Die schwarze Tulpe. Alexandre Dumas

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Die schwarze Tulpe - Alexandre Dumas


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streitig zu machen. Der so glücklich war, an die Leichname zu gelangen, schnitt dann in aller Eile ein Glied, oder auch nur einen Theil der Haut weg. Mit wüthendem Geheul, diesen Beweis seines Heldenmuthes hoch über dem Kopfe schwingend, stürzte er dann fort, um sein geraubtes Gut in den entferntern Gassen, theilweise in Stücken zu verkaufen.

      Der junge, blasse Mann hatte, wie wir es bereits sagten, gleich nach dem Falle Johann’s, den Fensterladen, jedoch nur so zugeschlossen, daß noch immer seine offen gebliebene Spalte, die freie Aussicht gewährte. Ob er hinter dieser dem ganzen Vorfalle beiwohnte, ob er sich in alle diese Gräuel mit demselben Gefühl eines befriedigten Wunsches wie vorher vertiefte, können wir nicht mit Gewißheit sagen. Nur als man die Unglücklichen gehängt, und ein großer Theil des Volkes sich bereits verlaufen hatte, schloß er das Fenster ganz, kam auf die Gasse, und schritt durch die von dem vorliegenden Schauspiele noch in Anspruch genommene Menschenmenge unbeachtet, nach dem Tol-Hek.

      »Ah, mein Herr,« rief ihm der Pförtner schon von weiten entgegen, »bringt Ihr mir endlich den Schlüssel!«

      »Hier hast Du ihn, mein Freund,« und Wilhelm überreichte dem Fragenden den verlangten Gegenstand.

      »O, was für ein entsetzliches Unglück habt Ihr bereitet, daß Ihr so spät kommt. Nur eine halbe Stunde früher, und Alles wäre gut gewesen.«

      »Warum?«

      »Die beiden Herren von Witt, Cornelius auf seiner Fahrt in’s Exil, und sein Bruder Johann, der ihn begleitete, wollten hier durch. Hätte ich aufmachen können, dann wären sie gerettet worden, so mußten sie umkehren, fielen ihren Verfolgern in die Hände, und das Andere werdet Ihr schon wissen.«

      »Aufgemacht das Thor, aufgemacht,« rief aus der Ferne eine helle, kräftige Stimme.

      Wilhelm von Oranien wandte sich um, und erblickte mit einer Mischung von Staunen und Unwillen den Obersten van Deken.

      »Wie, Oberst, Ihr seid noch da! Ich dachte Euch bereits weit weg von Haag. Das nenne ich meine Befehle schlecht vollziehen.«

      »Eure Hoheit! es war mir unmöglich. Dies ist nun das dritte Thor, an dem ich vergebens einen Ausgang suche. Sie sind alle verschlossen, und jeder Pförtner erklärte, man habe ihm den Schlüssel genommen.«

      »Wohl möglich. Aber dieser biedere Mann hier wird uns ohne Anstand öffnen.« Hierauf wandte er sich an den Alten, der zitternd, die Mütze in der Hand, dastand. Das einzige Wort, Hoheit, hatte ihm so eingeschüchtert, daß er es unerklärbar fand, wie sich ein so unendlich hoher Stern, in dem frühern vertrauten Tone, habe mit ihm unterhalten können.

      »Mach auf, guter Freund!«

      Mit der größten Eile, um wahrscheinlich seine tiefe Ergebenheit zu zeigen, schloß der Pförtner auf, und bald öffnete sich das Thor, in seinen Angeln knarrend.

      Befehlt Ihr mein Pferd, gnädigster Herr,« fragte van Deken den Prinzen.

      »Nein, Oberst, danke Euch, ich habe ein Pferd: hierin der Nähe, ich werde nur dieses reiten.«

      Hierauf zog er ein goldenes Pfeifchen hervor, und bald ertönte ein lang gedehnter, gellender Pfiff. Wenige Augenblicke darnach, sprengte von einem Seitenwege einbiegend, ein Stallmeister, ein zweites Pferd an der Hand, dem Harrenden entgegen.

      Mit einer Leichtigkeit und Gewandtheit, die man dem blassen, schwächlichen, jungen Manne gar nie zugetraut hätte, schwang sich dieser ohne Steigbügel in den Sattel, und dem Pferde die Sporn in die Weichen drückend, flog er der Straße nach Leyden zu.

      Als er an dem Punkte angelangt war, wo diese in die Hauptstraße mündete, sah er nach rückwärts.

      Der Oberst war, dasselbe Tempo annehmend, um Pferdeslänge hinter ihm geblieben.

      Durch ein mit der Hand gegebenes Zeichen bedeutete er ihm, an seine Seite zu kommen.

      »Ihr werdet es wohl schon wissen,« sprach er, als Letzterer herangeritten war; »daß die Wütheriche den Johann von Witt auf eine eben so schauderhafte Weise, wie seinen Bruder ermordet haben.«

      »Gnädigster Herr!« erwiderte der Obrist kalt, aber mit niedergeschlagenem, gesenktem Haupte, »es wäre mir in jeder Beziehung lieber und wünschenswerther, wenn Euer Hoheit diese beiden, sich der Statthalterschaft allein entgegenstellenden Hindernisse, noch zu überwältigen hätten.«

      »Ich glaube selbst, es wäre besser, wenn sich jener furchtbare Vorfall nicht ereignet haben würde, aber was geschehen, und zwar, ohne unserm Wissen, oder einer Mitwirkung geschehen ist, können wir leider nicht mehr ungeschehen machen. Aber beeilen wir uns, Oberst, noch früher nach Alphen zu kommen, bevor dort die Ordre der Stände anlangt, die mich sicher in das Feld schicken würden.«

      Van Deken verneigte sich, und lies dem Prinzen wieder einen kleinen Vorsprung, seinen früher innegehabten Platz einnehmend.

      Wilhelm warf noch einmal einen scheuen Blick um sich, und dann gleichsam, als wolle der auf seinem Antlitze ausgeprägte Grimm sich durch Worte Luft machen, murmelte er zwischen den Zähnen: .

      »Nur einen Wunsch habe ich jetzt noch, den, Ludwig XIV. zu sehen, das Antlitz dieser Sonne, wie es sich in Falten legen und wüthen wird, wenn er das Schicksal seiner Freunde erfährt. O, Sonne! O du glänzender Sterns deine Strahlen erleuchten einen großen Raum, aber jetzt erwacht Wilhelm von Oranien, gebe acht, daß dein Glanz nicht verdunkelt wird.«

      Seine Augen hatten sich zusammengezogen, ein:furchtbarer Blick blitzte zwischen den halbgeschlossenen Wimpern hervor, die Lippen fest aneinander gepreßt, gab er dem Pferde die Sporne mit aller Gewalt, daß dieses nunmehr dem Winde gleich, dahinsauste.

      Und dieser junge Prinz, dieser erbittertste Feind Ludwig XIV. vor einer Stunde noch das unmündige Kind, fühlte sich nun, wo ihm die Leichen der Brüder von Witt, den Weg zur Macht und Hoheit gebahnt hatten, so stolz und übermüthig, daß er die ganze Welt, kühn in die Schranken gefordert hätte.

      Auch er hatte Blut gesehen.

      V.

       Der Tulpenliebhaber und dessen Nachbar.

      In der Zeit, wo die Bürger von Haag ihre blutige Aufgabe glänzender, als man es erwarten konnte, gelöst, und sich, nachdem nichts mehr zu sehen, zu hören oder zu kaufen war, auch wieder ganz gemüthlich, als kehre man von einem Feste heim, in ihre Wohnungen zurückgezogen hatten, in eben dieser Zeit, wo der Prinz von dem Obersten, van Deken, begleitet, auf der Straße nach Leyden galoppirten, mißmuthig, einem Manne sein ganzes Vertrauen geschenkt zu haben, der sich beim Anblicke einiger Blutstropfen so gemüthlich, ja beinahe weichherzig zeigte, gerade zu dieser Stunde sah man aus der Straße, die zu dem Hafen der Schelde führt, einen mit Staub bedeckten Reiter, dessen Blick forschend und beinahe ängstlich einen heiß ersehnten Punkt zu erspähen suchte.

      Es war Craecke, der treue Diener, der gleich nach Erhalt des ihm von Cornelius übergebenen Auftrages fortgeeilt war, die Thore noch glücklich offen gefunden hatte, und nunmehr aus dem schweißtriefenden Pferde, längst der mit Bäumen besetzten Straße dahin flog, ohne im geringsten das entsetzliche Schicksal, das seinen Gebieter ereilte, zu ahnen. An dem Hafen der Schelde angelangt, ließ er sein Pferd um jeden Verdacht zu vermeiden, in einem Wirthshause zurück, und bestieg eines jener Schiffe, die stets den kürzesten Weg einschlagend, die langen und ausgedehnten Krümmungen des Flusses durchschneiden, und den Reisenden in wenigen Stunden, nach der reizenden und anmuthigen Insel führen, deren Ufer von den Wellen gleichsam geliebkost, mit blühenden Gewächsen und Kräutern übersät, und von fetten Herden angefüllt, einen malerischen Anblick gewähren.

      Und hier am Fuße eines Hügels, um den sich in gleichen Zwischenräumen, Tag und Nacht in voller Thätigkeit klappernde und schnarrende Mühlen lagern, hier liegt Dortrecht. Es ist eine wunderschöne, eine von jenen erhabenen Aussichten, die uns in den vorliegenden Gegenständen die Ruhe und majestätische Stille der Natur, ihren Frieden, beurkundet. Weit hin erglänzen in den Strahlen der aufgehenden Morgensonne die netten,


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