Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.ich kann Dir doch nicht bis zu meinem Ende am Unterrock hängen. Du bist verheiratet und ich auch, wir sind beide nicht frei, wir haben zusammen einen Scherz gemacht und nun ist es eben alle.
Sie sagte:
– Aber bist Du roh! Bist Du grob und unglaublich gemein! Nein, ein junges Mädchen war ich nicht mehr, aber ich hatte noch nie geliebt, nie einen Fehltritt gethan ..
Er schnitt ihr das Wort ab:
– Das hast Du mir schon zwanzig Mal gesagt, und ich weiß es. Aber Du hattest doch schon zwei Kinder, also bin ich doch wohl nicht der erste gewesen.
Sie wich zurück:
– Georg, das ist schamlos!
Sie preßte beide Hände auf die Brust, begann nach Atem zu ringen, und schließlich stiegen ihr die Thränen herauf.
Als er die Thränen kommen sah, nahm er seinen Hut von der Kaminecke:
– Ach so, Du willst heulen, na dann adieu! Zu so ‘ner Komödie hast Du mich kommen lassen?
Sie trat ihm in den Weg, zog schnell ihr Taschentuch hervor und wischte sich mit kräftiger Bewegung die Augen. Sie zwang sich, ihrer Stimme Festigkeit zu geben und sagte, nur einmal von einem Schmerzensausbruch unterbrochen:
– Nein .. ich bin gekommen um Dir .. eine Nachricht zu bringen .. eine politische Nachricht! Um es Dir möglich zu machen fünfzigtausend Franken zu verdienen, oder wenn Du willst noch viel mehr.
Er fragte plötzlich weicher geworden:
– Wieso denn? Was meinst Du damit?
– Ich habe gestern abend zufällig ein paar Worte meines Mannes gehört, die er mit Laroche wechselte; übrigens nahmen sie sich vor mir nicht sehr in Acht. Aber Walter legte dem Minister ans Herz, Dich nicht ins Vertrauen zu ziehen, weil Du alles enthüllen würdest.
Du Roy hatte seinen Hut auf einen Stuhl gesetzt und wartete mit gespannter Aufmerksamkeit:
– Also, um was handelt es sich?
– Sie wollen Marokko nehmen!
– Ach, ist nicht möglich? Ich habe mit Laroche gefrühstückt und da hat er mir die Absichten des Kabinets beinah in die Feder diktiert!
– Nein, lieber Georg, sie haben Dich an der Nase herum geführt, weil sie Angst haben, daß ihr Coup bekannt würde.
– Setze Dich, – sagte Georg.
Und er setzte sich selbst in einen Stuhl.
Da zog sie einen kleinen Schemel heran, ließ sich darauf nieder, zwischen den Knieen des jungen Mannes und begann schmeichelnd:
– Da ich immer an Dich denke, achte ich jetzt auf alles, was um mich herum geflüstert wird.
Und sie begann, ganz leise ihm auseinander zu setzen, wie sie seit einiger Zeit erraten hätte, daß man hinter seinem Rücken etwas plane und sich zwar seiner bedienen wolle, aber sich vor seiner Konkurrenz fürchte.
Sie sagte:
– Weißt Du, wenn man liebt wird man gerissen. Endlich gestern hatte sie die Sache verstanden. Es handelte sich um ein großes Geschäft, ein Riesengeschäft, das im stillen vorbereitet ward.
Sie lächelte jetzt glückselig über ihre Geschicklichkeit, sie ward ganz aufgeregt und sprach wie die Frau eines Geldmannes, die gewöhnt ist Börsencoups anbahnen zu sehen, Schwankungen in den Werten, Hausse und Baisse, die binnen zwei Stunden tausende von kleinen Bürgersleuten und kleinen Rentnern ruinieren und um ihre Ersparnisse bringen, die sie in Papieren angelegt haben, deren Bonität von geehrten angesehenen Leuten, Politikern und Bankiers, garantiert ist.
Nun fuhr sie fort:
– O sie haben ein Riesengeschäft vor, Walter hat alles ausgeheckt und der versteht es. Es ist wirklich eine große Sache.
Er wurde ungeduldig durch die lange Vorrede:
– Sag doch.
– Also, es handelt sich um folgendes: Die Expedition nach Tanger war zwischen ihnen beschlossene Sache vom Tage an, da Laroche das Auswärtige übernahm, und allmählich haben sie die ganze marokkanische Anleihe, die auf vierundsechzig oder fünfundsechzig Franken gefallen war, aufgekauft. Sie haben es sehr geschickt gemacht durch kleine Pfuschmakler, sodaß kein Mensch Verdacht schöpfen konnte. Sie haben sogar Rothschilds reingelegt, die sich wunderten, daß immer Marrokkaner gefragt wurden. Man hat sie beruhigt, indem man ihnen die kaufenden Makler namhaft machte, alles verkommene Subjekte oder outsiders Damit hat sich die große Bank zufrieden gegeben. Aber nun wird man die Expedition abschicken, und sobald unsre Truppen einmal dort sind, wird der französische Staat die Garantie für die marokkanische Schuld übernehmen. Dann haben unsre Freunde fünfzig oder sechszig Millionen gewonnen. Verstehst Du die Geschichte jetzt? Nun kannst Du auch begreifen wie man sich vor jedem Mitwisser fürchtet, wegen der Gefahr einer Indiskretion.
Sie hatte den Kopf an die Brust des jungen Mannes gelehnt, und ihre Arme ruhten auf seinen Knieen, sie preßte und schmiegte sich an ihn, sie fühlte, daß sie ihm jetzt interessant war, und war bereit alles zu thun, alles zu begehen um einen Kuß, um ein Lächeln:
Er fragte:
– Bist Du auch Deiner Sache sicher?
Sie antwortete bestimmt:
– Ganz sicher:
Da meinte er:
– Das ist allerdings ein kolossaler Coup. Aber diesem Schmierfinken dem Laroche, dem werde ich eins auswischen. Der Lump, soll sich vor mir in Acht nehmen. Er soll sich bloß in Acht nehmen, den Ministerrock reiße ich ihm ‘runter!
Dann begann er nachzudenken und brummte:
– Aber die Gelegenheit muß man benutzen.
– Du kannst noch von den Papieren kaufen, sie stehen zweiundsiebzig.
Er antwortete:
– Ja, ich habe aber kein Geld zur Verfügung!
Sie blickte ihn flehend an:
– Daran habe ich gedacht, und wenn Du sehr, sehr nett zu mir bist, wenn Du mich nur ein bißchen lieb hast, da erlaubst Du mir, daß ich Dir etwas borge.
Er antwortete ernst, fast hart:
– Nein, das auf keinen Fall!
Sie sagte mit flehender Stimme:
– Höre, es giebt ja einen Ausweg etwas zu machen, ohne das Geld zu borgen. Ich wollte von den Papieren für zehntausend Franken kaufen um mir Nadelgeld zu schaffen. Nun so kaufe ich eben für zwanzigtausend Franken und Du beteiligst Dich zur Hälfte. Weißt Du, das bekommt natürlich Walter nicht. Wenn die Geschichte glückt, gewinnst Du siebenzigtausend Franken, wenn sie nicht glückt, bist Du mir zehntausend Franken schuldig, die Du mir wiedergeben kannst, wann es Dir paßt.
Er sagte noch einmal:
– Nein, solche Geschäfte liebe ich nicht!
Da setzte sie ihm, um ihn zu überreden, allerlei auseinander, bewies ihm, daß es sich in Wirklichkeit nur um zehntausend Franken auf sein Wort handele, daß er infolgedessen auch Gefahr liefe es zu verlieren, und daß sie ihm persönlich nichts borge, denn das Bankhaus Walter lege doch die Summe aus!
Unter anderem erklärte sie ihm, daß er es doch gewesen, der in der › Vie française‹ die ganze politische Campagne geführt habe, die dieses Geschäft überhaupt bloß möglich mache und daß er zu naiv wäre, wenn er keinen Vorteil daraus ziehen wolle. Als er noch zögerte, schloß sie:
– Aber überlege doch nur, daß Dir eigentlich Walter die zehntausend Franken borgt und daß Du ihm Dienste geleistet hast, die viel mehr wert sind, als das.
– Gut, einverstanden! Ich mache Halbpart mit Dir. Verlieren wir, zahl ich Dir zehntausend Franken!
Sie war so glücklich, daß sie aufsprang, seinen Kopf in beide Hände nahm und ihn glühend küßte.