Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen

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Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen


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richtig.

      Stockmann. Demonstrierten, sagen Sie? Ja, wie wollen Sie denn eigentlich demonstrieren?

      Aslaksen. Natürlich mit Maß und Ziel, Herr Doktor; ich befleißige mich immer der Mäßigung; denn Mäßigung, das ist die erste Bürgerpflicht, – meines Erachtens.

      Stockmann. Dafür sind Sie ja auch bekannt, Herr Aslaksen.

      Aslaksen. Ja, ich glaube schon, das darf ich sagen. Und diese Sache mit dem Wasserwerk, die ist für uns Kleinbürger enorm wichtig. Das Bad verspricht eine kleine Goldgrube für die Stadt zu werden. Vom Bade wollen wir alle zusammen leben, zumal wir Hausbesitzer. Deshalb wollen wir auch das Unternehmen mit allen Kräften unterstützen. Und da ich nun Vorsitzender des Vereins der Hausbesitzer bin –

      Stockmann. Ja –?

      Aslaksen. – und außerdem eine Rolle im Mäßigkeitsverein spiele, – Sie wissen doch, Herr Doktor, daß ich für die Mäßigkeitssache tätig bin?

      Stockmann. Ja, versteht sich.

      Aslaksen. Na, – so ist es doch begreiflich, daß ich mit einer ganzen Masse Leute zusammenkomme. Und da ich als besonnener und gefügiger Staatsbürger bekannt bin, wie Herr Doktor selbst sagten, so habe ich ja einen gewissen Einfluß in der Stadt, – eine Art kleiner Machtstellung, – wenn ich es selbst sagen darf.

      Stockmann. Das weiß ich sehr wohl, Herr Aslaksen.

      Aslaksen. Ja, sehen Sie – drum wäre es eine Leichtigkeit für mich, eine Adresse zusammenzubringen, wenn die Sache schief gehen sollte.

      Stockmann. Eine Adresse, sagen Sie?

      Aslaksen. Ja, eine Art Dankadresse seitens der Bürgerschaft, weil Sie diese gemeinnützige Sache ans Licht gebracht haben. Selbstverständlich müßte sie mit der gebührenden Mäßigung verfaßt sein, so daß sie weder bei den Behörden noch bei den andern Machthabern Anstoß erregt. Und wenn wir darauf nur genau achten, so kann es uns niemand übelnehmen, denke ich.

      Hovstadt. Na, und selbst wenn sie nicht so sehr nach dem Geschmack dieser Leute wäre, so –

      Aslaksen. Nein, nein, nein! Keine Kränkung der Obrigkeit, Herr Hovstad. Keine Opposition gegen Leute, die uns so dicht auf den Hacken sitzen. Davon weiß ich ein Liedchen zu singen; und es kommt auch nie etwas Gutes dabei heraus. Aber die besonnenen und freimütigen Äußerungen eines Staatsbürgers, die können keinem verdacht werden.

      Stockmann schüttelt ihm die Hand. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, lieber Aslaksen, wie aufrichtig ich mich freue, bei meinen Mitbürgern einem solchen Verständnis zu begegnen. Ich bin so froh – so froh! Sie, wie wär's mit einem Gläschen Sherry? Was?

      Aslaksen. Nein, danke sehr; ich nehme nie Spirituosen dieser Art.

      Stockmann. Aber ein Glas Bier? Was meinen Sie dazu?

      Aslaksen. Danke sehr, auch das nicht, Herr Doktor; so früh am Tage nehme ich nie etwas zu mir. Nun will ich aber in die Stadt und mit etlichen Hausbesitzern reden und die Stimmung bearbeiten.

      Stockmann. Das ist außerordentlich liebenswürdig von Ihnen, Herr Aslaksen; aber es will mir durchaus nicht in den Kopf, daß alle diese Vorkehrungen notwendig sein sollten; ich meine, die Sache müßte sich ganz von selbst machen.

      Aslaksen. Die Behörden arbeiten ein bißchen schwerfällig, Herr Doktor. Gott behüte, ich sage das nicht, um sie zu tadeln –

      Hovstadt. Morgen werden wir sie munter machen, im Blatt, Aslaksen.

      Aslaksen. Aber bloß nicht gewaltsam, Herr Hovstad. Gehen Sie mit Mäßigung vor, sonst kriegen Sie die Leute nicht vom Fleck; hören Sie nur auf meinen Rat, denn ich habe in der Schule des Lebens Erfahrungen gesammelt. – Jetzt muß ich mich aber empfehlen, Herr Doktor. Sie wissen nun, daß wir Kleinbürger jedenfalls wie eine Mauer hinter Ihnen stehen. Sie haben die kompakte Majorität auf Ihrer Seite, Herr Doktor.

      Stockmann. Danke schön, mein lieber Herr Aslaksen. Reicht ihm die Hand. Adieu, adieu!

      Aslaksen. Kommen Sie mit in die Druckerei, Herr Hovstad?

      Hovstadt. Ich komme nach; ich habe noch eine Kleinigkeit zu erledigen.

      Aslaksen. Gut, gut. Er grüßt und geht; Stockmann begleitet ihn ins Vorzimmer.

      Hovstadt, während Stockmann ins Zimmer zurückkommt. Na, was sagen Sie nun, Herr Doktor? Glauben Sie nicht, daß es endlich an der Zeit ist, hier auszulüften und all diese Schlaffheit und Halbheit und Feigheit aufzurütteln?

      Stockmann. Meinen Sie damit den Aslaksen?

      Hovstadt. Allerdings. Er gehört mit zu denen, die im Sumpf stecken, – so ein braver Mann er auch sonst sein mag. Und so sind die meisten hier bei uns; sie schwanken und wanken nach beiden Seiten; vor lauter Rücksichten und Bedenken wagen sie nie, einen ganzen Schritt zu tun.

      Stockmann. Ja, aber Aslaksen scheint mir doch recht anständige Gesinnungen zu haben.

      Hovstadt. Es gibt was, das ich noch höher stelle; und das ist: dazustehen als ein unabhängiger, selbstsicherer Mann.

      Stockmann. Da gebe ich Ihnen vollständig recht.

      Hovstadt. Deshalb will ich jetzt die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, zu versuchen, ob ich die besseren Elemente bei uns nicht dahin bringen kann, sich aufzuraffen mit einem Mal. Der Autoritätsdusel hier muß aufhören. Dieser unverantwortliche Mißgriff mit dem Wasserwerk muß allen stimmberechtigten Mitbürgern zu Gemüte geführt werden.

      Stockmann. Gut; wenn Sie meinen, daß es für das allgemeine Beste ist, so mag es geschehen; aber nicht eher, als bis ich mit meinem Bruder gesprochen habe.

      Hovstadt. Inzwischen schreibe ich für alle Fälle einen Leitartikel. Und wenn dann der Stadtvogt für die Sache nicht zu haben ist –

      Stockmann. Ach, wie können Sie das nur denken?

      Hovstadt. Das kann ich mir sehr wohl denken. Dann also –?

      Stockmann. Ja, dann verspreche ich Ihnen –; hören Sie, – dann können Sie meine Abhandlung drucken, – dann ins Blatt mit ihr ganz und gar!

      Hovstadt. Darf ich das? Ist das ein Wort?

      Stockmann reicht ihm das Manuskript. Da ist sie; nehmen Sie sie mit; es kann ja nicht schaden, wenn Sie sie durchlesen; Sie geben sie mir dann später zurück.

      Hovstadt. Schön, schön; das werde ich tun. Und nun adieu, Herr Doktor.

      Stockmann. Adieu, adieu! Aber Sie werden sehen, die Sache geht glatt, Herr Hovstad – ganz glatt!

      Hovstadt. Hm, – werden ja sehen. Grüßt und geht durch das Vorzimmer ab.

      Stockmann geht an die Tür des Speisezimmers und sieht hinein. Käte –! So, Du bist da, Petra?

      Petra tritt ein. Ich komme diesen Augenblick aus der Schule.

      Frau Stockmann tritt ein. Ist er noch nicht da gewesen?

      Stockmann. Peter? Nein. Aber ich habe ein langes Gespräch mit Hovstad gehabt. Er ist ganz weg von der Entdeckung, die ich gemacht habe. Sie ist nämlich von weit größerer Tragweite, mußt Du wissen, als ich im Anfang gedacht hatte. Und dann hat er mir sein Blatt zur Verfügung gestellt, wenn es nötig sein sollte.

      Frau Stockmann. Glaubst Du denn, daß es nötig sein wird?

      Stockmann. O, durchaus nicht. Aber es ist jedenfalls ein stolzes Bewußtsein, die freisinnige, unabhängige Presse auf seiner Seite zu haben. Ja, und denk nur – auch vom Vorsitzenden des Vereins der Hausbesitzer habe ich Besuch gehabt.

      Frau Stockmann. So? Was wollte denn der?

      Stockmann. Mir ebenfalls seine Unterstützung anbieten. Sie wollen mich alle unterstützen, wenn es schief gehen sollte. Käte, – weißt Du, was ich hinter mir habe?

      Frau Stockmann. Hinter Dir? Nein; was hast Du denn hinter Dir?

      Stockmann. Die kompakte Majorität.

      Frau


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