Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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und begehrte den Komtur zu sprechen.

      Johann von Schönfels erschien auf der Brücke und fragte nach ihrem Begehr. Da sagten sie ihm, daß die Stadt dem König gehuldigt habe, um ihrer Not entledigt zu werden, und forderten ihn auf, gütlich das Schloß zu verlassen, das er doch nicht halten könne, versprachen ihm auch ein reichliches Zehrgeld für sich und seine Leute. Der Komtur aber, obschon ihm die Belagerung wenig gefiel, weigerte sich dessen entschieden und nannte sie Abtrünnige und Verräter, die ihrer Strafe nicht entgehen würden. Darüber kam es zu heftigen Reden auch auf der anderen Seite. Man werde ihn mit den anderen Ordensherren an den Hälsen aus der Burg ziehen, hieß es wenig respektvoll.

      Letzkau trat ungern zurück. Drohend rief er: Ihr wollt stets mit dem Kopf durch die Mauer; das könnt ihr nicht. Wohlan, wir werden euch belagern hinten und vorn, zu Wasser und zu Lande: wir wissen wohl, was ihr auf dem Hause habt. Ihr könnt es nicht lange halten. Wollt ihr nicht mit Willen herab, so wollen wir euch mit Unwillen herunterziehen und -zerren.

      Aus der umstehenden Menge wurden Steine nach dem Komtur und seinen ritterlichen Begleitern geworfen. Sie zogen sich schleunigst zurück. Der Anlauf war verfehlt.

      Es hatte seinen besonderen Grund, daß der Komtur so fest blieb. Am Tage vorher war ihm ein Brief des Statthalters zugegangen, in dem derselbe ihn beschwor, das Haus mit dem Aufgebot aller Kräfte dem Orden zu erhalten.

      Den Brief hatte der wackere Klaus Poelke ins Schloß gebracht, nicht ohne ernstliche Gefahr für sein Leben.

      Der Komtur hieß ihn auf Antwort warten, und so hatte er einen Tag Aufenthalt.

      Er benutzte die Gelegenheit, mit dem Volkshaufen, der den Bürgermeister und den Hauptmann begleitet hatte, durch das Haustor in die Rechte Stadt zu gelangen. Dort begab er sich in das Haus des Ratsherrn Huxer und fragte nach seiner Muhme Barbara. Die war nicht wenig verwundert, ihn zu sehen.

      Ich bringe Euch und dem Fräulein wohl nichts Gutes, sagte er, aber um Dank ist mir's auch nicht zu tun, sondern daß ich Euch zeige, wie ich Eures Auftrags gedacht habe. Den Junker von Waldstein habe ich in der Marienburg nicht gefunden, aber –

      Wartet, bis ich das Fräulein rufe, unterbrach Barbara. Was du da zu melden hast, ist für sie.

      Nein, bat Klaus, ruft das Fräulein nicht. Ich kann mir ja doch denken, weshalb … Na, ich mag nicht zugegen sein, wenn sie's erfährt. Da ist der Junker Hans von der Buche in der Burg, der weiß, daß euer Junker in der großen Schlacht –

      Jesusmaria! rief die Haushälterin und bekreuzte sich.

      Ja, es ist nicht anders. Er ist gefallen, und Herr von der Buche hat ihm das Ringlein abgezogen, das er sich hier im Stechspiel gewannen hat – und da ist es.

      Er übergab eine Papierhülle, in der sich ein kleiner Gegenstand befand. Barbara drückte ihn zwischen den Fingern. Das ist des Fräuleins Ring! rief sie jammernd. Ja, dann ist's richtig. Ach, das arme, arme Kind! Das wird Tränen kosten – ach, ach, ach! Hab' ich's doch gleich gedacht – so etwas nimmt kein gutes Ende. Geh, lieber Bursch, und laß mich allein, daß ich mir's bedächtig zurechtlege. Ich will zusehen, wie ich's dem Fräulein beibringe.

      Sie griff in die Gürteltasche und gab Klaus einen Zehrpfennig auf die Reise. Sagt sonst keinem, daß ich hier bin, bat er, sonst fragen sie mich wegen der Marienburg aus, und ich bin nicht gescheit genug, ihnen zu antworten, wie's dem Herrn Statthalter am genehmsten sein möchte. Er hat da ein schweres Stück Arbeit.

      Mit den Schanzenarbeitern kam er glücklich wieder zum Tor hinaus.

      20. ZWEI MEISTERSCHÜSSE

       Inhaltsverzeichnis

      Seit jenem Tage, an dem Heinrich von Plauen sich gedemütigt und der König übermütig den Frieden auf seine Bedingungen verweigert hatte, war ein Glücksumschlag erfolgt, der beiden Teilen täglich bemerklicher wurde.

      Jetzt erst zeigte der Statthalter seine ganze Willensstärke. Die Brüder mußten bekennen – was auch mancher im stillen denken mochte –, daß er bis an die äußerste Grenze der Nachgiebigkeit gegangen sei und nun nur Siegen oder Sterben übrigbleibe. Auch über sie kam etwas von dem mannhaften Trotz und der Todesverachtung ihres Führers, und jeder verdoppelte seine Tätigkeit.

      Im feindlichen Lager aber machte sich bald genug der Mangel an allem Notwendigen geltend. Jagellos und Witowds vereinigtes Heer war zu groß, um auf einer Stelle gehörig verpflegt werden zu können. Weithin war die Gegend gänzlich ausgesogen. Barbarisch hatte der siegestrunkene Feind gewirtschaftet, aus Mutwillen und reiner Zerstörungswut die Scheunen angesteckt, die Ernten auf dem Felde vernichtet, das Vieh erschlagen und den Vögeln zum Fraß liegen lassen. Von Sparen und Haushalten wollten die Polen und Litauer nichts wissen. Langten einige Frachtschiffe an, so wurde im Überfluß geschwelgt, bis alles verjubelt war. Dann gab's wieder Hungertage. Bald mußten große Haufen weit ins Land ausschwärmen, um sich nur notdürftig zu nähren und einige Vitalien herbeizuschleppen.

      Im Lager aber wüteten Krankheiten unter dem Kriegsvolk, das wochenlang unter freiem Himmel kampieren mußte; Tausende raffte die Ruhr hin. Man ließ in der Nacht die Leichen fortschaffen und vergraben oder in den Fluß werfen, damit Entmutigung nicht das ganze Heer ergreife.

      Überall wurden breite Lücken in die Linien der Belagerer gerissen, und die vollständige Absperrung der Burg schien schon nicht mehr möglich. Boten aus derselben gingen bald ab und zu, die fernen Freunde verständigend und zum Beistand aufrufend.

      Da wurde der König besorgt und fing wieder an, viel mit seinen Bischöfen und Kaplänen zu knien und zu beten, damit Gott sich nicht von ihm wende. Sogar neben seinem Zelt, das auf einer Uferanhöhe am Flusse stand, hatte er eine Feldkapelle gar köstlich herrichten und mit den schönsten Gerätschaften ausstatten lassen, die aus den Kirchen des Landes und den Kapellen der Ordensburgen geraubt waren. Es wurde ihm aber wenig Trost und Beruhigung davon. Was ihm die Priester auch von der Macht Gottes sagten, in seinem abergläubischen Herzen hatte eine ganz andere Vorstellung Gewalt über ihn. Das große Bildwerk der Jungfrau Maria mit dem Jesuskinde in der äußeren Chornische der Marienkapelle konnte er in seinem farbigen Glänze nicht leuchten sehen, ohne von tiefem Neide ergriffen zu werden, daß der Orden einen so sichtbaren Schutz habe. Rief doch Plauen auch die Heilige Jungfrau an, als er zornig sein Zelt verließ! Und es war sicher, daß die Himmelskönigin auf seiner Seite stand.

      Dieser Gedanke verfolgte ihn Tag und Nacht. Zuletzt gab er ihm sogar in einer Versammlung seiner Kriegsobersten Worte. Unsere Kugeln und Schleudersteine sind auf jener Seite machtlos, sagte er geheimnisvoll, denn die Jungfrau wehrt sie für die Belagerten ab oder macht sie unschädlich. Glaubt mir, solange das Bild dort mit der Goldkrone auf dem Haupte ins Land hinausschaut, ist all unser Mühen vergeblich. Sie beten zu ihm, und die Jungfrau sorgt im Himmel dafür, daß Gott uns nicht erhört.

      Das vernahm des Königs erster Büchsenmacher, ein gewalttätiger und abergläubischer Mensch, den es schon lange gekränkt hatte, daß seine Schießkunst so geringen Erfolg hatte. Nun meinte er wohl zu wissen, worin der Grund zu suchen sei. Immer hatte er seinen Stückknechten aufgegeben, die Kirche und besonders das Heiligenbild zu schonen. Jetzt sah er ein, wie sehr er sich durch diese falsche Rücksicht geschadet hatte, und meinte seines Königs Besorgnisse leicht beseitigen zu können.

      So ließ er sich denn von einem Priester Absolution erteilen und stellte eine mächtige Steinbüchse gerade gegenüber dem Chorabschnitt der Marienkapelle und dem wundertätigen Bilde auf. Den Schützen, die ihm zur Hand gingen, wurde bange, denn sie mußten wohl merken, was er vorhatte, und sie warnten ihn ernstlich. Aber er lachte darüber und sagte: Ihr sollt sehen, ihr Narren, daß das Ding von Stein und Ton zusammengeklebt ist und in Staub zerfällt, sobald meine Kugel dagegen fliegt. Wenn aber die Krone am Boden liegt, wird des Ordens Widerstand ein Ende haben und der König in die Burg einziehen. Ruft herbei, so viele mit eigenen Augen sehen wollen, was geschieht. Manchen guten Schuß hab' ich in meinem Leben getan: dieser aber wird mein Meisterschuß sein. Wenn der König mir einen reichen Lohn zahlt, sollt ihr nicht leer ausgehen.

      Da


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