Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.Er wollte den Priester begleiten, als der sich empfahl, und sie verschwanden zusammen nach der Kirche zu, von der das Abendläuten klang.
Es war kühl, beinahe kalt, und sie kehrten bald in den Salon zurück.
Sie waren alle ein wenig eingenickt, als plötzlich Julius mit hochrotem Gesicht und empörter Miene zurückkehrte. Von der Thür aus rief er seinen Schwiegereltern zu, ohne an Johannas Gegenwart zu denken:
– Donnerwetter, ihr seid wohl verrückt, diesem Mädchen zwanzigtausend Franken nach zu schmeißen?
Sie waren so erstaunt, daß niemand antwortete, und er fuhr brüllend vor Wut fort:
– Das ist doch eine unerhörte Dummheit, ihr wollt uns wohl keinen Pfennig mehr übrig lassen?
Da versuchte der Baron, der die Fassung wieder gewonnen hatte, ihm ins Wort zu fallen, und rief:
– Schweig, denke daran, daß Du vor Deiner Frau sprichst.
Er entgegnete wütend:
– Das ist mir ganz wurscht, übrigens weiß sie ja, was los ist! Das ist geradezu ein Diebstahl an ihr.
Johanna ward aufmerksam, aber sie wußte nicht, wovon die Rede war und stammelte:
– Was ist denn eigentlich?
Da wandte sich Julius an sie und nahm sie gewissermaßen zur Zeugin, daß sie beide betrogen seien in ihren Hoffnungen; er erklärte ihr kurz den Plan, Rosalie zu verheiraten, und daß man ihr dazu den Hof Barville schenken wolle, der mindestens zwanzigtausend Franken wert sei. Dann sagte er:
– Meine Liebe, Deine Eltern sind verrückt, sind ja geradezu irrsinnig. Zwanzigtausend Franken! Sie sind ja nicht ganz richtig! Zwanzigtausend Franken für einen Bastard!
Johanna hörte ohne Gemütsbewegung und ohne Zorn zu, sie war selbst erstaunt über ihre Ruhe, nun ganz gleichgiltig gegen alles, was nicht ihr Kind betraf. Der Baron rang nach Atem, er wußte nicht, was er sagen sollte. Endlich platzte er ‘raus und schrie, indem er mit dem Fuße aufstampfte:
– Überlege Dir, was Du sagst! Wer ist denn daran Schuld, daß das Mädchen Geld bekommen muß? Von wem hat sie denn das Kind? Du wolltest sie wohl jetzt sitzen lassen?
Julius war erstaunt über die Heftigkeit seines Schwiegervaters, blickte ihn stumm an und sagte dann etwas ruhiger:
– Aber fünfzehntausend Franken hätten doch auch gereicht. Sie haben alle Kinder, ehe sie sich verheiraten, ob es nun von dem ist oder von jenem, bleibt sich doch ganz gleich. Wenn ihr einen von euren Höfen im Werte von zwanzigtausend Franken schenkt, so bedeutet das doch außer der Schädigung später für uns, noch aller Welt ins Gesicht rufen, was da passiert ist. Ihr hättet doch wenigstens an unsren Namen und an unsre Stellung denken können.
Er sprach in ernstem Ton, wie jemand, der weiß, daß er recht hat und daß seine Ausführungen den Nagel auf den Kopf treffen. Der Baron, den diese unerwartete Beweisführung verwirrte, blieb mit offenem Munde vor ihm stehen. Da fühlte Julius, daß er gewonnenes Spiel hatte und zog nun seinen Schluß daraus:
– Glücklicherweise ist noch nichts abgemacht. Ich kenne den Burschen, der sie heiraten soll, es ist ein guter Kerl, ich will mit ihm sprechen und die Sache arrangieren. Ich werde es schon machen.
Dann ging er schnell davon, da er wahrscheinlich fürchtete, den Streit fortzusetzen und indem er sich freute, daß alle schwiegen, weil er das für Zustimmung nahm.
Sobald er verschwunden war, rief der Baron außer sich vor Zorn und Empörung:
– Nein, das ist zu stark, wahrhaftigen Gott!
Aber als Johanna aufblickte und das verstörte Gesicht ihres Vaters sah, fing sie plötzlich an zu lachen, zu lachen wie früher, wenn sie irgend etwas Komisches erlebt:
– Papa, Papa, hast Du gehört, wie er sagte: Zwanzigtausend Franken! Zwanzigtausend Franken!
Und Mutting, bei der das Lachen eben so schnell kam wie das Weinen, ward plötzlich in der Erinnerung an das wütende Gesicht ihres Schwiegersohnes, an seine empörten Worte und an seine heftige Weigerung, daß das von ihm verführte Mädchen Geld erhalten sollte, das ihm gar nicht gehörte, und glückselig über Johannas gute Laune, von einem solchen Lachanfall gepackt, daß ihr die Thränen in die Augen traten.
Da ward der Baron auch angesteckt, und alle drei lachten sich nun, wie in schönen vergangenen Tagen, halb krank.
Als sie ein wenig ruhiger geworden waren, sagte Johanna erstaunt:
– Es ist doch merkwürdig, mir ist es ganz gleich, mir ist es ganz gleich. Mir kommt er jetzt wie ein Fremder vor. Ich kann gar nicht glauben, daß ich seine Frau bin. Seht ihr, mir machen seine .. seine .. seine .. Unzartheiten Spaß.
Und ohne recht zu wissen warum, umarmten sie sich nun lächelnd und ganz gerührt.
Zwei Tage später, nach dem Frühstück, als Julius eben fortgeritten war, erschien ein großer Bursche von zweiundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren in einer ganz neuen blauen Bluse, frisch gesteift, mit Ballonärmeln, die am Handgelenk zugeknöpft waren, kam verstohlen durch das Thor, als wäre er dort seit dem Morgen versteckt gewesen, glitt am Grenzgraben der Couillards entlang, lief um das Schloß herum und näherte sich schleichenden Fußes dem Baron und den beiden Damen, die immer noch unter der Platane saßen.
Als er sie sah, nahm er seine Mütze ab und trat, mit verlegener Miene grüßend, näher, und wie er nahe genug war, um verstanden zu werden, stotterte er:
– Gut’n Dag ooch Herr Baron und meine Herrschaften! Als aber niemand mit ihm sprach, stellte er sich vor:
– Ich bin nämlich der Disiderius Lecoq!
Da der Name ihnen nichts sagte, fragte der Baron:
– Was wünschen Sie?
Da ward der Bursche verlegen. Er stammelte, indem er abwechselnd die Augen niederschlug und wieder hob und von semer Mütze in der Hand, bis zum Giebel des Schlosses hinauf schweifen ließ:
– Nämlich der Herr Pfarrer hat mir was gesagt wegen der Geschichte.
Dann schwieg er in der Furcht, gegen sein Interesse zu viel zu sagen.
Der Baron fragte, ohne recht zu verstehen:
– Ja was denn für eine Geschichte? Ich weiß von nichts. Da senkte der andere die Stimme und entschloß sich, zu sprechen:
– Die Geschichte mit Ihrem Mädchen, .. der .. Rosalie. Johanna, die nun erriet, stand auf und ging mit ihrem Kinde auf dem Arm davon, und der Baron sagte:
– Treten Sie näher!
Dann deutete er auf den Stuhl, von dem seine Tochter eben aufgestanden war.
Der Bauernbursche setzte sich sofort und meinte:
– Sie sein sehr liebenswürdig!
Dann wartete er, als hätte er nichts weiter zu sagen. Nach langem Stillschweigen entschloß er sich endlich, indem er zum blauen Himmel aufblickte, zu sagen:
– Ganz scheenes Wetter heite! Für die Zeit! Aber man hat doch nischt dervun, da doch schun gesäet ist!
Und er schwieg wieder. Der Baron wurde ungeduldig und ging direkt auf die Frage ein, indem er trockenen Tones begann:
– Also Sie wollen Rosalie heiraten?
Der Bursche ward sofort unruhig, weil ihn das aus seiner normannischen Vorsicht brachte und antwortete etwas lebhafter, aber immer mißtrauisch:
– Das kummt druff an, vielleicht ja, vielleicht ooch nee.
Der Baron, der sich über diese Ausflüchte ärgerte, polterte nun los:
– Himmel Sakrament, so antworten Sie doch offen. Kommen Sie wegen der Sache oder nicht? Nehmen Sie das Mädchen oder nicht?
Der Bursche blickte ganz erschrocken auf seine Stiefel:
–