Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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dann gesammelt zum Rathause nach der Gerichtsstube, an deren Tür die Fronboten sie einließen. Der Schultheiß empfing sie und wies ihnen ihre Plätze an auf der Gerichtsbank zu seinen Seiten.

      Die Schöppen entblößten das Haupt und zogen die Handschuhe ab, weil sie als Ritter vor Gottes Angesicht treten und ihn zum Zeugen anrufen sollten. Dann setzten sie sich ohne zu sprechen.

      Die beiden Jüngsten öffneten die Lade und nahmen das Kruzifix und die Bücher heraus, legten sie auch auf den Tisch vor den Schulzen. Dann setzten sie sich gleichfalls auf die beiden Eckplätze der Bank. Der Schreiber saß an einem kleinen Tisch seitwärts, das Urteil in ein großes Buch einzutragen, das ihm der Schulze zureichte.

      Dann stand derselbe auf, mahnte die Schöppen an ihren Eid, daß sie geschworen hätten, rechtes Urteil zu sprechen, dem Armen wie dem Reichen, den Feinden wie den Freunden, und davon nicht zu lassen weder durch Liebe noch durch Leid, noch irgendeiner Gabe wegen, unangesehen Trotz oder Drohung. Darauf winkte er den Fronboten, die Kläger einzulassen.

      Es erschienen Kapitän Halewat und zwei seiner Schiffsleute, barhäuptig und im Feiertagskleide. Sie wurden gefragt, ob sie es bestätigen wollten, daß sie klagen wollten gegen die Vitalienbrüder, und daß sie deshalb gebeten hätten, ein Beiding zu berufen. Kapitän Halewat antwortete: So ist es, hochedle Herren. Ich und meine Genossen hier, wir klagen aber nicht für unsere Person, weil wir beinschärtige Wunden oder Schandmale von den Räubern erhalten haben im Kampfe, was ihnen unsererseits christlich verziehen sei, sondern im Namen dieser Rechten Stadt Danzig auf des Hohen Rates Geheiß, weil die Vitalienbrüder ein Danziger Schiff überfallen haben und mit Macht überwunden und gefangen sind als Räuber. Unsere Zeugen wollen wir nennen, wenn sie's leugnen.

      Darauf wandte der Schulze sich an den Schöppenmeister. Ich frage Euch, Herr Schöppenmeister, dieweil mündige Leute vor Gericht stehen und begehren ein gehegtes Beiding, ob man das Ding hegen möge von Rechts wegen?

      Der Gefragte antwortete: Herr Richter, weil mündige Leute vor Gericht stehen, so hegt das Ding von Gottes wegen und von Rechts wegen.

      Der Schulze sprach: Ich tue, wie mir der Schöppe gefunden, und hege ein Ding von Gottes wegen. Und weiter frage ich Euch, Herr Schöppenmeister, ob es an der Zeit ist, daß ich dieser Rechten Stadt Danzig hohes peinliches Halsgericht hegen möge, einem jeden zu seinem Recht.

      Darauf die Antwort: Herr Richter, dieweil Euch die Gerichte befohlen und Leute da sind, die peinlich Halsgericht von Recht begehren, so ist es an der Zeit, daß Ihr dieser Rechten Stadt Danzig hohes peinliches Halsgericht hegen möget.

      Ich frage, wie ich das hohe peinliche Halsgericht hegen soll?

      Darauf die Antwort: Herr Richter, gebietet Recht und verbietet Unrecht und des Dinges Verlust, und daß niemand sein selbst oder des andern Wort vor Gericht rede, er tue es denn mit Urlaub des Richters.

      Darauf sprach der Richter feierlich: Ich hege dieser Rechten Stadt Danzig peinlich Halsgericht zum erstenmal. Ich hege es zum andernmal. Ich hege es zum drittenmal mit Urteil und mit Recht. Er wiederholte dann die Worte des Schöppenmeisters und fragte ihn, ob er nun das Gericht genugsam gehegt habe. Der bestätigte es feierlich, und der Schulze bezeugte es: »mit der Bank zu Urteil und Recht«.

      So waren nun nach alter Gewohnheit alle Förmlichkeiten erfüllt, und das eigentliche Verfahren konnte beginnen. Der Kläger erhielt das Wort, trug den Fall umständlich vor, wie er sich begeben hatte, und bat um Recht.

      Der Richter befragte die Schöppen, ob die gefangenen Übeltäter vorgeführt werden sollten. Sie bejahten es.

      Weil sie aber wegen ihrer Übeltat nach dem Recht ihr Leben verwirkt hätten, ging die Frage weiter, wer sie vorführen solle.

      Die Entscheidung lautete: Der Fronbote und zwei Personen des Gerichts.

      Diese entfernten sich nun und holten die Gefangenen unter Begleitung der Stadtwache ein.

      Marquard Stenebreeker schritt voran ins Zimmer, hochaufgerichtet und dem Schultheiß einen höhnischen Blick zuwerfend. Der ermahnte sie, die Wahrheit zu sagen, und fragte dann, ob sie eingestehen wollten, auf hoher See die »Maria von Danzig« überfallen und das Schiff nebst Mannschaft und Gütern in ihre Gewalt zu bringen versucht zu haben.

      Das wollen wir eingestehen ohne Zwang, entgegnete der Hauptmann trotzig, aber euer Gericht erkennen wir nicht an über uns. Denn wir sind freie Leute und eurer Stadt nicht untertänig. Wir sind in rechter Fehde begriffen gewesen und im Kampfe unterlegen. Ihr selbst aber seid des Deutschen Ordens Untertanen und habt keine Vollmacht über Gefangene. Deshalb rufen wir den Herrn Hochmeister an wider euch!

      So antworteten auch die anderen, da sie wohl merkten, daß die Schöppen verlegen einander ansahen. Der Schulze aber stand auf und sagte: Ruft ihr den Herrn Hochmeister an, das mag nachdem geschehen. Die Frage ist schon vorweg erwogen im Rat, und er hat beschlossen, euch vor Gericht zu stellen. So frage ich euch denn von Rechts wegen nochmals, ob ihr bei eurem Geständnis bleibt oder verlangt, daß wir die Zeugen hören.

      Was wir gesagt haben, das haben wir gesagt, antwortete Stenebreeker, und der Zeugen bedarf es nicht.

      Der Schulze wandte sich wieder an die Beisitzer. So frage ich Euch, Herr Schöppenmeister, nachdem es bewußt ist, wie sich gegenwärtige Täter zur Tat bekennen, was sie für eine Strafe leiden sollen?

      Die Schöppen berieten leise miteinander und gaben ihre Stimme vom jüngsten zum ältesten. Das Urteil lautete dahin, daß die Seeräuber vom Leben zum Tode gebracht werden sollten.

      Der Richter sprach: Ich frage, ob dies begangene Urteil soll kräftig sein von Rechts wegen.

      Die Schöppen antworteten gesamt: Es soll kräftig sein von Rechts wegen.

      Ich frage euch, wer das ergangene Urteil vollziehen soll von Rechts wegen?

      Der Scharfrichter von Rechts wegen.

      Der Richter bedeckte sein Haupt, die Gefangenen wurden abgeführt, das gehegte Ding war geschlossen.

      7. DANZIGER PFINGSTEN

       Inhaltsverzeichnis

      Aber zur Vollstreckung des Urteils kam es fürs erste nicht. Der Rat machte zwar dem Herrn Komtur pflichtschuldigst Anzeige, daß es ergangen sei, bat aber nicht, wie sonst üblich, um die Genehmigung, sondern teilte nur mit, daß man »unverzüglich« zur Exekution schreiten werde, da es sich um fremdes, heimatloses Gesindel handele, das »über die äußerste Not aufzubewahren« gefährlich sei. Diese Wendung aber hatte der Komtur nach dem Bericht seines Kumpans und nach dem Ratsbeschluß am Sonntag schon vorausgesehen, eiligst aus dem Marstall eine Briefschweike herausziehen und satteln lassen und dem Boten Auftrag gegeben, mit Wechsel des Pferdes im Hause zu Dirschau nach der Marienburg zu reiten und dem Hochmeister ein den ganzen Vorfall meldendes Schreiben zu überbringen. Er trug darin vor, daß es für den Orden sehr wünschenswert sei, »allezeit mehrere von den Vitalienbrüdern zur Auswechslung gegen Ordensangehörige« auf den Schlössern zu haben, daß auch den Danzigern der Rechten Stadt durch den glücklichen Ausgang dieses Kampfes zur See »gar sehr der Kamm geschwollen« sei, und daß sich hier wieder recht merklich der Geist der Widersetzlichkeit zeige, der schon oft habe beklagt werden müssen, »also sie sich für etwas Besonderes im Lande dünken und sich allerhand Vorrechte zuschreiben möchten, von denen ihre Briefe nichts wissen«. Er bat deshalb um ein schleuniges Inhibitorium, schloß aber respektvoll: »Was Ew. Gnaden darin zu Sinne ist, zu Ew. Gnaden ich es setze, und gebietet an mich als Ew. Gnaden willigen gehorsamen – Johann von Schönfels.«

      Der Hochmeister stimmte ihm in allem bei und fertigte andern Tages mit demselben Boten einen belobenden Brief an den Komtur ab, einen zweiten, sehr streng gehaltenen, aber an den Rat der Rechten Stadt Danzig mit dem Befehl, bei seiner höchsten Ungnade in das Gericht über die Vitalienbrüder den Hauskomtur mit anderen vom Orden, die man bestimmen werde, aufzunehmen, oder, wenn wider Erwarten das Urteil schon gesprochen sein sollte, von der Vollstreckung Abstand zu nehmen und die Gefangenen mindestens zur Hälfte auf das


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