Die Romantik. Ricarda Huch

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Die Romantik - Ricarda Huch


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das liebe Bild aus.

      Am Besten hat sich Wackenroder selbst geschildert in seinem Joseph Berglinger: »seine Seele glich einem zarten Bäumchen, dessen Samenkorn ein Vogel in das Gemäuer oder Ruinen fallen ließ, wo es zwischen harten Steinen jungfräulich hervorschießt … Aber sein Inneres schätzte er über Alles und hielt es vor Andern heimlich und verborgen. So hält man ein Schatzkästlein verborgen zu welchem man den Schlüssel Niemand in die Hand giebt. – Es genügte ihm nicht die bloße Gesundheit der Seele, und daß sie ihre ordentlichen Geschäfte auf Erden, als Arbeiten und Gutes thun verrichtete – er wollte, daß sie auch in üppigem Uebermuthe dahertanzen und zum Himmel als zu ihrem Ursprunge hinaufjauchzen sollte.«

      Und mit aufblitzender Erkenntniß sagt er am Schlusse der Lebensbeschreibung, was man als Motto über die Werke so manches Romantikers setzen könnte: »Ach, daß eben seine hohe Phantasie es war, die ihn aufrieb! Soll ich sagen, daß er vielleicht mehr dazu geschaffen war, Kunst zu genießen als auszuüben? Sind diejenigen vielleicht glücklicher gebildet, in denen die Kunst still und heimlich wie ein verhüllter Genius arbeitet und sie in ihrem Handeln auf Erden nicht stört? Und muß der Immerbegeisterte seine hohen Phantasien doch auch vielleicht als einen festen Einschlag kühn und stark in dieses irdische Leben einschlagen, wenn er ein echter Künstler sein will? Ja, ist diese unbegreifliche Schöpfungskraft nicht etwa überhaupt ganz etwas Andres und – wie mir jetzt erscheint – etwas noch Wundervolleres, noch Göttlicheres als die Kraft der Phantasie?«

      Daß Genie Dualität sei, hatten denkende Romantiker erkannt. Das Verschwimmen des Bewußten und Unbewußten der beiden Personen des Ich in einander, also nicht scharf genug ausgeprägte Dualität ist die Ursache, warum die Künstler, die ich hier die romantischen im engeren Sinne genannt habe, keine schaffenden sein konnten. Physiologisch würde es Schelling als ungehemmte Produktivität bezeichnen. Denn die Natur, sagt er, ist in einer unendlichen Evolution begriffen und niemals würde ein Produkt entstehen, wenn die ewig strömende Produktivität nicht gehemmt würde. Das geschieht durch die Reflexion: »die Nothwendigkeit der Reflexion auf unser Handeln in jedem Moment (die beständige Duplicität in der Identität) ist der geheime Kunstgriff, wodurch unser Dasein Dauer erhält.« Die reine Produktivität geht auf Gestaltlosigkeit, eine entgegengesetzte Macht muß den Fluß aufhalten, damit er gestaltet erscheine. »Die Natur hängt einmal nach dem Verwildern hin, und darum muß man Tag und Nacht dagegen arbeiten«, sagt der alte Gärtner im Lovell, und Tieck ist auf diesen Gedanken der ihm besonders bedeutungsvoll erschienen sein mag, später ausführlicher zurückgekommen

      Nach Schelling's Lehre ergießt sich die Kraft der Natur im Strome ihrer Entwickelung über drei Stufen: Reproduktionskraft, Irritabilität und Sensibilität, von denen die Sensibilität die höchste und letzte ist. Da sie die Fähigkeit ist, Eindrücke aufzunehmen und Irritabilität die Gegenwirkung gegen dieselben, so stehen diese beiden Kräfte im Wechselverhältniß und bilden zusammen, was man gewöhnlich Erregbarkeit oder Reizbarkeit nennt. Wo die Reproduktionskraft das Uebergewicht hat, wie etwa beim Löwen, sind die Reizbarkeitsäußerungen selten und schwer, aber kraftvoll; wo Sensibilität herrschen wird, nehmen sie an Leichtigkeit zu, wofür sie aber kraftloser werden. Der moderne, reizbare Mensch ist das Gegenstück des Löwen: während dieser ein Uebergewicht nach unten hat, hat jener es nach oben; es ist, wie wenn die Produktivität beim Löwen nicht in Fluß käme, beim romantischen Menschen sich nirgend staute. Er ist beständig beschäftigt, auf die zahllosen Reizungen, die er empfängt, zu reagiren, sein Herz, Sitz der Irritabilität, mattet sich ab in diesem Kampfe und jagt das Blut mit Heftigkeit durch den Organismus bis zu kraftloser Erschöpfung, aus der neue Reize es aufstören. Löwennatur mit der Reizbarkeit eines romantischen Menschen vereinigt würde den größten Künstler machen.

      Wie vielsagend ist es nach diesem Gedankengange, wenn Tieck den Geist des Dichters – eines solchen wie er war, natürlich – mit einem ewig bewegten Strome vergleicht, dessen murmelnde Melodie in keinem Augenblicke schweigt, den jeder Hauch rührt, der jeden Lichtstrahl widerspiegelt. Nach immer neuen Bildern greift seine Phantasie, um die wollüstige Pein dieses unermüdlichen Auf und Ab in der Brust zu schildern. »Mein Leben ist ein rastloses Treiben ungestümer Wünsche«, sagt Lovell, »wie ein Wasserrad vom heftigen Strome umgewälzt, jetzt ist das unten was eben noch oben war, und der Schaum der Wogen rauscht und wirbelt durch einander und macht den Blick des Betrachtenden schwindlig.«

      Dieselbe Frage wiederholt Franz Sternbald: »Wenn nur das ewige Auf- und Abtreiben meiner Gedanken nicht wäre! Wenn die Ruhe doch, die mich manchmal nur im Vorbeifluge küßt, bei mir einheimisch würde, dann könnt' ich von Glück sagen, und es würde vielleicht mit der Zeit ein Künstler an's mir … Ach ich seh' es ein, noch mehr fühl' ich es, das wird mir ewig nicht gegönnt sein. Ich kann nicht dafür, ich kann mich nicht im Zaum halten, und alle meine Entwürfe, Hoffnungen mein Zutrauen zu mir geht vor neuen Empfindungen unter, und es wird leer und wüst in meiner Seele, wie in einer rauhen Landschaft, wo die Brücken von einem wilden Waldstrom zusammengerissen sind.«

      Tieck selbst klagte noch im Alter darüber, daß auf die Periode des »Leichtsinns« immer lange Zeiten der Melancholie, Muthlosigkeit, ja Verzweiflung folgten, wo er stumpf und unempfindlich, durchaus unfähig sei irgend etwas zu unternehmen und zwecklos in's Leere brüte.

      In Wackenroder dieselbe Krankheit: »Ich komme mit mir selber nicht auf festes Land. Meine Gedanken überwälzen und überkugeln sich unaufhörlich. – Und so wird meine Seele wohl lebenslang der schwebenden Aeolsharfe gleichen, in deren Saiten ein fremder unbekannter Hauch weht und wechselnde Lüfte nach Gefallen herumwühlen.«

      Daß die »seltsamsten Absprünge von der höchsten Höhe zur tiefsten Tiefe« seinem Gefühle so gewöhnlich waren, fand Friedrich Schlegel als Jüngling am meisten an sich zu tadeln. Es versteht sich von selbst, daß er diese Anlage seinem Julius in der Lucinde leiht, von dem er erzählt: »Dann berauschte er sich in Bildern der Hoffnung und Erinnerung und ließ sich absichtlich von seiner eigenen Phantasie verführen Jeder seiner Wünsche flog mit unermeßlicher Schnelligkeit und fast ohne Zwischenraum von der ersten leisen Regung zur grenzenlosen Leidenschaft. Alle seine Gedanken nahmen sichtbare Gestalt und Bewegung an, wirkten in ihm und wider einander mit der sinnlichsten Klarheit und Gewalt. Sein Geist strebte nicht, die Zügel der Selbstherrschaft fest zu halten, sondern warf sie freiwillig weg, um sich mit Lust und Uebermuth in dies Chaos von innerem Leben zu stürzen.« Mit der ihm eigenthümlichen Gründlichkeit hat er diese für die Menschen seiner Zeit so charakteristische Erscheinung untersucht und begutachtet und kam zu dem Schlusse, daß Reizbarkeit das gefährlichste wie das schönste Geschenk der Götter sei. »Setzt in einem Gemüth die Empfänglichkeit sehr gering, die Reizbarkeit so grenzenlos, daß die leiseste Berührung ihre ganze Schnellkraft anregt; die Selbstthätigkeit sei so stark, daß sie die Herrlichkeit des Lebens mit der Reizbarkeit theile. Sein Dasein würde ein stetes Schwanken sein wie die stürmische Woge, eben schien sie noch die ewigen Sterne zu berühren und schon stürzt sie in den furchtbaren Abgrund des Meeres. Diesem Gemüth fiel aus der Urne des Lebens das höchste und das tiefste Loos der Menschheit; innigst vereint ist es dennoch ganz getrennt und im Ueberfluß von Harmonie unendlich zerrissen.«

      So möchten sie Alle das Danaergeschenk doch nicht missen und sind stolz auf das, was sie als ihr Unheil empfinden. Mit bewundernswerther Klarheit erkannte Tieck, daß die Reizbarkeit der Stachel war, der ihn nie dazu kommen ließ, ein ruhiges objektives Urtheil zu gewinnen: seine Sinne, die Gaukler, wie er sie nennt, schoben immer neue Gegenstände zwischen ihn und das beobachtete Bild, bis es ganz verzerrt und zerrissen war. Und doch machte es ihn glücklich, wenn ihm immer neue Gedanken und Gefühle »wie schießende Sterne durch die Seele flogen und einen blaugoldnen Pfad hinter sich machten« und er kannte nichts Schöneres als ein Durcheinander von Gefühlen, Stimmungen und Anklängen, das den Menschen wie mit einer Flamme durchschimmert. Ebenso klammert sich Sternbald, obwohl er beständig klagt über sein Zittern, Schwanken und Schweben, das ihn am kräftigen Schaffen hindert, an diese Krankheit, diesen Rausch, diesen Wahnsinn als an sein Bestes und Schönstes fest; und doch steht Dürer, als der Mächtige, groß und unantastbar im Hintergrund, und es klingt, als wolle er mit wenigen schlichten Worten seine selbstverständliche Ueberlegenheit erklären, wenn er sagt: »Mir hat der Himmel ein gelassenes Blut geschenkt.«

      Klar, scharf und keinen persönlichen Antheil verrathend ist, was Novalis über


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