Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer
Читать онлайн книгу.unter diesen aber uns vorherverkündeten Erscheinungen, so z.B. daß, wenn gewisse Metalle, unter einander und mit einer gesäuerten Feuchtigkeit abwechselnd, sich berühren, Silberblättchen, zwischen die Extremitäten dieser Verkettung gebracht, plötzlich in grüne Flammen aufgehn müssen: oder daß unter gewissen Bedingungen der harte Diamant sich in Kohlensäure verwandelt. Es ist die geistermäßige Allgegenwart der Naturkräfte, die uns alsdann überrascht, und was uns bei den alltäglichen Erscheinungen nicht mehr einfällt, bemerken wir hier, nämlich wie zwischen Ursache und Wirkung der Zusammenhang eigentlich so geheimnißvoll ist, wie der, welchen man dichtet zwischen einer Zauberformel und dem Geist, der durch sie herbeigerufen nothwendig erscheint. Hingegen, wenn wir in die philosophische Erkenntniß eingedrungen sind, daß eine Naturkraft eine bestimmte Stufe der Objektivation des Willens ist, d.h. Desjenigen, was auch wir als unser innerstes Wesen erkennen, und daß dieser Wille an sich selbst und unterschieden von seiner Erscheinung und deren Formen, außer der Zeit und dem Raume liegt, und daher die durch diese bedingte Vielheit nicht ihm, noch unmittelbar der Stufe seiner Objektivation, d.i. der Idee, sondern erst den Erscheinungen dieser zukommt, das Gesetz der Kausalität aber nur in Beziehung auf Zeit und Raum Bedeutung hat, indem es nämlich in diesen den vervielfachten Erscheinungen der verschiedenen Ideen, in welchen der Wille sich manifestirt, ihre Stelle bestimmt, die Ordnung regelnd, in der sie eintreten müssen; – wenn uns, sage ich, in dieser Erkenntniß der innere Sinn der großen Lehre Kants aufgegangen ist, daß Raum, Zeit und Kausalität nicht dem Dinge an sich, sondern nur der Erscheinung zukommen, nur Formen unserer Erkenntniß, nicht Beschaffenheiten des Dinges an sich sind; dann werden wir einsehn, daß jenes Erstaunen über die Gesetzmäßigkeit und Pünktlichkeit des Wirkens einer Naturkraft, über die vollkommene Gleichheit aller ihrer Millionen Erscheinungen, über die Unfehlbarkeit des Eintritts derselben, in der That dem Erstaunen eines Kindes, oder eines Wilden zu vergleichen ist, der zum ersten Mal durch ein Glas mit vielen Facetten etwan eine Blume betrachtend, sich wundert über die vollkommene Gleichheit der unzähligen Blumen, die er sieht, und einzeln die Blätter einer jeden derselben zählt.
Jede allgemeine ursprüngliche Naturkraft ist also in ihrem innern Wesen nichts Anderes, als die Objektivation des Willens auf einer niedrigen Stufe: wir nennen eine jede solche Stufe eine ewige Idee, in Plato's Sinn. Das Naturgesetz aber ist die Beziehung der Idee auf die Form ihrer Erscheinung. Diese Form ist Zeit, Raum und Kausalität, welche nothwendigen und unzertrennlichen Zusammenhang und Beziehung auf einander haben. Durch Zeit und Raum vervielfältigt sich die Idee in unzählige Erscheinungen: die Ordnung aber, nach welcher diese in jene Formen der Mannigfaltigkeit eintreten, ist fest bestimmt durch das Gesetz der Kausalität: dieses ist gleichsam die Norm der Gränzpunkte jener Erscheinungen verschiedener Ideen, nach welcher Raum, Zeit und Materie an sie vertheilt sind. Diese Norm bezieht sich daher nothwendig auf die Identität der gesammten vorhandenen Materie, welche das gemeinsame Substrat aller jener verschiedenen Erscheinungen ist. Wären diese nicht alle an jene gemeinsame Materie gewiesen, in deren Besitz sie sich zu theilen haben; so bedürfte es nicht eines solchen Gesetzes, ihre Ansprüche zu bestimmen: sie könnten alle zugleich und neben einander den unendlichen Raum, eine unendliche Zeit hindurch, füllen. Nur also weil alle jene Erscheinungen der ewigen Ideen an eine und die selbe Materie gewiesen sind, mußte eine Regel ihres Ein- und Austritts seyn: sonst würde keine der andern Platz machen. Diesergestalt ist das Gesetz der Kausalität wesentlich verbunden mit dem der Beharrlichkeit der Substanz: beide erhalten bloß von einander wechselseitig Bedeutung: eben so aber auch wieder verhalten sich zu ihnen Raum und Zeit. Denn die bloße Möglichkeit entgegengesetzter Bestimmungen an der selben Materie ist die Zeit: die bloße Möglichkeit des Beharrens der selben Materie unter allen entgegengesetzten Bestimmungen ist der Raum. Darum erklärten wir im vorigen Buche die Materie als die Vereinigung von Zeit und Raum; welche Vereinigung sich zeigt als Wechsel der Accidenzien beim Beharren der Substanz, wovon die allgemeine Möglichkeit eben die Kausalität, oder das Werden ist. Wir sagten daher auch, die Materie sei durch und durch Kausalität. Wir erklärten den Verstand als das subjektive Korrelat der Kausalität, und sagten, die Materie (also die gesammte Welt als Vorstellung) sei nur für den Verstand da, er sei ihre Bedingung, ihr Träger, als ihr nothwendiges Korrelat. Dieses alles hier nur zur beiläufigen Erinnerung an Das, was im ersten Buche ausgeführt ist. Die Beachtung der innern Uebereinstimmung beider Bücher wird zu ihrem völligen Verständniß erfordert: da, was in der wirklichen Welt unzertrennlich vereint ist, als ihre zwei Seiten, Wille und Vorstellung, durch diese zwei Bücher aus einander gerissen worden, um jedes isolirt desto deutlicher zu erkennen.
Es möchte vielleicht nicht überflüssig seyn, durch ein Beispiel noch deutlicher zu machen, wie das Gesetz der Kausalität nur in Beziehung auf Zeit und Raum und die, in der Vereinigung Beider bestehende, Materie Bedeutung hat; indem es die Gränzen bestimmt, welchen gemäß die Erscheinungen der Naturkräfte sich in den Besitz jener theilen, während die ursprünglichen Naturkräfte selbst, als unmittelbare Objektivationen des Willens, der als Ding an sich dem Satz vom Grunde nicht unterworfen ist, außerhalb jener Formen liegen, innerhalb welcher allein jede ätiologische Erklärung Gültigkeit und Bedeutung hat und eben deshalb nie zum innern Wesen der Natur führen kann. – Denken wir uns, zu diesem Zweck, etwan eine nach Gesetzen der Mechanik konstruirte Maschine. Eiserne Gewichte geben durch ihre Schwere den Anfang der Bewegung; kupferne Räder widerstehn durch ihre Starrheit, stoßen und heben einander und die Hebel vermöge ihrer Undurchdringlichkeit u.s.f. Hier sind Schwere, Starrheit, Undurchdringlichkeit ursprüngliche, unerklärte Kräfte: bloß die Bedingungen, unter denen, und die Art und Weise, wie sie sich äußern, hervortreten, bestimmte Materie, Zeit und Ort beherrschen, giebt die Mechanik an. Es kann jetzt etwan ein starker Magnet auf das Eisen der Gewichte wirken, die Schwere überwältigen: die Bewegung der Maschine stockt und die Materie ist sofort der Schauplatz einer ganz andern Naturkraft, von der die ätiologische Erklärung ebenfalls nichts weiter, als die Bedingungen ihres Eintritts angiebt, des Magnetismus. Oder aber es werden nunmehr die kupfernen Scheiben jener Maschine auf Zinkplatten gelegt, gesäuerte Feuchtigkeit dazwischen geleitet: sogleich ist die selbe Materie der Maschine einer andern ursprünglichen Kraft, dem Galvanismus anheimgefallen, der nun nach seinen Gesetzen sie beherrscht, durch seine Erscheinungen an ihr sich offenbart, von welchen die Aetiologie auch nicht mehr, als die Umstände, unter denen, und die Gesetze, nach welchen sie sich zeigen, angeben kann. Jetzt lassen wir die Temperatur wachsen, reinen Sauerstoff hinzutreten: die ganze Maschine verbrennt: d.h. abermals hat eine gänzlich verschiedene Naturkraft, der Chemismus, zu dieser Zeit, an diesem Ort, unweigerlichen Anspruch an jene Materie, und offenbart sich an ihr als Idee, als bestimmte Stufe der Objektivation des Willens. – Der dadurch entstandene Metallkalk verbinde sich nun mit einer Säure: ein Salz entsteht, Krystalle schießen an: sie sind die Erscheinung einer andern Idee, die selbst wieder ganz unergründlich ist, während der Eintritt ihrer Erscheinung von jenen Bedingungen abhieng, welche die Aetiologie anzugeben weiß. Die Krystalle verwittern, vermischen sich mit andern Stoffen, eine Vegetation erhebt sich aus ihnen: eine neue Willenserscheinung: – und so ließe sich ins Unendliche die nämliche beharrende Materie verfolgen, und zusehn, wie bald diese, bald jene Naturkraft ein Recht auf sie gewinnt und es unausbleiblich ergreift, um hervorzutreten und ihr Wesen zu offenbaren. Die Bestimmung dieses Rechts, den Punkt in der Zeit und dem Raume, wo es gültig wird, giebt das Gesetz der Kausalität an; aber auch nur bis dahin geht die auf dasselbe gegründete Erklärung. Die Kraft selbst ist Erscheinung des Willens und als solche nicht den Gestaltungen des Satzes vom Grunde unterworfen, d.h. grundlos. Sie liegt außer aller Zeit, ist allgegenwärtig und scheint gleichsam beständig auf den Eintritt der Umstände zu harren, unter denen sie hervortreten und sich einer bestimmten Materie, mit Verdrängung der bis dahin diese beherrschenden Kräfte, bemächtigen kann. Alle Zeit ist nur für ihre Erscheinung da, ihr selbst ohne Bedeutung: Jahrtausende schlummern die chemischen Kräfte in einer Materie, bis die Berührung der Reagenzien sie frei macht: dann erscheinen sie; aber die Zeit ist nur für diese Erscheinung, nicht für die Kräfte selbst da. Jahrtausende schlummert der Galvanismus im Kupfer und Zink, und sie liegen ruhig neben dem Silber, welches, sobald alle drei, unter den erforderten Bedingungen sich berühren, in Flammen aufgehn muß. Selbst im organischen Reiche sehn wir ein trockenes Saamenkorn, dreitausend Jahre lang die schlummernde Kraft bewahren, welche, beim endlichen Eintritt der günstigen Umstände, als Pflanze emporsteigt. –39
Ist