Verkaufen in digitalen Zeiten. Lars Schäfer

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Verkaufen in digitalen Zeiten - Lars Schäfer


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Metro die Mehrheitsanteile an Emmas Enkel, und die beiden Geschäftsführer stiegen aus dem Tagesgeschäft aus. Über deren Motivation zu diesem Schritt kann nur gemutmaßt werden. Es scheint allerdings klar zu sein, dass mit dieser Übernahme der muffig anmutende Wind der Old Economy durch die kleinen Läden geweht ist: Kaum war die Übernahme perfekt, wurden die Offline-Läden geschlossen, »da unsere Daten-Analysen klar gezeigt haben, dass online der erfolgversprechendste Kanal für Emmas Enkel ist – deshalb konzentrieren wir uns darauf«.

      So ließ es jedenfalls Gabriele Riedmann de Trinidad verlauten, ihres Zeichens »Group Director Business Innovation« bei der Metro. Verzeihen Sie mir bitte diese vertrackten englischen Ausdrücke, aber erstens wird die Dame konzernintern so bezeichnet, und zweitens ist dieser ganze Vorgang leider auch bezeichnend: Da wird eine neue Idee, die sehr vielversprechend begann und vor allen Dingen auf Werten basierte, die jenseits des Shareholder-Value-Denkens ihren Ursprung hatten, mal eben durch den Reißwolf des Controllings gejagt – und heraus kommt die Schlussfolgerung, dass das Online-Geschäft die Marge optimiert und deshalb die Läden geschlossen werden müssen.

       Dass hierbei die Seele des Geschäfts und damit die Tragfähigkeit für die Zukunft zerstört wird, ist in Big Data leider nicht vorgesehen.

      Ich finde das sehr schade, zumal hier ein sehr originelles und meiner Meinung nach auch für den gesamten Einzelhandel tragfähiges Erfolgskonzept der reinen Margenoptimierung zum Opfer gefallen ist. Dieser Fall zeigt allerdings, dass die großen Konzerne händeringend den weltweiten Anschluss schaffen wollen. Wie und mit welchen Konsequenzen, ist scheinbar egal, Hauptsache es klingt digital.

       Hallo, liebe Marktlücke »Sofortness«!

      Dass es auch anders geht und es auch im deutschsprachigen Raum Unternehmen gibt, die mit ihrem disruptiven Geschäftsansatz Erfolg haben, beweisen unter anderem Restaurant-Dienstleister wie Booka-Table und OpenTable. Diese Firmen haben eine Marktlücke für sich entdeckt, die sowohl den Restaurantbesuchern als auch den Restaurantbetreibern nutzt: Über die jeweilige App oder auch über den PC können Sie sich ein schickes Restaurant aussuchen und direkt aus der Anwendung heraus Ihren Tisch reservieren. Nach dem Abschluss Ihrer Buchung bekommen Sie eine E-Mail oder eine SMS mit den Adressdaten des Restaurants, Ihren eingegebenen Daten wie Uhrzeit und Personenzahl, eine Anfahrtsbeschreibung und Hinweise auf Parkplätze, öffentliche Verkehrsmittel und noch einige Annehmlichkeiten mehr. Einfacher und bequemer geht es kaum. Für die Restaurantbetreiber bedeutet das natürlich eine höhere Auslastung und bessere Planbarkeit, was für jeden Unternehmer ein erstrebenswertes Ziel ist. Hier wird einerseits der Trend bedient, dass viele Menschen das Thema »Sofortness« auch und gerade im privaten Bereich ausleben und gleichzeitig sicherstellen wollen, dass sie nicht umsonst zu ihrem ausgesuchten Restaurant fahren müssen, weil kein Parkplatz mehr frei ist oder weil man eine Stunde auf den nächsten Tisch warten muss. Zudem bietet dieses System auch Unternehmen, die ihre Kunden zum Essen einladen wollen, eine einfach zu handhabende und verbindliche Buchungsplattform.

      Hier ist die Verschmelzung zwischen On- und Offline-Welt bereits vorangekommen, und sie wird noch viel weiter fortschreiten. Wie wäre es denn mit einem Fitness-Armband, das spürt, wann Sie Nahrung zu sich nehmen sollten, und Ihnen darum Restaurants oder andere Verpflegungsmöglichkeiten anzeigt, die Sie dann über eben diese Plattformen buchen können? Der Gedanke ist bei den technischen Möglichkeiten, die es jetzt schon gibt, gar nicht mal so abwegig: Die Fitness-Armbänder und die Reservierungsmöglichkeiten gibt es bereits, und der Rest ist nur noch eine Frage der Fantasie und der Programmierung – alles Weitere wird der Markt entscheiden.

      Aber bevor der digitale Gaul vollkommen mit mir durchgeht, lassen wir doch einmal jemanden zu Wort kommen, der bereits mittendrin statt nur dabei ist: Daniel Simon ist Deutschland-Geschäftsführer der oben erwähnten OpenTable GmbH. Ich habe ihm ein paar Fragen zur digitalen Entwicklung in seinem Unternehmen gestellt, lesen Sie hier seine spannenden Antworten:

       Der tägliche persönliche Kontakt zwischen Mitarbeitern und Gästen bleibt entscheidend

      LARS SCHÄFER: Herr Simon, was genau macht Ihr Unternehmen?

      DANIEL SIMON: OpenTable ist der weltweit führende Anbieter für Online-Restaurant-Reservierungen. Seit der Gründung im Jahr 1998 in den USA hat OpenTable mehr als 20 Millionen Reservierungen weltweit pro Monat bei circa 38 000 Restaurants vermittelt und hat seitdem bereits über einer Milliarde Gästen zu einem Tisch verholfen. Seit 2007 sind wir in Deutschland vertreten und haben schon über 17 Millionen Gäste bei circa 2100 buchbaren Restaurants vermittelt.

      LARS SCHÄFER: Wie digital ist Ihr Geschäft und wie digital sind Ihre Kunden bereits? Wie hat sich das Geschäft verändert?

      DANIEL SIMON: Wenn wir bei OpenTable von Kunden sprechen, sind das einmal die Restaurants und darüber hinaus unser globales Gäste-Netzwerk, das unseren Service nutzt. Als ich 2008 in Deutschland zum ersten Mal mit Gastronomen und Hoteliers über das Thema »Online-Reservierungssysteme sowie die Online-Tischreservierung« über die eigene Webseite im Generellen gesprochen habe, war dies für Gäste und Gastronomen noch nicht wirklich vorstellbar. Heute arbeiten die Marktführer unserer Branche zum Großteil digital, aber ehrlich gesagt tun sich viele Gastronomen schwer, ihr gesamtes Gäste- und Reservierungsmanagement operativ vollständig zu digitalisieren: Noch nicht einmal 20 Prozent der gesamten Gastronomie in Deutschland arbeiten heute mit einem digitalen Reservierungsbuch. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die meisten Gäste immer noch telefonisch reservieren oder einfach im Restaurant vorbeigehen, wobei sie in der Regel auch einen Platz bekommen. Genau aus diesem Grund bieten wir unterschiedliche Lösungen an, um der unterschiedlichen Nutzung beziehungsweise Nachfrage gerecht zu werden. Wir wollen die Branche Schritt für Schritt an die Digitalisierung heranführen und sie dabei unterstützen, sich operativ dem geänderten Buchungsverhalten der Gäste anzupassen, da heute der Service digital genauso reibungslos funktionieren muss wie vor Ort im Restaurant, denn das gehört zum Gesamterlebnis dazu.

      Der Grund, warum sich viele Restaurantbetreiber noch nicht mit den Chancen und Risiken für ihren eigenen Betrieb beschäftigt haben, ist die fehlende Zeit, sind die fehlenden Ressourcen. Deshalb ist zum Beispiel bei vielen Restaurants der Internetauftritt, etwa bei Facebook, und die generelle Aktualität von Daten und Verfügbarkeit nicht gegeben, obwohl viele Gäste genau diesen Service erwarten, weil sie es schon von so vielen anderen Online-Erlebnissen gewöhnt sind.

      Nicht ohne Grund hat uns Priceline im Jahr 2014 übernommen, da die globale Nachfrage nach dem richtigen Restauranterlebnis nach einer Flug-, Hotel- und Mietwagenbuchung sowohl für Geschäftsreisende als auch für Touristen so enorm gestiegen ist, und genau an dieser Stelle ist unser Service so wertvoll geworden: Gästen und Restaurants in Echtzeit durch verifizierte Gästebewertungen und Empfehlungen bei der Restaurantsuche das Leben zu erleichtern.

      Diese Chancen haben natürlich auch schon viele Marktbegleiter erkannt, und hierdurch erhalten Restaurants mehr und mehr digitale Reservierungsanfragen über die verschiedensten Kanäle. Die Online-Vermarktung wird für Gastronomen immer wichtiger, sie brauchen neue Lösungen, um mit der digitalen Nachfrage operativ umgehen zu können, da das Umsatzpotenzial enorm ist.

      LARS SCHÄFER: Wie digital wird Ihr Bereich Ihrer Meinung nach noch werden und wie lange wird das dauern?

      DANIEL SIMON: In der Gastronomie allgemein wird es sicherlich noch digitaler werden, da das Wachstum und die Serviceerwartung der Gäste weiter rasant zunehmen werden, aber in Deutschland selbst wird es sicherlich noch einige Jahre dauern. Es braucht einfach Zeit, bis sich die festgefahrenen Gewohnheiten im Arbeitsablauf verändern. Ich nenne als Beispiel die Auslastung der Restaurants: Viele Betriebe haben noch Öffnungszeiten, die den wirklichen Auslastungszeiten nicht mehr entsprechen, was schon längst hätte geändert werden können. In Zukunft werden die Restaurants kürzer geöffnet haben, da die Gäste generell mehr zu Hause oder bei Freunden essen werden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass jemals der tägliche persönliche Kontakt zwischen


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