Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Fig. 13. Chlorocoelus Tanana (nach Bates). a b Abschnitte der beiderseitigen Flügeldecken.
Wir sehen hiernach, daß der tonerzeugende Apparat bei den Locustiden, welche, wie ich glaube, die kräftigsten Sänger in der Ordnung enthalten, mehr differenziert und specialisiert ist als bei den Achetiden, bei denen die beiden Flügeldecken dieselbe Structur und dieselbe Function haben.596 Indessen hat Landois bei einer Form der Locustiden, nämlich bei Decticus, eine kurze und schmale Reihe kleiner Zähne, fast bloßer Rudimente, auf der unteren Fläche der rechten Flügeldecke entdeckt, welche unter der andern liegt und niemals als Bogen benutzt wird. Ich habe dieselbe rudimentäre Bildung an der unteren Fläche der rechten Flügeldecke bei Phasgonura viridissima beobachtet. Wir können daher mit Sicherheit schließen, daß die Locustiden von einer Form abstammen, bei welcher, wie bei den jetzt lebenden Achetiden, beide Flügeldecken an der unteren Fläche gezahnte Adern besaßen und beide ganz indifferent als Bogen benutzt werden konnten, daß aber bei den Locustiden die beiden Flügeldecken allmählich differenziert und vervollkommnet wurden, und zwar nach dem Principe der Arbeitstheilung so, daß der eine ausschließlich als Bogen, der andere nur als Violine wirkte. Dr. Graber ist derselben Ansicht; er hat gezeigt, daß sich rudimentäre Zähne gewöhnlich an der unteren Fläche des rechten Flügels finden. Durch welche Stufen der einfachere Apparat bei den Achetiden entstand, wissen wir nicht; es ist aber wahrscheinlich, daß die basalen Theile der Flügeldecken einander früher überdeckten, so wie sie es jetzt noch thun, und daß die Reibung der Adern einen kratzenden Ton hervorbrachte, wie es jetzt noch, wie ich sehe, der Fall mit den Flügeldecken der Weibchen ist.597 Ein in dieser Weise gelegentlich und zufällig von den Männchen hervorgebrachter kratzender Laut kann, wenn er auch noch so wenig dazu diente, den Weibchen als liebender Zuruf zu erscheinen, doch leicht durch geschlechtliche Zuchtwahl intensiver gemacht worden sein dadurch, daß passende Abänderungen in der Rauhigkeit der Flügeladern beständig erhalten blieben.
Fig. 14. Hinterbein von Stenobothrus pratorum. r die Schrill-Leiste; die untere Figur zeigt die die Leiste bildenden Zähne. bedeutend vergrößert (nach Landois).
In der dritten und letzten Familie, nämlich der der Acridiiden, wird das schrillende Geräusch in einer sehr verschiedenen Weise hervorgebracht und ist nach Dr. Scudder nicht so grell als in den vorhergehenden Familien. Die innere Oberfläche des Oberschenkels (Fig. 14 r) ist mit einer Längsreihe sehr kleiner eleganter, lancettförmiger, elastischer Zähne versehen, 85 bis 93 an Zahl,598 und diese werden quer über die scharfen vorspringenden Adern der Flügeldecken herabgezogen, welche hierdurch zum Schwingen und zur Resonanz gebracht werden. Harris599 sagt, daß, wenn eines der Männchen zu spielen beginnt, es zuerst »die Tibien der Hinterbeine unter die Schenkel heraufzieht, wo sie in eine zu ihrer Aufnahme bestimmte Furche eingefügt werden, und dann zieht es das Bein scharf auf und nieder. Es spielt seine beiden Geigen nicht gleichzeitig auf einmal, sondern zuerst die eine, dann die der anderen Seite«. Bei vielen Arten ist die Basis des Hinterleibs zu einer großen Blase ausgehöhlt, von welcher man annimmt, daß sie als Resonanzboden dient. Bei Pneumora (Fig. 15), einem südafrikanischen Genus, welches zu derselben Familie gehört, begegnen wir einer neuen und merkwürdigen Modification. Bei dem Männchen springt eine kleine, mit Einschnitten versehene Leiste schräg von jeder Seite des Abdomen vor, gegen welche die Hinterschenkel gerieben werden.601 Da das Männchen mit Flügeln versehen, das Weibchen flügellos ist, so ist es merkwürdig, daß die Oberschenkel nicht in der gewöhnlichen Art und Weise gegen die Flügeldecken gerieben werden; dies dürfte aber vielleicht durch die ungewöhnlich geringe Größe der Hinterbeine erklärt werden. Ich bin nicht im Stande gewesen, die innere Fläche der Oberschenkel zu untersuchen, welche der Analogie nach zu schließen fein gesägt sein dürfte. Die Species von Pneumora sind eingehender zum Zwecke der Stridulation modificiert worden als irgend ein anderes orthopteres Insect. Denn bei den Männchen ist der ganze Körper in ein musikalisches Instrument umgewandelt worden, er ist durch Luft zu einer großen durchsichtigen Blase ausgedehnt, um die Resonanz zu verstärken. Mr. Trimen theilt mir mit, daß am Cap der guten Hoffnung diese Insecten während der Nacht ein wunderbares Geräusch hervorbringen.
In diesen drei Familien entbehren die Weibchen beinahe immer eines wirksamen tonerzeugenden Apparats. Doch giebt es einige wenige Ausnahmen von dieser Regel; Dr. Graber hat gezeigt, daß beide Geschlechter von Ephippiger (Locustiden) damit versehen sind, wennschon die Organe beim Männchen und Weibchen bis zu einem gewissen Grade verschieden sind. Wir können daher nicht annehmen, daß sie vom Männchen auf das Weibchen übertragen worden sind, was mit den secundären Sexualcharakteren vieler andern Thiere der Fall gewesen zu sein scheint. Sie müssen sich in beiden Geschlechtern unabhängig entwickelt haben, welche sich ohne Zweifel während der Zeit der Liebe einander gegenseitig rufen. Bei den meisten andern Locustiden (aber nach Landois' Angabe nicht bei Decticus) haben die Weibchen Rudimente der den Männchen eigenthümlichen Stridulationsorgane, von denen sie wahrscheinlich auf die Weibchen übertragen worden sind. Landois hat auch derartige Rudimente an der untern Fläche der Flügeldecken der weiblichen Achetiden und an den Schenkeln der weiblichen Acridiiden gefunden. Auch bei den Homoptern besitzen die Weibchen den eigenthümlichen Stimmapparat in einem functionsunfähigen Zustande; und wir werden noch später in anderen Abtheilungen des Thierreichs vielen Beispielen begegnen, wo Gebilde, welche dem Männchen eigentümlich sind, in einem rudimentären Zustande beim Weibchen vorkommen.
Landois hat noch eine andere interessante Thatsache beobachtet, nämlich daß bei den Weibchen der Acridiiden die für das Lautgeben bestimmten Zähne an den Oberschenkeln durch das ganze Leben in demselben Zustande bleiben, in welchem sie zuerst während des Larvenzustands in beiden Geschlechtern erscheinen. Bei den Männchen werden sie dagegen vollständig entwickelt und erreichen ihre vollkommene Bildung mit der letzten Häutung, wenn das Insect geschlechtsreif und zur Fortpflanzung bereit ist.
Fig. 15. Pneumora (nach Exemplaren im British Museum). Obere Figur Männchen, untere Figur Weibchen.
Aus den jetzt gegebenen Thatsachen sehen wir, daß die Mittel, durch welche die Männchen der Orthoptern ihre Laute producieren, äußerst verschiedenartig und durchaus von denen, welche bei den Homoptern angewendet werden, abweichend sind.602 Aber durch das ganze Thierreich hindurch sehen wir häufig, daß derselbe Zweck durch die verschiedenartigsten Mittel erreicht wird. Dies scheint eine Folge davon zu sein, daß die ganze Organisation im Laufe der Zeiten mannichfache Veränderungen erlitten hat und daß, da ein Theil nach dem andern variiert hat, aus verschiedenen Abänderungen zu einem und dem nämlichen allgemeinen Zwecke Vortheil gezogen worden ist. Die Verschiedenheit der Mittel zur Hervorbringung einer Stimme in den drei Familien der Orthoptern und bei den Homoptern läßt die große Bedeutung dieser Gebilde für die Männchen zu dem Zwecke des Herbeirufens oder Anlockens der Weibchen recht hervortreten. Wir dürfen von der Größe der Modificationen nicht überrascht sein, welche die Orthoptern in dieser Beziehung erlitten haben, da wir jetzt in Folge von Dr. Scudder's merkwürdiger Entdeckung603 wissen, daß die Zeit hierzu mehr als hinreichend gegeben war. Dieser Naturforscher hat neuerdings in der Devonischen Formation von Neu-Braunschweig ein fossiles Insect gefunden, welches mit »dem bekannten Paukenfell oder dem Stridulationsapparat der männlichen Locustiden« versehen war. Obgleich dieses Insect in den meisten Beziehungen mit den Neuroptern verwandt war, so scheint es doch, wie es so oft mit sehr