Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg

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Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band) - Rosa Luxemburg


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die kapitalistische Produktionsweise, also Lohnarbeit - außer seinen gesamten Auslagen noch einen Überschuß, den Mehrwert ein, der nicht sein Kapital ersetzt, sondern sein Reineinkommen ist, das er ganz verzehren kann, ohne sein Kapital zu beeinträchtigen, also seinen Konsumtionsfonds. Der Kapitalist kann freilich einen Teil dieses Reineinkommens "sparen", ihn nicht selbst verzehren, sondern zum Kapital schlagen. Aber das ist eine andere Sache, ein neuer Vorgang, Bildung eines neuen Kapitals, das auch wieder nebst Überschuß aus der folgenden Reproduktion ersetzt wird. Jedenfalls und stets ist aber das Kapital des einzelnen das, was er zur Produktion als Betriebsvorschuß brauchte, Einkommen das, was er für sich als Konsumtionsfonds verzehrt oder verzehren kann. Nehmen wir nun einen Kapitalisten und fragen, was sind die Löhne, die er seinen Arbeitern zahlt, so wird die Antwort lauten, sie sind offenbar ein Teil seines Betriebskapitals. Fragen wir aber, was sind diese Löhne für die Arbeiter, die sie empfangen. so kann die Antwort unmöglich lauten, sie sind Kapital; für die Arbeiter sind die empfangenen Löhne nicht Kapital, sondern Einkommen, Konsumtionsfonds. Nehmen wir ein anderes Beispiel. Ein Maschinenfabrikant läßt in seiner Fabrik Maschinen herstellen; sein Produkt ist jährlich eine gewisse Anzahl Maschinen. In diesem jährlichen Produkt, in seinem Wert steckt aber sowohl das vom Fabrikanten vorgestreckte Kapital als auch das erzielte Reineinkommen. Ein Teil der bei ihm hergestellten Maschinen repräsentiert somit sein Einkommen und ist bestimmt, im Zirkulationsprozeß, im Austausch dieses Einkommen zu bilden. Wer aber von unserem Fabrikanten seine Maschinen kauft, kauft sie offenbar nicht als Einkommen, nicht, um sie zu konsumieren, sondern um sie als Produktionsmittel zu verwenden; für ihn sind diese Maschinen Kapital.

      "Auf diese Weise verteilt sich der gesamte Wert der Produkte in der Gesellschaft. Ich sage der gesamte Wert; denn wenn mein Profit nur einen Teil des Wertes des Produktes darstellt, an dessen Herstellung ich mitgewirkt habe, so bildet der übrige Teil den Profit meiner Mitproduzenten. Ein Tuchfabrikant kauft einem Pächter Wolle ab; er entlohnt verschiedene Arten Arbeiter und verkauft das Tuch, das so entstanden ist, zu einem Preis, der ihm seine Auslagen zurückerstattet und ihm einen Profit läßt. Er betrachtet als Profit, als Fonds für sein Einkommen in seiner Industrie nur das, was ihm als Reineinkommen bleibt nach Abzug seiner Kosten. Aber diese Kosten waren nichts anderes als Vorschüsse, die er an andere Produzenten der verschiedenen Teile des Einkommens macht und für die er sich aus dem Bruttowert des Tuchs schadlos hält. Das, was er dem Pächter für Wolle bezahlt hat, war Einkommen des Landwirts, seiner Hirten, des Gutsbesitzers, des Pachthofs. Der Pächter betrachtet als sein Nettoprodukt nur das, was ihm verbleibt nach der Abfindung seiner Arbeiter und seines Grundherrn; aber das, was er ihnen bezahlt hat, bildete einen Teil der Einkommen dieser letzteren, es war der Lohn für die Arbeiter, es war der Pachtzins für den Grundherrn, also für den einen das Einkommen aus der Arbeit, für den anderen das Einkommen aus seinem Boden. Und es ist der Wert des Tuches, der das alles ersetzt hat. Man kann sich keinen Teil des Wertes dieses Tuches vorstellen, der nicht dazu gedient hörte, ein Einkommen zu zahlen. Sein ganzer Wert ist so draufgegangen."

      Say belegt diese Theorie in einer ihm eigenen Weise. Während Ad. Smith den Beweis dadurch zu erbringen suchte, daß er jedes private Kapital auf seine Produktionsstätte verwies, um es in bloßes Arbeitsprodukt aufzulösen, jedes Arbeitsprodukt aber, streng kapitalistisch, als eine Summe bezahlter und unbezahlter Arbeit, als v + m auffaßte, und so dazu kam, schließlich das Gesamtprodukt der Gesellschaft in v + m aufzulösen, beeilt sich Say natürlich, mit sicherer Hand diese klassischen Irrtümer in ordinäre Vulgarismen zu verballhornen. Says Beweisführung beruht darauf, daß der Unternehmer in jedem Stadium der Produktion die Produktionsmittel (die für ihn Kapital bilden) anderen Leuten, den Vertretern früherer Produktionsstadien, bezahlt und daß jene Leute diese Bezahlung ihrerseits teils als eigenes Einkommen in die Tasche stecken, teils als Zurückerstattung der Auslagen gebrauchen, die sie selbst vorgestreckt hatten, um noch anderen Leuten ihr Einkommen zu bezahlen. Die Smithsche endlose Kette von Arbeitsprozessen verwandelt sich bei Say in eine endlose Kette von gegenseitigen Vorschüssen auf Einkommen und Zurückerstattungen aus dem Verkauf; auch der Arbeiter erscheint hier als ganz gleichgestellt dem Unternehmer: Er bekommt im Lohn sein Einkommen "vorgestreckt" und bezahlt es seinerseits mit geleisteter Arbeit. So stellt sich der schließliche Wert des gesellschaftlichen Gesamtprodukts als Summe von lauter "vorgeschossenen" Einkommen dar und geht im Austauschprozeß drauf, sämtliche Vorschüsse zu ersetzen. Bezeichnend für die Flachheit Says ist, daß er die gesellschaftlichen Zusammenhänge der kapitalistischen Reproduktion an dem Beispiel der Uhrenproduktion demonstriert - einem damals (und zum Teil heute noch) rein manufakturmäßigen Zweig, in dem die "Arbeiter" auch als kleine Unternehmer figurieren und der Produktionsprozeß des Mehrwerts durch lauter sukzessive Austauschakte der einfachen Warenproduktion maskiert ist.

      Auf diese Weise bringt Say die von Smith angerichtete Verwirrung zum gröbsten Ausdruck: Die ganze von der Gesellschaft jährlich hergestellte Produktenmasse geht in ihrem Wert in lauter Einkommen auf; sie wird also jährlich auch ganz konsumiert. Der Wiederbeginn der Produktion ohne Kapital, ohne Produktionsmittel erscheint als ein Rätsel, die kapitalistische Reproduktion als ein unlösbares Problem.


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