der Barbier kichernd, man müsse den Teufel nur nicht fürchten, so könne er einem auch nichts anhaben. Auch glaube er gar nicht, daß dem Teufel viel an den alten Vetteln gelegen sei, deren es ja mehr als genug gebe. Einmal, erzählte er, sei er in den Turm zu einem Hexenverhöre gerufen worden, weil der Henker bei einer Beklagten das Teufelsabzeichen, welches man Stigma nenne, entdeckt habe, sie hingegen es für eine Narbe habe erklären wollen, die nach einem von ihm, dem Barbier, weggeschnittenen Wärzlein zurückgeblieben sei. Dort habe die Frau splitternackt ausgezogen auf einem Stuhl gesessen, laut heulend, während mehrere Richter sie gehalten und an der Narbe oder dem Teufelszeichen, das an ihrer Brust gesessen sei, herumgedrückt hätten. Er hätte es denn auch in Augenschein nehmen müssen, hätte sich auch wohl des Wärzleins erinnert, aber als ein vorsichtiger Mann nichts davon gesagt, sondern gefragt, ob denn der Henker schon die Probe gemacht habe? Denn er wisse wohl, daß, wenn mit einer Nadel in den Flecken hineingestochen werde und kein Blut danach komme, dies ein hinlänglicher und vollgültiger Beweis für die Teufelsbuhlschaft sei. Darauf habe der Henker gelacht und gesagt, freilich habe er das schon getan, die Herren ließen sich eben von der Erzschelmin am Narrenseil führen, worauf er gleich noch einmal mit einer langen, spitzen Nadel in das Mal hineingefahren sei. Er habe denn auch des Heulens und Schwörens der Person ungeachtet gesagt, er wisse nichts von einem Wärzlein, kenne sie auch nicht, worauf sie gehörig gefoltert und zu Asche verbrannt worden sei.

      Prinz Achilles, der schon ein wenig angetrunken war, hörte begierig mit rotem Kopf und glänzenden Augen zu. Und splitternackt sei sie gewesen? fragte er; ob sie denn während des Folterns auch splitternackt ausgezogen wären? Der Vogt und der Barbier bogen sich vor Lachen; freilich, sagten sie, ob man etwa Weiber, die sich nicht schämten, mit dem Teufel zu buhlen, wie Klosterjungfern behandeln solle? Das hätte er nicht gewußt, rief der Prinz, er möchte für sein Leben gern einmal dabei sein, und es wäre etwas gar Schönes und Verdienstliches, den Teufelsdirnen einen Denkzettel zu geben. Ja freilich, brüllte der Vogt, einen feurigen, mit dem sie zur Hölle führen, und so solle man es der Keplerin auch machen, wenn sie den guten frommen Leuten etwas anhänge. Ja, wenn seiner Schwester zu ihrem Rechte verholfen würde, sagte Barbier Kräutlein, wolle er sich dankbar erweisen; worauf der Prinz und der Vogt ihn vertrösteten, die Sache solle betrieben werden, es müsse seltsam zugehen, wenn man einem alten Weibe nicht Meister würde.

      Dieser Verabredung gemäß begaben sich Barbier Kräutlein und Vogt Einhorn zu Frau Kepler, hielten ihr vor, was sie begangen haben sollte, und gaben ihr unter Drohungen anheim, den Zauber, durch den sie die Reinbold krank gemacht hätte, wieder aufzuheben. Die Keplerin verteidigte sich tapfer, sie habe die Reinbold nicht verzaubert, verstehe sich auch gar nicht darauf; nach ihrer Ansicht habe die Frau in früherer Zeit einmal heimlich mit einem Manne zu tun gehabt und die Frucht abzutreiben versucht, woraus der Gliederschaden entstanden sein möge. Hierdurch erbitterte sie ihre Feinde noch mehr, was sie aber nicht anfocht; vielmehr bewog sie ihren Sohn, den Zinngießer, und ihren Schwiegersohn, den Pfarrer Binder, eine Beleidigungsklage für sie einzureichen wegen des schimpflichen, ihr zugemuteten Verdachtes.

      Der Prozeß nahm seinen Anfang, verlief aber nicht so, wie die ihrer Unschuld sich bewußte Frau Kepler für selbstverständlich angenommen hatte; denn die beklagte Partei suchte durch Zeugen den Beweis zu erbringen, daß sie in der Tat mit Hexenwerk umgehe, wodurch eine Menge Weitläufigkeiten und neue Gefahren entstanden. Da kam ein Schuster, der Jahre hindurch fast täglich ein Stündchen bei ihr verplaudert hatte, und behauptete, sie habe ihm in einem Glase Wein etwas Zauberisches beigebracht, wodurch er bettlägerig geworden sei; ferner der Totengräber, der angab, sie habe ihn vor Jahren gebeten, ihr den Schädel ihres verstorbenen Mannes zu verschaffen, sei aber auf seine gutgemeinte Warnung davon abgestanden. Dies leugnete sie nicht, sondern erklärte, sie habe im Sinne gehabt, ihrem Sohne Johannes einen Trinkbecher daraus machen zu lassen, damit er sich nach altem Glauben Kraft und Segen daraus trinke. Auch gab sie freimütig zu, kranke Kinder, zu denen man sie geführt habe, mit allerlei Versen besprochen zu haben, wie das von alters gebräuchlich sei und wovon man immer gute Wirkung verspürt habe. Sie fügte vorwurfsvoll hinzu, es komme ihr unmenschlich vor, daß die Eltern, die sie früher um ihre Hilfeleistung gebeten und ihr dafür gedankt hätten, sie jetzt derselben als einer abscheulichen Missetat zeihen wollten.

      Die Kinder der Frau Kepler gerieten über diese Wendung des Prozesses in Aufregung und Sorge, und ihrer Tochter schien es am besten, dem Bruder Johannes in Linz davon zu berichten, der als ein gelehrter Mann und Astronom des Kaisers klug und mächtig genug sein werde, um ihrer Mutter aus der Bedrängnis zu helfen. Dieser riet, die Mutter solle unverzüglich zu ihm nach Linz kommen, damit werde der widerwärtigen Sache am schnellsten ein Ende gemacht. Diesem Vorschlag stimmten die Kinder lebhaft zu, halfen ihr, einige Habseligkeiten zusammenzupacken, und die Abreise ging zur Erleichterung aller vonstatten. Unterwegs aber, allein ihren Gedanken überlassen, stellte sie sich vor, wie daheim nun alle denken und sagen würden, daß sie augenscheinlich eine Hexe sei, sonst würde sie nicht die Flucht ergriffen haben; wie sie ihr Leben lang für eine Hexe würde gelten müssen und mit was für Augen ihr Sohn Johannes sie ansehen würde. Sie schalt sich töricht, daß sie ihren Kindern nachgegeben hatte: nichts Böses oder Teuflisches konnte man ihr nachweisen, vielmehr würde sie ihren heimtückischen Verleumdern obsiegen, so daß sich ihre Schande bloß vor aller Augen zeigen würde. Als sie unter solchen Gedanken in Ulm angekommen war, kehrte sie, ohne sich die berühmte Stadt anzusehen, sofort wieder um nach Hause, nicht nur zum Schrecken der Kinder, sondern fast auch ihrer Gegner, die bereits unsicher geworden waren, ob sie nicht am Ende selbst in die gefährliche Grube stürzen möchten. Da die Beute ihnen aber nun wieder erreichbar war und sie zurück nicht mehr konnten oder wollten, suchten sie im stillen nach neuen Zeugen und Beweisen, um dann ihrerseits mit einer Anklage auf Zauberei hervortreten zu können.

      *

      Das Jahr 1618 begann mit einem Triumphe für Khlesl, indem der vollzogene Friede mit Venedig, der sein Werk war, feierlich in Wien begangen werden konnte. Der Kardinal liebte Feste und Umzüge und bekümmerte sich eingehend darum, daß ein


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