Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen

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Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen


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ist es – Rache für irgend etwas.

      Billing. Er hat allerdings neulich von Gehaltszulage gesprochen; aber die hat er nicht bekommen.

      Alle Herren stimmen ein. Aha! Dann ist's ja leicht zu verstehen.

      Der Betrunkene mitten in der Menge. Ich – ich will 'nen blauen haben! Und 'nen weißen will ich auch haben!

      Rufe. Da ist der Betrunkene schon wieder! Hinaus, hinaus!

      Kiil nähert sich dem Doktor. Na, Stockmann, sehen Sie nun, wohin solche schlechten Witze führen?

      Stockmann. Ich habe meine Schuldigkeit getan.

      Kiil. Was haben Sie da von den Gerbereien im Mühltal gesägt?

      Stockmann. Sie haben es ja gehört; ich sagte, von da käme die ganze Jauche.

      Kiil. Von meiner Gerberei auch?

      Stockmann. Leider; Ihre Gerberei ist die allerschlimmste.

      Kiil. Wollen Sie das in die Zeitungen bringen?

      Stockmann. Ich werde mit nichts hinter dem Berge halten.

      Kiil. Das kann Sie teuer zu stehen kommen, Stockmann. Ab.

      Ein beleibter Herr tritt zu Horster, ohne die Damen zu begrüßen. Na, Kapitän! So? Sie geben Ihr Haus an Volksfeinde?

      Horster. Ich denke, ich kann mit meinem Eigentum machen, was ich will, Herr Vik.

      Der Herr. Dann werden Sie wohl auch nichts dagegen haben, wenn ich es mit meinem Eigentum ebenso mache?

      Horster. Was meinen Sie damit, Herr Vik?

      Der Herr. Morgen werden Sie von mir hören. Kehrt ihm den Rücken und geht.

      Petra. Horster, war das nicht Ihr Reeder?

      Horster. Jawohl, es war der Großkaufmann Vik.

      Aslaksen, mit den Stimmzetteln in der Hand, steigt auf das Podium und läutet. Meine Herren, darf ich Sie mit dem Resultat bekannt machen? Mit allen Stimmen gegen eine –

      Ein jüngerer Herr. Das ist die von dem Betrunkenen!

      Aslaksen. Mit allen Stimmen gegen eine – die eines Bezechten – hat die Bürgerversammlung den Badearzt Doktor Thomas Stockmann für einen Volksfeind erklärt. Rufe und Beifallszeichen. Es lebe unser alter, ehrenwerter Bürgerstand. Erneute Beifallsrufe. Es lebe unser tüchtiger und tätiger Stadtvogt, der so loyal die Stimme des Blutes unterdrückt hat! Hochrufe. Die Versammlung ist geschlossen. Er steigt herab.

      Billing. Ein Hoch dem Präsidenten!

      Die ganze Versammlung. Hoch Buchdrucker Aslaksen!

      Stockmann. Meinen Hut und Paletot, Petra! Kapitän, haben Sie Platz für Passagiere nach der neuen Welt?

      Horster. Für Sie und die Ihrigen ist immer noch Platz, Herr Doktor.

      Stockmann, während Petra ihm in den Rock hilft. Gut. Komm, Käte! Kommt, Jungens! Nimmt den Arm seiner Frau.

      Frau Stockmann leise. Lieber Thomas, laß uns durch die Hintertür gehen.

      Stockmann. Keine Hintertüren, Käte. Mit erhobener Stimme. Ihr sollt noch vom Volksfeind hören, ehe er den Staub von seinen Füßen schüttelt! Ich bin nicht so gottähnlich wie eine gewisse Person; ich sage nicht: »Ich vergebe Euch, denn Ihr wisset nicht, was Ihr tut«.

      Aslaksen ruft: Das ist ein gotteslästerlicher Vergleich, Herr Doktor Stockmann!

      Billing. Das ist, Gott verd – –. Es ist eine harte Sache für einen vernünftigen Menschen, so etwas mitanzuhören!

      Eine grobe Stimme. Und drohen tut er auch noch!

      Hetzende Rufe. Werft ihm die Fenster ein! Schmeißt ihn in den Fjord!

      Ein Mann in der Menge. Ins Horn gestoßen, Evensen! Tute, tute!

      Horntöne, Pfeifen und wildes Geschrei. Doktor Stockmann geht mit den Seinen dem Ausgang zu. Horster bahnt ihnen den Weg.

      Die ganze Versammlung heult den Fortgehenden nach. Volksfeind! Volksfeind! Volksfeind!

      Billing, indem er seine Notizen ordnet. Gott verdamm' mich! Heut möchte ich nicht bei Stockmanns Toddy trinken!

      Die Versammlung strömt dem Ausgang zu; der Lärm pflanzt sich draußen fort; man hört von der Straße den Ruf: »Volksfeind! Volksfeind!«

      Fünfter Akt

       Inhaltsverzeichnis

       Doktor Stockmanns Arbeitszimmer.

      Bücherregale und Spinde mit verschiedenen Präparaten längs den Wänden. Im Hintergrunde ist der Ausgang zum Vorzimmer; im Vordergründe links die Tür zum Wohnzimmer. Rechts an der Wand befinden sich zwei Fenster, an denen alle Scheiben zerschlagen sind. Mitten im Zimmer steht Stockmanns Schreibtisch; er ist mit Büchern und Papieren bedeckt. Das Zimmer ist in Unordnung. Vormittag.

      Doktor Stockmann, in Schlafrock und Pantoffeln, und mit dem Hauskäppchen auf dem Kopf, steht gebückt und fährt mit einem Regenschirm unter einem der Spinde hin und her; schließlich holt er einen Stein darunter hervor.

      Stockmann spricht durch die offene Tür des Wohnzimmers. Käte, ich. habe noch einen gefunden.

      Frau Stockmann im Wohnzimmer. Ach, Du findest sicher noch ein ganzes Teil.

      Stockmann legt den Stein zu einem Haufen anderer auf dem Tische. Diese Steine werde ich aufbewahren wie ein Heiligtum. Ejlif und Morten sollen sie täglich vor Augen haben, und wenn beide erwachsen sind, sollen sie sie von mir erben. Fährt mit dem Schirm unter ein Bücherregal. Ist sie – Donnerwetter, wie heißt sie denn gleich, das Frauenzimmer – ist sie noch nicht beim Glaser gewesen?

      Frau Stockmann tritt ein. Ja, aber er hat sagen lassen, er wüßte noch nicht, ob er heute kommen könnte.

      Stockmann. Du sollst sehen, er traut sich nicht.

      Frau Stockmann. Ja, Randine meinte auch, der Nachbarn wegen traute er sich nicht. Spricht ins Wohnzimmer hinten: Was willst Du, Randine? Ach So. Geht hinein und kommt gleich zurück. Hier ist ein Brief für Dich, Thomas.

      Stockmann. Laß sehen. Öffnet ihn und liest. Na also.

      Frau Stockmann. Von wem ist er?

      Stockmann. Vom Hauswirt. Er kündigt uns.

      Frau Stockmann. Ist das wirklich wahr? Ein so anständiger Mann –

      Stockmann sieht in den Brief. Er kann nicht anders, sagt er. Er täte es sehr ungern; aber er dürfte nicht anders – seiner Mitbürger wegen – mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung – ist abhängig – darf gewisse einflußreiche Männer nicht vor den Kopf stoßen –

      Frau Stockmann. Da siehst Du es nun, Thomas.

      Stockmann. Ja, ja; ich sehe es; sie sind feige hier bei uns, einer wie der andere; kein Mensch getraut sich was vor lauter Rücksicht auf die anderen Leute. Schleudert den Brief auf den Tisch. Aber uns kann es ja gleich sein, Kate. Wir gehen jetzt nach der neuen Welt, und –

      Frau Stockmann. Ja, Thomas, hast Du Dir die Sache mit der Reise aber auch gut überlegt?

      Stockmann. Soll ich am Ende hier bleiben, wo man mich als einen Volksfeind an den Pranger gestellt, mich gebrandmarkt, mir die Fenster eingeschmissen hat! Und sieh mal, Käte, meine schwarzen Hosen haben sie mir auch in Fetzen gerissen.

      Frau Stockmann. Ach Gott! Und noch dazu die besten, die Du hast!

      Stockmann. Man sollte nie seine besten Hosen anziehen, wenn man hingeht und für Freiheit und Wahrheit ficht. Um die Hosen, weißt Du, schere ich mich ja nicht weiter; denn die kannst Du mir ja immer wieder zusammenflicken. Aber daß der Mob, der Pöbel es wagt, mir zu Leibe zu gehen, als ob sie meinesgleichen wären, – siehst Du, das


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