Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

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Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон


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entweder den braven Leuten ihre Bitte um Hilfe abschlagen oder plötzlich meinen Beruf wechseln zu müssen: von Jugend auf hatt' ich immer verteidigt, nun sollt ich anklagen! – Ich nannte ihnen den Quintus Caecilius und berief mich auf seine Amtsthätigkeit in ihrer Provinz. Aber dies Argument, das mir zu Hilfe kommen sollte, entwaffnete mich vielmehr vollständig: viel eher hätten sie mir das peinliche Geschäft erlassen, wenn sie den Caecilius nicht gekannt oder doch nicht als Beamten in ihrem Lande gehabt hätten. 4 (5) Schließlich bestimmten mich moralische Verpflichtung, gegebenes Versprechen, mitleidiges Empfinden, viele bedeutende Vorbilder, alte Beziehungen und die Regeln unserer Ahnen, diese Last zu übernehmen; wahrlich nicht meiner Neigung, sondern meinen Nächsten zuliebe. Nur Eines tröstet mich: diese meine scheinbare Anklage ist in Wahrheit vielmehr eine Verteidigung. Ich verteidige viele Menschen, viele Gemeinden, ja die ganze Provinz Sicilien. Dagegen verklage ich nur einen Menschen; so kann ich meinem Grundsatz, immer nur helfend und lindernd für die Menschheit einzutreten, beinahe treu bleiben. (6) Angenommen, dem wäre nicht so und der Fall nicht von so ganz besonderer Bedeutung; angenommen, die Sicilianer hätten mich nicht aufgefordert und ich wäre ihnen nicht so eng verbunden: hätte ich dann denselben Schritt rein im Staatsinteresse unternommen – wer könnte mir einen Vorwurf daraus machen, daß ich einen so beispiellos schamlosen Räuber vor Gericht ziehe? einen Menschen, der nicht bloß in Sicilien, sondern in Griechenland, Kleinasien, Kilikien, Pamphylien, ja schließlich am ärgsten hier in Rom selber vor unsern Augen gefrevelt hat!

      III. (7) Wahrhaftig, unter heutigen Umständen kann ich dem Staate gar keinen größeren Dienst erweisen; der römischen Nation ist es willkommen, den Alliierten und Ausländern erwünscht, schließlich für alle vom größten materiellen und moralischen Werte. Die Provinzen sind nach langer entsetzlicher Schinderei endlich ruiniert, unsere Bündner und Steuerzahler dermaßen in Elend und Verzweiflung gestürzt, daß sie schon gar nicht mehr auf Rettung hoffen, sondern nur noch an einen Trost für ihr Unglück denken. (8) Wer die Gerichte dem Senatorenstand erhalten wissen will, muß den Mangel an fähigen Klägern erfahren; wer die Fähigkeit dazu besitzt, vermißt bei den Gerichtshöfen die nötige Strenge; indessen braucht das schwergeprüfte Rom nichts so dringend, wie die alte Würde und Bedeutung seiner Gerichte. Den Gerichten zuliebe will man die Amtsgewalt der Volkstribunen im alten Umfange wieder herstellen 5 ; um dem Richteramte wieder aufzuhelfen, will man zu seiner Ausübung jetzt den Ritterstand heranziehen; das jämmerliche Benehmen vieler Richter ist daran schuld, daß sogar der strenge Name »Censor« 6 vor dem Volke nicht mehr so herbe klingt wie früher, sondern man einen Censor verlangt, dem man nach Belieben Gunst und Beifall erteilt. (9) So zerrüttet sind die Verhältnisse: charakterlose Menschen geben all ihrer Willkür Spielraum, das Volk murrt täglich lauter, die Gerichtshöfe sind bestochen, der ganze Stand in der öffentlichen Achtung gesunken – da sah ich die einzige Abhilfe für so viel Übelstände in dem selbständigen Eintreten fähiger, unbescholtener Persönlichkeiten für Gesetz und Recht. Um der Nation im ganzen aufzuhelfen, versuche ich den Staat an seiner wundesten Stelle zu behandeln.

      (10) Soviel über die Veranlassung zu meinem Schritte; nun zum Gegenstand unseres Streites, damit ihr für die Auswahl des Klägers die rechten Gesichtspunkte gewinnet. Meine Grundanschauung ist folgende. Wenn bei einem Prozesse wegen Erpressung mehrere sich zur Übernahme der Anklage melden, so muß man zweierlei herauszubekommen suchen: erstens, wen der geschädigte Teil am meisten und zweitens, wen der Urheber des Schadens am wenigsten wünscht. IIII. (11) Im vorliegenden Falle, find ich, ist beides sehr klar; dennoch muß ich mich über beides verbreiten und zwar zuerst über das wichtigste: die Gesinnung der Geschädigten, um derentwillen dieser Erpressungsprozeß geführt werden soll. Gaius Verres, so heißt es, hat drei Jahre lang die Provinz Sicilien verwüstet, die Gemeinden ruiniert, die Häuser ausgeraubt, die Tempel geplündert. Aus ganz Sicilien sind die Kläger erschienen; sie kennen mich als einen zuverlässigen Menschen und wenden sich Hilfe suchend durch meine Vermittelung an euch und an Roms Gesetze; ich soll ihnen zu ihrem Rechte verhelfen, ihnen Genugtuung verschaffen, sie bei den Behörden vertreten, mit einem Worte: die ganze Sache führen. 7 (12) Was will nun Caecilius vorbringen? daß ich ohne Aufforderung seitens der Sicilianer auftrete, oder daß der ausdrückliche Wunsch unserer treuesten Bündner wirkungslos bleiben soll? Wenn du zu behaupten wagst, was sich dein angeblicher Feind Verres am meisten wünscht, nämlich, daß die Sicilianer mich nicht aufgefordert hätten, so besserst du die Lage dieses deines angeblichen Feindes bedeutend; eigentlich ist er nämlich von der öffentlichen Meinung bereits gerichtet, seitdem der Entschluß fast sämtlicher Sicilianer, überhaupt einen Kläger gegen ihn aufzustellen, bekannt geworden ist. (13) Wenn du nun als sein »Feind« diese Thatsache leugnest, die er selber, so peinlich sie ihm auch ist, dennoch nicht abzuleugnen wagt, so nimm dich in acht; man könnte dir vorwerfen, du zeigest dich etwas zu gemütlich in der Ausübung deiner Feindseligkeiten. Außerdem habe ich meine Zeugen unter den ersten Männern unserer Stadt; alle brauche ich gar nicht aufzuzählen, ich nenne nur einige hier anwesende, sämtlich Leute, vor denen eine Unwahrheit zu sagen mir schlecht bekommen würde. Da ist Gaius Marcellus, Mitglied des Gerichtshofes; da ist Gnaeus Lentulus Marcellinus; auf beide stützen sich die Sicilianer angelegentlich, wie denn die ganze Provinz von jeher dem Namen Marcellus innig verbunden ist. (14) Diese Männer wissen, wie ich nicht nur aufgefordert, sondern so heftig gedrängt wurde, daß ich entweder die Führung übernehmen oder alle meine Beziehungen zu den Leuten abbrechen mußte. Aber wozu führe ich überhaupt Zeugen an, als ob die Sache irgendwie zweifelhaft wäre? Aus der ganzen Provinz sind die vornehmsten Persönlichkeiten hergekommen; sie sind hier zugegen und beschwören den Gerichtshof, doch ja bei der Auswahl ihres Rechtsvertreters nicht anders zu verfahren, als ihr eigener Vorschlag es empfiehlt. Sämtliche Gemeinden von ganz Sicilien haben ihre Abgeordneten geschickt bis auf zwei 8 ; hätten diese zwei es auch gethan, so würden zwei wichtige Klagepunkte wegfallen, in deren Objekt Verres mit ihnen gemeinsame Sache gemacht hat. (15) Warum man sich nun gerade an mich wandte?– Ja, bestünde ein Zweifel, ob man es that oder nicht, so würde ich erklären, warum man es that; da aber alles so klar liegt, daß ihr es mit eigenen Augen sehen könnt, so weiß ich nicht, warum man aus der Wahl, die diese Leute trafen, einen Vorwurf gegen mich ableiten sollte. (16) Natürlich nehme ich mir nicht heraus – weder verliere ich ein Wort darüber, noch möchte ich auch nur irgend eine solche Vorstellung erwecken – daß sie mich all ihren sonstigen Schützern in Rom vorgezogen hätten. Davon ist keine Rede; sondern man zog bei jedem die Zeit, die Gesundheit, die juristische Geübtheit in Betracht. Mein Grundsatz für Theorie und Praxis war hierbei immer: jeder irgend Geeignete übernehme die Sache eher als ich; aber besser ich als niemand.

      V. (17) Somit steht es fest, daß die Sicilianer mich mit der Führung ihrer Klage betraut haben; es erwächst nun die Frage, ob diese Thatsache für den Gerichtshof etwas zu bedeuten hat, ob den Bündnern Roms, die jetzt als Bittsteller zu euch kommen, auch Beachtung geschenkt werden soll, wenn sie zu ihrem Rechte gelangen wollen. Darüber brauche ich nun nicht viel zu reden, wir wissen ja alle, daß das ganze Erpressungsgesetz nur um der Bündner willen gegeben worden ist. (18) Wird ein römischer Bürger beraubt, so erhebt er Civilklage nach Privatrecht; jenes Gesetz ist für die Bündner da, es bildet den Rechtsschutz der Ausländer, es ist für sie eine feste Burg, weniger fest freilich als früher, aber immerhin der einzige Trost, auf den sie noch ihre Hoffnung setzen können: für dieses Gesetz braucht Rom so gut wie die fernsten Völker jederzeit gewissenhafte Hüter. (19) So versteht es sich denn von selbst, daß man das Gesetz nach dem Vorschlage derjenigen anwendet, zu deren Schutze man es gegeben hat. Wenn ganz Sicilien wie ein Mensch reden könnte, es würde sagen: »Alles Gold und Silber, das ich besessen, aller Schmuck meiner Städte, Landsitze und Tempel, alles Recht, das mir Roms Senat und Volk gewährt – alles das hast du, Gaius Verres, mir geraubt. Darum verklage ich dich nach dem Wortlaute des Gesetzes auf einen Schadenersatz von hundert Millionen Sesterzen.« So würde die ganze Provinz reden, wenn sie, wie gesagt, eine Stimme besäße; da sie das nicht kann, so hat sie ihren Sprecher in Gestalt des ihr geeignet scheinenden Vertreters selbst gewählt. (20) Und bei einem solchen Gegenstande sollte jemand unverschämt genug sein, sich in eine ganz fremde Angelegenheit zu mischen, sich gegen den Wunsch der beteiligten Persönlichkeiten der Sache auch nur zu nähern!

      VI. Wenn die Sicilianer zu dir, Caecilius, sagten, »wir kennen dich nicht, wir wissen nicht, wer du


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