Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
Читать онлайн книгу.Fünftes Kapitel.
Die Geldzirkulation
Bis jetzt haben wir bei der Betrachtung des Reproduktionsprozesses von der Geldzirkulation ganz abgesehen. Nicht vom Geld als Wertdarstellung und Wettmesser; alle Verhältnisse der gesellschaftlichen Arbeit wurden vielmehr als in Geld ausgedrückt angenommen und gemessen. Nun ist es auch notwendig, das gegebene Schema der einfachen Reproduktion vom Standpunkte des Geldes als Austauschmittel zu prüfen.
Wie schon der alte Quesnay annahm, muß zum Verständnis des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses im Besitz der Gesellschaft außer gewissen Produktions- und Konsumtionsmitteln noch eine gewisse Geldsumme vorausgesetzt werden.28 Es fragt sich zweierlei: in wessen Händen und wie groß die Summe sein muß. Das erste, was außer Zweifel ist, ist die Tatsache, daß die Lohnarbeiter ihren Lohn in Geld erhalten, um sich Lebensmittel dafür zu kaufen. Gesellschaftlich läuft das im Reproduktionsprozeß darauf hinaus, daß die Arbeiter bloße Anweisung auf einen bestimmten Lebensmittelfonds bekommen, der ihnen zugewiesen wird wie in jeder Gesellschaft, gleichgültig welcher geschichtlichen Produktionsform. Der Umstand aber, daß die Arbeitenden hier ihre Lebensmittel nicht direkt, sondern durch Warenaustausch kriegen, ist ebenso wesentlich für die kapitalistische Produktionsform, wie daß sie ihre Arbeitskraft nicht direkt auf Grund eines persönlichen Herrschaftsverhältnisses, sondern durch Warenaustausch, nämlich Verkauf der Arbeitskraft, den Besitzern der Produktionsmittel zur Verfügung stellen. Der Verkauf der Arbeitskraft und der freie Kauf der Lebensmittel durch die Arbeiter sind das entscheidende Moment der Kapitalproduktion. Beides drückt sich aus und wird vermittelt durch die Geldform des variablen Kapitals v.
Vor allem kommt also Geld in Zirkulation durch die Auszahlung der Löhne. Die Kapitalisten beider Abteilungen, alle Kapitalisten müssen also vor allem Geld in den Verkehr werfen, jeder im Betrage der von ihm gezahlten Löhne. Kapitalisten I müssen im Besitz von 1.000, Kapitalisten II von 500 in Geld sein, die sie ihren Arbeitern auszahlen. In unserem Schema kämmen auf diese Weise zwei Geldbeträge in Zirkulation: I 1.000 v und II 500 v. Beide werden durch die Arbeiter angelegt in Lebensmitteln, d.h. in Produkten der Abteilung II. Dadurch wird die Arbeitskraft erhalten, d.h. das variable Kapital der Gesellschaft in seiner Naturalform reproduziert - als die Grundlage der übrigen Kapitalreproduktion. Ferner werden zugleich auf diese Weise die Kapitalisten II von ihrem Gesamtprodukt 1.500 los, und zwar 500 an die eigenen Arbeiter, 1.000 an die der anderen Abteilung. Die Kapitalisten II sind durch diesen Austausch in den Besitz von 1.500 Geld gekommen: 500 sind zu ihnen zurückgekehrt als eigenes variables Kapital, das von neuem wird als solches zirkulieren können, also vorläufig seine Bewegung abgeschlossen hat. 1.000 sind her neu erworben aus der Realisierung eines Drittels des eigenen Produkts. Mit diesen 1.000 in Geld kaufen die Kapitalisten II von den Kapitalisten I Produktionsmittel zur Erneuerung des verbrauchten eigenen konstanten Kapitals. Durch diesen Kauf hat die Abteilung II die Hälfte des benötigten konstanten Kapitals (II c) in Naturalform erneuert, dafür ist die eigene Geldsumme, die sie als Löhne an ihre Arbeiter ausgezahlt hatten und die jetzt nach zwei Austauschakten zu ihnen zurückkehrt, um später wieder als variables Kapital fungieren zu können, womit vorläufig die Bewegung dieser Geldsumme erschöpft ist. Die gesellschaftliche Zirkulation ist jedoch noch nicht zu Ende. Noch haben die Kapitalisten I ihr Mehrwertprodukt. das für sie in der ungenießbaren Gestalt von Produktionsmitteln steckt, nicht realisiert, um Lebensmittel für sich zu kaufen, und noch haben die Kapitalisten II die andere Hälfte ihres konstanten Kapitals nicht erneuert. Diese zwei Austauschakte decken sich in Wertgröße wie materiell, denn die Kapitalisten I kriegen die Lebensmittel von der Abteilung II zur Realisierung des eigenen Mehrwerts I 1.000 m, indem sie ihrerseits den Kapitalisten II dafür die diesen fehlenden Produktionsmittel II 1.000 liefern. Indes zur Vermittlung dieses Austausches bedarf es einer neuen Geldsumme Wir könnten zwar die früher in Bewegung gesetzten Geldsummen noch einigemal in Zirkulation werfen lassen, wogegen theoretisch nichts einzuwenden wäre. Praktisch jedoch kommt dies nicht in Betracht, denn die Konsumtionsbedürfnisse der Kapitalsten müssen ebenso ununterbrochen befriedigt werden wie die der Arbeiter, beide laufen also parallel mit dem Produktionsprozeß und müssen durch besondere Geldsummen vermittelt werden. Es folgt daraus, daß die Kapitalisten beider Abteilungen, alle Kapitalisten, außer einem Geldbetrag für das variable Kapital auch noch Vorratsgeld zur Realisierung des eigenen Mehrwerts in Konsumgegenständen in der Hand haben müssen. Andererseits läuft parallel mit der Produktion - also vor der Realisierung des Gesamtprodukts - der fortlaufende Ankauf gewisser Teile des konstanten Kapitals, nämlich dessen zirkulierender Teil (Roh- und Hilfsstoffe, Beleuchtungsmittel usw.). Daraus ergibt sich, daß nicht bloß die Kapitalisten I zur Deckung ihrer eigenen Konsumtion, sondern auch die Kapitalisten II zur Deckung ihres Bedarfs an konstantem Kapital gewisse Geldbeträge in der Hand haben müssen. Der Austausch von I 1.000 m in Produktionsmitteln gegen II 1.000 c in Lebensmitteln wird also durch Geld vermittelt, das zum Teil von den Kapitalisten I für ihre Konsumbedürfnisse, zum Teil von den Kapitalisten II für ihren Produktionsbedarf vorgestreckt wird.29 Von der zu diesem Austausch notwendigen Geldsumme 1.000 mag jede Kapitalistenabteilung je 500 vorstrecken oder sich in anderer Proportion darin teilen; jedenfalls steht zweierlei fest: 1. ihre gemeinsame vorrätige Geldsumme muß ausreichen, den Austausch zwischen I 1.000 m und II 1.000 c zu vermitteln; 2. wie die Geldsumme auch verteilt war, nach dem vollzogenen gesellschaftlichen Gesamtaustausch befindet sich jede Kapitalistengruppe wieder im Besitz der gleichen Geldsumme, die sie in die Zirkulation geworfen hatte. Letzteres gilt ganz allgemein von der gesellschaftlichen Gesamtzirkulation: Nachdem die Zirkulation vollzogen, kehrt das Geld immer zu seinem Ausgangspunkt zurück, so daß nach allseitigem Ausrausch alle Kapitalisten zweierlei erreicht haben: erstens haben sie ihre Produkte, deren Naturalform ihnen gleichgültig war, gegen solche ausgetauscht, deren Naturalform sie, sei es als Produktionsmittel, sei es als eigene Konsummittel, brauchen, und zweitens ist das Geld, das sie selbst zur Vermittlung dieser Austauschakte in den Verkehr geworfen haben, wieder in ihrer Hand.
Vom Standpunkte der einfachen Warenzirkulation ist dies ein unbegreifliches Phänomen. Hier wechseln vielmehr Ware und Geld beständig ihren Platz, der Besitz der Ware schließt den Besitz des Geldes aus, das Geld nimmt ständig den von der Ware geräumten Platz ein und umgekehrt. Das stimmt auch vollkommen für jeden individuellen Akt des Warenaustausches, unter dessen Form die gesellschaftliche Zirkulation vor sich geht. Sie selbst ist aber mehr als Warenaustausch, nämlich Kapitalzirkulation. Für diese ist aber gerade charakteristisch und wesentlich, daß sie das Kapital nicht bloß als Wertgröße mit Zuwachs, nämlich Mehrwert, in die Hände der Kapitalisten zurückführt, sondern daß sie auch die gesellschaftliche Reproduktion vermittelt, also die Naturalform des produktiven Kapitals (Produktionsmittel und Arbeitskraft), und die Erhaltung der Nichtarbeitenden sichert. Da der ganze gesellschaftliche Prozeß der Zirkulation von den Kapitalisten ausgeht, die sowohl im Besitze der Produktionsmittel wie des zur Vermittlung der Zirkulation nötigen Geldes sind, so muß nach jedem Kreislauf des gesellschaftlichen Kapitals alles wieder in ihre Hände, und zwar bei jeder Gruppe und jedem Einzelkapitalisten nach Maßgabe ihrer Einlagen sich zurückfinden. In den Händen der Arbeiter befindet sich das Geld nur vorübergehend, um den Austausch des variablen Kapitals zwischen seiner Geldform und seiner Naturalform zu vermitteln, in den Händen der Kapitalisten ist es die Erscheinungsform eines Teils ihres Kapitals, muß also immer wieder zu ihnen zurückkehren.
Bis jetzt haben wir die Zirkulation nur betrachtet, sofern sie zwischen den beiden großen Abteilungen der Produktion stattfindet. Außerdem sind aber noch übriggeblieben: vom Produkt der ersten Abteilung 4.000 in Gestalt von Produktionsmitteln, die in der Abteilung I verbleiben, um ihr eigenes konstantes Kapital 4.000 c zu erneuern, ferner in der zweiten Abteilung 500 in Lebensmitteln, die gleichfalls in derselben Abteilung verbleiben, nämlich als Konsummittel der eigenen Kapitalistenklasse, im Betrage ihres Mehrwerts II 500 m. Da die Produktion in beiden Abteilungen kapitalistisch, d.h. ungeregelte Privatproduktion ist, so kann die Verteilung des eigenen Produkts jeder Abteilung unter ihre Einzelkapitalisten - als Produktionsmittel der Abteilung I oder als Konsummittel der Abteilung II