Märchen für Kinder. Hans Christian Andersen

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Märchen für Kinder - Hans Christian Andersen


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hinaufsetzen, und dein Los wird so glücklich sein, als du nur irgend wünschen kannst!“

      „O wie herrlich!“ sagte Däumelieschen und klatschte in die kleinen Händchen.

      Da lag eine große, weiße Marmorsäule, welche zur Erde gesunken und in drei Stücke zerborsten war, zwischen ihnen aber wuchsen die schönsten großen weißen Blumen. Die Schwalbe flog mit Däumelieschen hinunter und setzte sie auf eines der breiten Blätter. Aber wer malt ihr Erstaunen: mitten in der Blume saß ein kleiner Mann, so weiß und durchsichtig, wie wenn er von Glas wäre. Die niedlichste goldene Krone hatte er auf dem Kopfe und die prächtigsten hellen Flügel auf den Schultern. Er selbst war nicht größer als Däumelieschen. Es war der Engel der Blumen. In jeder Blume wohnte so ein kleiner Mann oder eine Frau, dieser aber war der König über alle.

      Der kleine Prinz erschrak gewaltig vor der Schwalbe, denn gegen ihn, der so klein und fein war, schien sie ein wahrer Riesenvogel zu sein. Als er aber Däumelieschen gewahrte, ward er gar froh, war sie doch das allerschönste Mädchen, das er bis jetzt gesehen hatte. Deshalb nahm er die Goldkrone von seinem Haupte und setzte sie ihr auf, fragte, wie sie hieße und ob sie seine Gemahlin sein wollte, dann sollte sie Königin über alle Blumen werden.

      Däumelieschen gab dem schönen Prinzen das Jawort, und von jeder Blume kam eine Dame, oder ein Herr, so allerliebst, daß es eine Lust war. Jedes brachte Däumelieschen ein Geschenk, aber das beste von allen waren ein Paar schöne Flügel von einer großen weißen Fliege. Sie wurden Däumelieschen am Rücken befestigt und nun konnte auch sie von Blume zu Blume fliegen. Überall herrschte darüber Freude und die Schwalbe saß oben in ihrem Neste und sang ihnen etwas vor, so gut sie vermochte, aber im Herzen war sie gleichwohl betrübt, denn sie hatte Däumelieschen gar lieb und würde sich nie von ihr getrennt haben.

      „Du sollst fortan nicht mehr Däumelieschen heißen!“ sagte der Engel der Blumen zu ihr, „das ist ein häßlicher Name und du bist so schön. Wir wollen dich Maja nennen!“

      „Lebewohl, lebewohl!“ sagte die Schwalbe, und zog wieder fort aus den warmen Ländern, weit fort nach unserem kalten Himmelsstriche. Dort hatte sie ein kleines Nest oben an dem Fenster, wo der Mann wohnt, der Märchen erzählen kann. Dem sang sie ihr „Quivit, quivit,“ vor. Davon haben wir die ganze Geschichte.

      Die Störche.

      Auf dem letzten Hause eines kleinen Dörfchens befand sich ein Storchnest. Die Storchmutter saß im Neste bei ihren vier Jungen, welche den Kopf mit dem kleinen schwarzen Schnabel, denn er war noch nicht rot geworden, hervorstreckten. Ein Stückchen davon stand auf der Dachfirste starr und steif der Storchvater. Man hätte meinen können, er wäre aus Holz gedrechselt, so stille stand er. „Gewiß sieht es recht vornehm aus, daß meine Frau eine Schildwache bei dem Neste hat!“ dachte er. Und er stand unermüdlich auf einem Beine.

      Unten auf der Straße spielte eine Schar Kinder und als sie die Störche erblickten, sang einer der dreistesten Knaben und allmählich alle zusammen einen Vers aus einem alten Storchliede, so gut sie sich dessen erinnern konnten:

      Störchlein, Störchlein, fliege,

       Damit ich dich nicht kriege,

       Deine Frau, die liegt im Neste dein

       Bei deinen lieben Kindelein:

       Das eine wird gepfählt,

       Das andere wird abgekehlt,

       Das dritte wird verbrannt,

       Das vierte dir entwandt!

      „Höre nur, was die Jungen singen!“ sagten die kleinen Storchkinder. „Sie sagen, wir sollen gebraten und verbrannt werden!“

      „Daraus braucht ihr euch nichts zu machen!“ sagte die Storchmutter.

      Aber die Knaben wiederholten es immer von Neuem und wiesen mit Fingern nach dem Storche. Nur ein Knabe, Peter mit Namen, sagte, es wäre eine Sünde und Schande, sich über die Tiere lustig zu machen, und nahm an ihrem Unfug nicht Teil. Die Storchmutter tröstete ihre Kinder: „Kümmert euch nicht darum!“ sagte sie; „seht nur, wie ruhig und unbekümmert euer Vater dasteht, und zwar auf einem Beine!“

      „Uns ist so bange!“ sagten die Jungen und zogen ihre Köpfe in das Nest zurück.

      Das eine wird gepfählt,

       Das andere wird abgekehlt! —

      „Werden wir wohl gepfählt und verbrannt?“ fragten die Storchkinder.

      „Nein, sicher nicht!“ erwiderte die Mutter. „Ihr sollt fliegen lernen; ich werde euch schon einüben! Dann geht es hinaus auf die Wiese und auf Besuch zu den Fröschen. Das wird eine Lust werden!“

      „Und was dann?“ fragten die Storchkinder.

      „Dann versammeln sich alle Störche, die hier im Lande wohnen und darauf beginnt die große Herbstübung. Da muß man gut fliegen, das ist von großer Wichtigkeit, denn wer nicht fliegen kann, wird von dem General mit seinem Schnabel totgestochen. Lernt deshalb nur fliegen, wenn der Unterricht beginnt!“

      „Dann werden wir aber doch gepfählt, wie die Knaben behaupteten, und höre nur, jetzt sagen sie es schon wieder!“

      „Hört auf mich und nicht auf sie!“ sagte die Storchmutter. „Nach der großen Übung fliegen wir nach den warmen Ländern, weit fort von hier, über Berge und Wälder. Nach Ägypten fliegen wir, wo es dreieckige Steinhäuser giebt, die in einer Spitze zusammenlaufen und bis über die Wolken ragen. Da ist auch ein Fluß, der aus seinen Ufern tritt und das ganze Land mit Schlamm bedeckt. Man geht im Schlamm und ißt Frösche.“

      „O!“ riefen alle Jungen.

      „Ja, da ist es wunderbar schön! Man thut den ganzen Tag nichts Anderes als essen. Und während wir es so gut haben, ist hier zu Lande nicht ein grünes Blatt auf den Bäumen. Hier ist es so kalt, daß die Wolken in Stücke gefrieren und in kleinen weißen Läppchen herniederfallen, was dann die Menschen Schnee nennen.“

      „Zerfrieren denn auch die unartigen Knaben in lauter Stücke?“ fragten die Storchkinder.

      „Nein, in Stücke zerfrieren sie nicht, aber es fehlt nicht viel daran und sie müssen in der dunklen Stube und hinter dem Ofen sitzen.“

      Inzwischen war schon einige Zeit verstrichen, und die Jungen waren so groß, daß sie im Neste aufrecht stehen und sich weit umschauen konnten. Der Storchvater kam jeden Tag mit wohlschmeckenden Fröschen, kleinen Schlangen und allen auffindbaren Storchleckereien geflogen.

      „Hört, nun müßt ihr fliegen lernen!“ sagte eines Tages die Storchmutter, und dann mußten alle vier Junge auf die Dachfirste hinaus. O, wie sie schwankten! Wie sie suchten, sich mit den Flügeln im Gleichgewicht zu erhalten, und doch nahe daran waren, hinunter zu fallen.

      „Seht nun auf mich!“ sagte die Mutter. „So müßt ihr den Kopf halten! So müßt ihr die Beine setzen! Eins, zwei! eins, zwei! Das wird euch in der Welt vorwärts bringen!“ Darauf flog sie eine kurze Strecke und die Jungen machten einen kleinen plumpen Satz. Bums! da lagen sie, denn sie waren noch zu schwerfällig.

      „Ich will nicht fliegen!“ sagte das eine Junge und kroch wieder in das Nest hinein. „Ich mache mir nichts daraus, nach den warmen Ländern zu kommen.“

      „So willst du also hier im Winter erfrieren? Sollen etwa die Knaben kommen und dich pfählen, abkehlen und verbrennen? Dann will ich sie rufen!“

      „O nein!“ sagte das Storchkind und hüpfte dann wieder auf das Dach zu den andern. Den dritten Tag konnten sie schon ordentlich


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