Herzversagen - Ein Schweden-Krimi. Jonas Moström

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Herzversagen - Ein Schweden-Krimi - Jonas Moström


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innerhalb des Gesundheitswesens war er schon lange überdrüssig. Dass es eine Verbindung zwischen Maria Backlund und dem geben sollte, wovon der Bezirksarzt gesprochen hatte, erschien ihm unwahrscheinlich. Aber es gab unbestreitbar viele Fragen, die er Maria Backlund stellen musste, sobald sie aufwachte. Es gibt sicher eine natürliche Erklärung, dachte Jensen. Wie immer in der Wissenschaft.

      Er ging wieder zum Ärzteschreibtisch. Zwei Hilfsschwestern saßen da und kicherten laut über ein paar Fotos, die sie sofort umdrehten, als er näher kam.

      »Alles ruhig?«

      »Ja, abgesehen von einer Überweisung aus Station 8. Ein Chirurgiepatient mit Vorhofflimmern.«

      »Ich übernehme ihn«, sagte Jensen und nahm den gelben Überweisungszettel in die Hand.

      Jensen verbrachte die Stunden bis zur morgendlichen Visite damit, die Patienten zu behandeln, die in der Notaufnahme ankamen und im Haus weiter untersucht werden sollten. Währenddessen überlegte er die ganze Zeit, was hinter dem dramatischen Herzstillstand stecken konnte. Das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, kehrte immer wieder. Aber er musste sich gedulden.

      Der nächste Tag würde sicher Antworten auf seine Fragen im Fall Maria Backlund bringen.

      Kapitel acht

      Erik Jensen schaffte es, wach zu bleiben, genau wie er es sich vorgenommen hatte.

      Er saß im Konferenzzimmer der Notaufnahme 9 und wartete auf die Morgenvisite. Der Schlafmangel machte sich langsam bemerkbar, und er hatte während der letzten Stunde vier Tassen Kaffee getrunken. Der Effekt war mäßig. Mit müden Augen sah er aus dem Fenster. Zwei Frauen in der offiziellen blauen Arbeitskleidung standen vor der Patientinnenannahme der Geburtsstation und rauchten. Jensen hatte es schon zu oft gesehen, als dass er noch darauf reagierte.

      Klinikchef Bolinder kam herein. Er setzte sich auf seinen Platz am Tisch und schlug den ersten Visitenordner auf. Wie immer trug er ein gebügeltes, weißes Hemd und einen stramm gebundenen Schlips. Er zog seinen schwarzen Füller mit einem solchen Ernst aus der linken Brusttasche seines Arztkittels, dass man an einen Ritter erinnert wurde, der im Kampf sein Schwert zieht. Zu beiden Seiten Bolinders saß je eine Schwester mit einem Stapel Krankenberichte.

      »Sie sehen aus, als hätten Sie Ihre Pflicht erfüllt«, sagte Bolinder und nickte in Jensens Richtung, während er gleichzeitig demonstrativ den Daumen über den Papierstapel mit den Patientenaufnahmen der Nacht zog.

      »Ich habe nicht gerade sanft geschlummert«, antwortete Jensen.

      Die Morgenbesprechung des Mittsommertages verlief ohne größere Überraschungen. Jensen bewegte seine Füße unterm Tisch hin und her, um sich wach zu halten. Er antwortete kurz und sachlich auf die wenigen Fragen, die Bolinder stellte. Erik Jensen war ein kompetenter Internist und Kardiologe, der in der Klinik einen sehr guten Ruf hatte, sogar bei Bolinder, der ansonsten in seinem Urteil ziemlich hart war. Jensen würde außerdem bald mit seiner Doktorarbeit fertig sein, die er gemeinsam mit einem Professor vom Karolinska Institut schrieb. Obwohl erst dreiunddreißig, war er der strahlendste Stern in der Klinik und hätte mit Leichtigkeit überall im Land eine Stelle bekommen – und sich damit einen Traum erfüllen können. Das Problem war, dass seine Frau Sara Sundsvall auf gar keinen Fall verlassen wollte. Sie hatte alle ihre Freunde und ihre ganze Familie in der Nähe, besonders ihre Mama. Und seit ihre Tochter Erika vor acht Monaten geboren worden war, stand ein Umzug ohnehin nicht mehr zur Diskussion.

      Jensen ließ seinen Gedanken freien Lauf, während er darauf wartete, dass Maria Backlund auf die Tagesordnung kam. Es dauerte zwei Stunden und vierundzwanzig Patienten, bis Bolinder den Daumen befeuchtete und zum letzten Mal in dieser Sitzung umblätterte.

      »Maria Backlund, sechsundsechzig geboren«, sagte er mit seiner unermüdlichen Stimme. »Kam im Krankenwagen wegen eines Herzstillstandes.«

      Bolinder grübelte lange schweigend über dem Bericht.

      »Das haben Sie gut gemacht, Erik«, sagte er schließlich. »Gibt es eine Erklärung für den Stillstand?«

      »Nein«, sagte Jensen. »Aber ich hatte noch keine Zeit, mit der Patientin zu sprechen.«

      »Merkwürdige Geschichte«, sagte Bolinder und wandte sich den Krankenschwestern zu. »Haben Sie dem noch etwas hinzuzufügen?«

      Die Gesprächigere der beiden, die ein handgemaltes Namensschild aus Holz mit dem Namen Eva trug, antwortete:

      »Eigentlich nicht. Die Patientin war so müde, dass sie sofort eingeschlafen ist. Und die große Schwester so aufgeregt, dass nichts Vernünftiges aus ihr herauszubekommen war. Wir haben ihr dann schließlich fünf Milligramm Oxazepam gegeben, damit sie sich beruhigt.«

      Bolinder runzelte die Stirn und vergrub sich wieder in den Bericht.

      »Alle Blutwerte sehen gut aus, abgesehen von den üblichen Auffälligkeiten durch zu langes Stauen bei der Blutabnahme, die sich jetzt wieder normalisiert haben. Das EKG zeigt keine Arrhythmien oder andere Abweichungen. Der niedrige Puls kann ein Zeichen dafür sein, dass sie viel Sport treibt. Wurde ein Herzultraschall gemacht?«

      Wieder antwortete Schwester Eva.

      »Ja, der wurde gemacht. Thorstenson war heute früh da.«

      Sie holte ein Blatt Papier hervor, an dessen eine Ecke kleine, schwarzweiße Fotokopien geheftet waren.

      »Völlig normale Werte«, stellte Bolinder fest.

      Er tippte mit dem Stift auf den Tisch und dachte nach.

      »Kniffliger Fall. Mit ihrem Herz ist jedenfalls alles in Ordnung. Sie kann nach Hause gehen und soll in zwei Wochen zur Nachuntersuchung in meine Sprechstunde kommen.«

      Jensen reagierte instinktiv.

      »Sollte sie nicht zur Beobachtung bleiben? Wäre es nicht sinnvoll, nach einem Grund zu suchen, bevor wir den Fall ruhen lassen?«

      Bolinder hob den Blick. Die Augenbrauen nahmen wieder ihre spitze Form an.

      »Sie wissen genauso gut wie ich, wie sehr wir überbelegt sind. Wir haben einfach keinen Platz für gesunde Patienten.«

      Jensen sah ein, dass es keine gute Idee wäre, den Beschluss in Frage zu stellen. Bolinder setzte die Kappe auf seinen Füller und steckte ihn wieder in die Brusttasche. Alle am Tisch wussten, dass dies das Signal zum Ende der Besprechung war und dass nun die vormittägliche Kaffeepause anstand. Rund um den Tisch hörte man kleine Aufbruchsgeräusche, Stuhlbeine wurden über den Boden geschoben, Notizbücher und Ordner raschelnd eingesteckt.

      Die beiden Krankenschwestern nahmen jeweils ihren Visitewagen, und als sie an Jensen vorbeikamen, schnappte er sich Maria Backlunds Unterlagen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Bolinder in Richtung des Flurs marschierte, mit seinem Hofstaat im Schlepptau.

      Jensen fand die richtige Tür und schaute durch das rechteckige Plexiglasfenster hinein. Maria Backlund und ihre Schwester saßen jeweils auf ihrem Bett und sprachen miteinander. Jenson klopfte an und trat ein.

      »Guten Morgen, mein Name ist Erik Jensen. Ich bin Arzt hier und habe Sie gestern Nacht behandelt.«

      Maria Backlund, die näher an der Tür saß, hob ein leeres Frühstückstablett vom Bett.

      »Hallo. Kommen Sie doch herein.«

      Jensen setzte sich in den einzigen Besuchersessel des Zimmers. Obwohl die Jalousien heruntergezogen waren, schien die Morgensonne hinein und warf Flecken auf die gelben Gipswände. Jensen fiel auf, dass Maria Backlund fast genauso blass war wie bei der Einlieferung in die Notaufnahme. Sie war klein und schmal, sah sehnig und durchtrainiert aus. Ihr Gesicht strahlte Stärke aus, der Blick war ehrlich und wach. Große, rote Locken fielen auf ihre Schultern. Jensen konnte sich nicht erinnern, je so auffallende Haare gesehen zu haben. Maria Backlund goss Hagebuttentee aus einer rostfreien Kanne, die auf dem Nachttisch stand und nippte nachdenklich daran.

      »Ich weiß eigentlich gar nicht, was passiert ist«, sagte sie. »Sie haben gesagt, dass ich eine Weile weg war?«

      Jensen


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