Die Wildente. Henrik Ibsen

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Die Wildente - Henrik Ibsen


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Was! Es heißt ja doch, die Gesellschaft sollte mir zu Ehren sein. Und da hätte ich meinen einzigen und besten Freund nicht bitten sollen —

      Hjalmar. Aber ich glaube, es ist Deinem Vater nicht recht. Ich komme ja sonst nie hier ins Haus.

      Gregers. Ja, das höre ich. Aber ich mußte Dich doch sehen und sprechen; denn ich reise ja doch bald wieder ab. — Ja, Du, — wir zwei alten Schulkameraden — wir sind allerdings recht sehr auseinander gekommen. Wir haben uns an die sechzehn, siebzehn Jahre nicht gesehen!

      Hjalmar. Ist das schon so lange her?

      Gregers. Allerdings. Na, wie geht es Dir denn? Du siehst gut aus. Du bist sehr stark geworden.

      Hjalmar. Hm, stark kann man das wohl nicht nennen. Aber natürlich sehe ich männlicher aus als dazumal.

      Gregers. In der Tat. Dein Äußeres hat nicht gelitten.

      Hjalmar in düsterem Ton. Aber, Du, das Innere! Das sieht anders aus, kannst Du glauben! Du weißt doch, wie schrecklich es mit mir und den Meinen bergab gegangen ist, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.

      Gregers leiser. Wie geht es denn Deinem Vater jetzt?

      Hjalmar scheu. Mein Lieber, da rüber wollen wir lieber nicht reden. Mein armer, unglücklicher Vater lebt natürlich bei mir. Er hat ja auf der weiten Welt keine andere Zufluchtsstätte. Aber, siehst Du, über diese Geschichte zu reden, das fällt mir grauenhaft schwer. — Sag’ mir lieber, wie ist es Dir da oben auf dem Werk gegangen.

      Gregers. Himmlisch einsam habe ich gelebt, — hatte viel Muße, über dies und das nachzudenken. — Komm her, wir wollen es uns bequem machen. Er setzt sich in einen Lehnstuhl am Kamin und nötigt Hjalmar in einen daneben stehenden.

      Hjalmar weich. Trotz alledem sage ich Dir Dank dafür, Gregers, daß Du mich an Deines Vaters Tisch geladen hast; denn nun weiß ich doch, daß Du nichts mehr gegen mich hast.

      Gregers verwundert. Wie kommst Du auf den Gedanken, ich könnte etwas gegen Dich haben?

      Hjalmar. In den ersten Jahren war es doch der Fall.

      Gregers. In welchen ersten Jahren?

      Hjalmar. Nachdem das große Unglück geschehen war. Und es war ja auch nur zu natürlich. Es hing ja doch nur an einem Haar, und Dein Vater wäre mit in diese — o, diese schrecklichen Geschichten hineingezogen worden!

      Gregers. Und deshalb sollte ich etwas gegen Dich haben? Wer hat Dir das eingeredet?

      Hjalmar. Ich weiß, Du hattest etwas gegen mich, Gregers; denn Dein Vater selbst hat es mir gesagt.

      Gregers stutzt. Mein Vater! Ja so. Hm. — Und nur deshalb hast Du nie wieder etwas von Dir hören lassen — kein Sterbenswörtchen?

      Hjalmar. Ja.

      Gregers. Nicht einmal zu der Zeit, als Du Photograph wurdest?

      Hjalmar. Dein Vater sagte, es lohne sich der Mühe nicht, Dir über dies und anderes zu schreiben.

      Gregers sieht vor sich hin. Nein, nein — kann sein, daß er darin recht hatte. Aber sag’ mir jetzt, Hjalmar, — befriedigt Dich Deine Stellung einigermaßen?

      Hjalmar seufzt leicht. Ach ja, weshalb nicht; kann eigentlich nicht klagen. Im Anfang kam es mir freilich ein bißchen seltsam vor, weißt Du. Ich kam ja in so ganz andere Verhältnisse. Aber mein ganzes anderes Leben war ja auch so völlig verändert. Der große unglückselige Ruin meines Vaters, — die Schande und der Skandal, Gregers —

      Gregers bewegt. Jawohl, ja. Jawohl.

      Hjalmar. Meine Studien fortzusetzen, daran konnte ich doch nicht denken. Kein Pfennig war übrig geblieben; im Gegenteil, eher noch Schulden, — zumal bei Deinem Vater, glaube ich —

      Gregers. Hm —

      Hjalmar. Na, also da hielt ich es für das beste, — so mit einem Ruck, siehst Du, — mich aus allen alten Verhältnissen und Verbindungen herauszureißen. Ganz besonders Dein Vater riet mir dazu; und da er sich meiner so hilfreich annahm —

      Gregers. Hat mein Vater das getan?

      Hjalmar. Ja; das weißt Du ja doch? Wo hätte ich denn das Geld hernehmen sollen, um das Photographieren zu erlernen, mir ein Atelier einzurichten und mich zu etablieren. Du, das kostet was!

      Gregers. Und die Kosten für das alles hat mein Vater getragen?

      Hjalmar. Ja, mein Lieber, das weißt Du nicht? Ich verstand ihn so, als hätte er es Dir geschrieben.

      Gregers. Kein Wort, daß er es war. Er muß es vergessen haben. Wir haben immer nur Geschäftsbriefe gewechselt. So, also mein Vater hat —!

      Hjalmar. Ja freilich. Er hat nur nicht gewollt, daß die Leute etwas davon erführen; aber er ist es gewesen. Und er war es auch, der mir das Heiraten ermöglichte. Oder — weißt Du am Ende auch das nicht?

      Gregers. Nein, das wußte ich freilich nicht. — Packt ihn bewegt am Arm. Aber, mein lieber Hjalmar, ich kann Dir nicht sagen, wie das alles mich freut — und mich quält. Vielleicht habe ich meinem Vater doch unrecht getan — in manchen Stücken. Denn, siehst Du, diese Regung ist ja doch ein Zeichen von Gemüt —. Es ist wie eine Art Gewissen —

      Hjalmar. Gewissen?

      Gregers. Jawohl, oder wie Du es sonst nennen willst. Nein, ich finde gar keine Worte für meine Freude, so etwas von Vater zu hören. — Also, Du bist verheiratet, Hjalmar. So weit werde ich es nie bringen. Na, ich hoffe doch, Du fühlst Dich als Ehemann glücklich?

      Hjalmar. O, natürlich. Sie ist eine so tüchtige und brave Frau, wie ein Mann sie sich nur wünschen kann. Und außerdem ist sie nicht ganz ohne Bildung.

      Gregers ein wenig erstaunt. Nein, — das kann sie wohl auch nicht sein.

      Hjalmar. Das Leben, sieh mal, erzieht. Der tägliche Umgang mit mir —; und dann kommen doch auch häufig ein paar begabte Menschen zu uns. Ich versichere Dir, Du würdest Gina nicht wiedererkennen.

      Gregers. Gina?

      Hjalmar. Ja, mein Lieber, hast Du denn vergessen, daß sie Gina hieß?

      Gregers. Wer hieß Gina? Ich weiß ja gar nicht —

      Hjalmar. Aber hast Du denn vergessen, daß sie eine Zeit lang bei Euch in Stellung war?

      Gregers sieht ihn an. Ist es Gina Hansen —?

      Hjalmar. Ja, natürlich ist es Gina Hansen.

      Gregers. — die uns den Haushalt führte im letzten Jahr, wo Mutter krank war?

      Hjalmar. Ja, gewiß. Aber, lieber Freund, ich weiß doch ganz bestimmt, daß Dein Vater Dir über meine Verheiratung geschrieben hat.

      Gregers, der aufgestanden ist. Ja, das hat er freilich getan; aber nicht, daß — Geht im Zimmer auf und ab. Aber wart’ mal; — vielleicht doch — wenn ich mich recht besinne. Aber Vater schreibt mir immer so kurz. Setzt sich halb auf die Armlehne. Du, Hjalmar, sag’ mir mal —; die Sache ist komisch —; wie ist das zugegangen, daß Du mit Gina — mit Deiner Frau bekannt wurdest?

      Hjalmar. O, das war sehr einfach. Gina blieb doch nicht lange hier im Hause; denn hier ging’s damals drunter und drüber; die Krankheit Deiner Mutter —; all das wurde Gina zu viel, und deshalb kündigte sie und ging. Das war ein Jahr vor dem Tode Deiner Mutter, — oder vielleicht war’s auch im selben Jahr.

      Gregers. Es war im selben Jahr. Und ich war damals auf dem Werk oben. Aber was weiter?

      Hjalmar. Ja, da zog Gina wieder zu ihrer Mutter, einer Madam Hansen, einer ungewöhnlich tüchtigen und strebsamen Frau, die eine kleine Gastwirtschaft betrieb. Auch hatte sie noch ein Zimmer zu vermieten; ein recht nettes, gemütliches Zimmer.

      Gregers. Das Du so glücklich warst zu bekommen?

      Hjalmar. Ja. Auch darauf hatte Dein Vater mich aufmerksam gemacht. Und dort, — siehst Du, — dort habe ich Gina recht eigentlich kennen gelernt.

      Gregers.


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