Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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mache sie nur dreister.

      Erhitzt und in wilder Laune stiegen die Herren zu Pferde und ritten den Weg zum Schloß hinan; Goldregen, Rotdorn und Schneeball quollen in dicken Gebüschen über die Mauern der Gärten, und die Luft war von süßen Gerüchen durchkreuzt, als würfen sich spielende Frühlingsgötter mit Haufen von Fliederduft.

      Die Vertreter der Krone, die bereits im Schlosse versammelt waren, nahmen die ungestümen Fragen der Stände, sie wollten wissen, wer den kaiserlichen Drohbrief verfaßt habe, mit anscheinend hochmütiger Gelassenheit und ein wenig hämischer Höflichkeit entgegen; aber sie konnten ihre Unsicherheit und Ängstlichkeit nicht ganz verbergen, die durch das umgehende Gerücht von der Wut und dem gefährlichen Vorhaben der Evangelischen über sie gekommen war. In den feindlichen Blicken, die unter den Fragen und Antworten auf sie gerichtet waren, bemerkten Martinitz und Slawata plötzlich eine böse Lust, die ihnen Entsetzen einflößte. Martinitz wurde bleich, stotterte etwas von der Gerechtigkeit des Kaisers und daß er nicht vom Majestätsbrief abweichen würde, und wich dabei zurück, um durch ein anstoßendes Gemach zu entfliehen; aber schon wurde er umringt, von mehreren Fäusten gepackt und an das offenstehende breite Fenster geschleppt, vor welchem der goldene Mai sich ausbreitete. Unter Sträuben und Zappeln hörte er lautes Brüllen: »Fahre zur Hölle, Teufelsbraten!«, worauf ihm, bevor er noch an der steilen Mauer hinuntersauste, die Sinne vergingen. Inzwischen hatten schon verschiedene Fäuste den erschrocken zur Flucht sich wendenden Slawata ergriffen und schleuderten den kläglich um Gnade Flehenden dem ersten nach; die beiden Schelme gehören zusammen! hieß es unter höhnischem Gelächter. Den Schreiber der beiden, namens Fabritius, der dem geschwinden Vorgang schlotternd zugesehen hatte, warfen sie nachträglich hinterher, damit er, wie sie ihm lachend zuriefen, sich des fatalen Briefschreibens nicht mehr unterstehen könne.

      Der Ausgang dieser raschen Tat war überraschend, indem die drei aus einer Höhe von vierzig Ellen herabgestürzten Männer, durch einen Misthaufen weich aufgefangen, keine Verletzungen erlitten, sondern sich vor der Wut ihrer Feinde, die ihnen noch einige Schüsse nachknallten, in das nahegelegene Haus des Popel von Lobkowitz flüchten konnten. Während die Geretteten sich des Beistandes der wundertätigen Mutter Gottes rühmten, erließen die Direktoren eine umständliche Rechtfertigung: sie hätten verräterische Leute, die sie zu Rebellen gegen des Kaisers Majestät hätten machen wollen, nach alter Weise durch die Defenestration justifiziert und hofften, der Kaiser, dessen treue Untertanen sie wären und auch bleiben wollten, werde künftig ihre Anliegen gnädig erhören und die Ungerechtigkeiten abstellen, wodurch der liebe Frieden wieder hergestellt werden könne.

      *

      Von der Oberpfalz kommend, fuhr am Sonntag, dem 27. Mai, um die Mittagszeit ein breiter, gedeckter Wagen in Regensburg ein, aus dem zwei in unansehnliche Mäntel gehüllte Reisende stiegen, während zwei andere sitzen blieben und weiterfuhren. Die beiden Fußgänger schlugen sich schnell in eine Seitengasse und gingen schweigend und eilig bis zum Kollegium der Jesuiten, wo sie anklopften und eingelassen wurden. Vor dem Rektor legte der eine der beiden Männer Mütze und Mantel ab und gab sich als Jaroslav von Martinitz zu erkennen, derselbe, der vor kaum zehn Tagen in Prag von den Unkatholischen aus dem Fenster geworfen und wunderbarerweise am Leben erhalten war. Er sei, erzählte er, mit Hilfe des guten Baders und Chirurgen Thomason, als dessen Diener er sich ausgebe, aus Prag entflohen und soeben glücklich in Regensburg angelangt, von wo er sich nach München unter den Schutz des frommen katholischen Herzogs von Bayern begeben wolle. Indem er laut die benedeite Jungfrau lobte, kniete der Rektor vor Martinitz nieder; er müsse durchaus demjenigen Verehrung erweisen, sagte er, den die Heilige Jungfrau so sichtbarlich beschützt habe. Das wolle er nicht leugnen, entgegnete Martinitz, den Rektor aufhebend, freue sich vielmehr der Tatsache, daß die Jungfrau Maria sich in Person seiner angenommen habe; aber er überhebe sich dessen nicht, sondern schreibe es einfältigerweise der Kraft des Gebetes zu, worauf er seit früher Jugend sich zu verlassen gewöhnt sei. »Was für Zeitungen, was für Zeitungen!« rief der Rektor, das müsse der Bischof hören; wenn es Martinitz recht sei, wollten sie sich unverweilt zu ihm begeben. Während der Lakai, der Martinitz begleitet hatte, zu der übrigen Reisegesellschaft ins Wirtshaus ging, eilten der Rektor und sein Gast zum Bischof, der, von den Vorfällen in Prag bereits im allgemeinen unterrichtet, begierig war, das Nähere zu vernehmen. Er ließ sich kaum Zeit, Martinitz zu umarmen und zu segnen, und überstürzte ihn dann mit Fragen: er könne und könne es nicht glauben, daß Menschen so keck und böse sein sollten, fromme, unschuldige Leute und hochvornehme Diener des Kaisers aus dem Fenster zu werfen! Und daß er nun eins von diesen jämmerlichen Opfern mit Augen vor sich sähe! Ob er denn arg zerschunden und zerschlagen sei? Dergleichen sei ja kaum bei Türken und Tataren oder den heidnischen Japanesen üblich!

      Wahr sei es, sagte Martinitz lachend, davon könne er zeugen, der es am eigenen Leibe erfahren habe; aber unerhört sei es freilich, und der gute Herr von Slawata, der schwer daniederliege, habe auch geklagt, es stehe wohl in den Historien, daß die römischen Patrioten den ehrgeizigen Cäsar mit Dolchen ermordet hätten, aber aus dem Fenster pflege man nur Katzen oder etwa ein junges Hündlein zu werfen. Ein solcher Schimpf sei unausstehlich, und es wäre kein Wunder, wenn man vor Kummer darüber hinstürbe.

      Wie es denn zugegangen sei? fragte der Bischof. Martinitz solle ihm doch um Gottes willen alles haarklein erzählen. Und was für eine Bewandtnis es denn mit seiner Errettung habe?

      Martinitz erzählte, daß sie am Tage zuvor gewarnt worden wären, als ob die Unkatholischen mit Mordgedanken umgingen, sie hätten es jedoch nicht beachtet, sondern wären, auf Gott und ihr gutes Gewissen trauend, zur anberaumten Sitzung auf die Burg gegangen; daß ihre Widersacher sie sogleich mit ungerechten Vorwürfen angebellt und ihre Verantwortung kaum angehört hätten und daß Graf Thurn das Zeichen gegeben und geschrien hätte, wegen ihrer Verbrechen müßten sie jetzt des Todes sein, worauf er und der Smirsitzky ihn gepackt und unter Hohnlachen aus dem Fenster geworfen hätten. Im Fallen habe er aber den Kopf nicht verloren, sondern fortwährend gemurmelt: »Jesus Maria, Maria steh mir bei, Maria verlaß mich nicht«, unter welchem Beten er wohlbehalten im Graben angelangt und wie von mütterlicher Hand auf einen gepolsterten Sessel sanft niedergesetzt sei. Gleichzeitig sei in der unteren Stadt eine Prozession über die Brücke gegangen, und ein redlicher Mann, der dabei gewesen sei, habe die allerseligste Jungfrau im blauen Mantel in der Luft flattern gesehn, wie sie ihn, Martinitz, getragen und sorgfältig im Graben abgesetzt habe.

      »Was für ein herrliches Wunder!« rief der Bischof, und der Rektor fügte mit funkelnden Augen hinzu, da alles so wohl abgegangen sei, müsse man sich freuen, müsse man frohlocken, daß die Unkatholischen einmal ihre Tücke und mehr als herodische Grausamkeit gründlich offenbart hätten. Nun müsse doch jedermann und auch der Kaiser einsehen, daß Moderation da nicht am Platze wäre, sondern daß dergleichen Disteln und Dornen nur mit Feuer könnten ausgerottet werden.

      Gewiß habe Gott es eigens so veranstaltet, sagte Martinitz. Er und sein lieber Oheim Slawata hätten es immer gesagt, in Böhmen müsse man nicht glimpflich, sondern auf steiermärkisch reformieren, sonst wären diese gottlosen Schelme nicht zu beugen.

      Ja, wie er denn so seltsam und eigentlich verschmutzt aussähe? fragte nun der Bischof, indem er des Martinitz Gesicht in der Nähe musterte.

      So künstlich hätte ihn sein Bader hergerichtet, sagte Martinitz, hätte ihn mit Ruß angeschwärzt und auch den Knebelbart gestutzt, um ihn unkenntlich zu machen. Es sei auch notwendig gewesen; denn die Unkatholischen hätten berittene Mörder nach ihm ausgesandt, die ihn auch eingeholt hätten. Er habe aber aufrecht in seiner Kalesche gesessen und sie dreist angesehen, die Pistole in der Hand, worauf sie weitergeritten wären, sei es, daß sie ihn nicht erkannt oder sich nicht an ihn gewagt hätten.

      Der Herr von Slawata, berichtete Martinitz ferner, sei schlimmer daran als er, könne das Bett nicht verlassen und kaum reden, so zerschlagen sei er; aber die hochgeborene Frau Polyxena von Lobkowitz pflege ihn unter ihrem Dache; das sei eine so kluge und majestätische Frau, daß die Unkatholischen sich keiner Gewalt gegen sie unterfangen würden.

      Der Bischof tischte seinen Gästen ein prächtiges Abendessen auf, während Martinitz seinen Bericht wiederholen und im einzelnen ausmalen mußte. Am folgenden Tage versah er den Flüchtling mit einem kleineren und leichteren Wagen, da man auf den schmalen und gefährlichen


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