Western Sammelband 4 Romane: Wo die Wölfe warten und andere Western. Alfred Bekker

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Western Sammelband 4 Romane: Wo die Wölfe warten und andere Western - Alfred Bekker


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      2

      Dem Zug gelang es nicht rechtzeitig anzuhalten. Die aus ihrem Bett gesprengten Gleise und Schwellen sorgten dafür, dass die Lokomotive seitlich ausbrach. Ihre durch die Bremsen blockierten, Funken sprühenden Räder frästen sich mit einem schabenden, ohrenbetäubenden Geräusch in den steinigen Boden hinein. Schließlich blieb die Lok stehen.

      Der Kohlenwagen verkeilte sich in ihr, sodass der darauf folgende Waggon ebenfalls aus den Gleisen sprang und sich quer stellte. Überall im Zug schrien Menschen.

      Bremser und Heizer luden ihre Gewehre und zielten auf die Reiter, die in weit auseinander gezogener Angriffsreihe den Hang herab galoppierten. Der Lokführer war mit seiner Dampfmaschine beschäftigt. Keiner der drei bemerkte rechtzeitig die beiden Revolvermänner, die dicht an Räder und Kessel gepresst an das Führerhaus heranschlichen.

      Dann drei Schüsse aus Revolvern – der Bremser war sofort tot, der Heizer ließ das Gewehr fallen und hielt sich stöhnend die Schulter fest und der Lokführer streckte beide Arme in die Luft. „Nicht mehr schießen! Bitte!“

      Die Reitermeute der Angreifer näherte sich schnell. Schon waren die ersten an der Trasse. Aus einem der hinteren Wagen kam Widerstand. Mehrere Schüsse peitschten in Richtung der maskierten Reiter. Die Kugeln der Verteidiger rissen zwei von ihnen aus den Sätteln.

      Die anderen feuerten um so heftiger zurück.

      Ihre Kugeln heulten Hang abwärts, schlugen durch das dünne Sperrholz, aus dem die Wände der Waggons gefertigt waren, durchlöcherten sie förmlich. Manchmal mischten sich heisere Schreie in den Schusslärm.

      Nach kurzer Zeit war der Widerstand gebrochen.

      Weder ein Schuss noch ein Schrei drang jetzt noch aus dem letzten Waggon. Nur heisere Flüche, leises Stöhnen, jämmerliches Wimmern.

      Vor dem Waggon hörte man bald die rauen, durch die Tücher gedämpften Stimmen der Maskierten. „Na los, mach ein Ende!“, blaffte einer und ein anderer fragte: „Bist du sicher?“ und dann die laute Antwort: „Wir gehen kein Risiko ein – die verfluchten Hunde haben es ja nicht anders gewollt!“

      Einer der Maskierten ritt mit einer Dynamitstange in der Hand an ein geborstenes Fenster des letzten Waggons heran. Der Mann riss ein Streichholz an und entzündete die Lunte. Er holte aus und schleuderte die Dynamitstange durch das zerbrochene Fenster ins Innere des Waggons.

      Der Maskierte gab seinem Pferd die Sporen, beugte sich tief über den Hals seines Pferdes. Hinter den anderen her galoppierte er zum Mittelteil des Zuges.

      Sekunden später die Explosion: Ein Glutball füllte für Sekunden den Waggon aus. Ein Teil des Daches wurde weggesprengt. Glas splitterte. Vorn und hinten flogen die Türen aus ihren Halterungen.

      „Das dürfte reichen!“, rief einer der Maskierten.

      „Verdammte Bastarde!“

      Inzwischen hatte die gesamte Bande den Zug erreicht. Die Maskierten verteilten sich, sprangen von den Pferden und bestiegen die Waggons, um Waffen und Wertsachen einzusammeln.

      Insgesamt zählten die Banditen gut hundert Mann. Ein Dutzend von ihnen versammelten sich um den Frachtwaggon, der hinten an den Zug angehängt worden war. Darunter auch jener Mann, der die Befehle gab und offenbar ihr Anführer war.

      Das schwarze Tuch bedeckte sein Gesicht bis unter die Augen. Unter dem dunklen Filzhut quoll graues Haar hervor, das ihm fast bis zu den Schultern reichte. Er trug eine Lederweste und ein Doppelholster, bei dem die Griffe der Revolver nach vorn gerichtet waren. Am Ringfinger der linken Hand trug er einen goldenen Ring mit einem schwarzen Stein.

      Er nahm einem seiner Leute die Dynamitstange aus der Hand und klemmte sie hinter den Griff an der Tür des Frachtwaggons. Anschließend holte er ein Streichholz hervor, riss es an und entzündete die kurze Schnur. Er wich ein paar Schritte zurück und drückte sich mit den anderen gegen die Seitenwand des Waggons.

      Die Ladung explodierte, die Waggontür sprang auf.

      Noch bevor sich der Rauch verzog, drangen schon die ersten Banditen in den Wagen ein. Taschen und Koffer flogen ins Freie. Wie die Geier stürzten sich die Männer darauf, schlitzten die Gepäckstücke mit den Bowiemessern auf, wenn sich die Verschlüsse nicht schnell genug öffnen ließen und durchwühlten die Beute.

      Geld, Schmuck, Waffen – alles andere war ihnen gleichgültig. Ein Sack mit Post war dabei. Auch den nahmen sich zwei der Kerle systematisch vor.

      „Seht zuerst nach den Lohngeldern für die Silbermine in Bear River City!“, rief der Anführer. „Der Rest ist Kleingeld!“

      Wenig später wurde eine Kiste gefunden, die mit dem Schriftzug der Utah Territory Mining Company versehen war. Zwei Männer warfen sie aus dem Frachtwaggon. Einer von ihnen sprang hinterher. Er trug am Gürtel außer einem 45er Peacemaker auch noch ein langes Bowiemesser und einen indianischen Tomahawk, dessen Stiel in einem Lederfutteral steckte.

      Der Kerl zog den Tomahawk mit der Linken und begann die Holzkiste zu zertrümmern. Schon bald war es kein Problem mehr, an die darin enthaltenen Leinensäcke zu gelangen.

      Der Tomahawk-Mann öffnete einen der Beutel und holte ein Bündel mit Geldscheinen hervor. Dem Anführer der Banditen warf er einen zweiten Beutel zu und rief: „Hier, überzeug dich selbst, Jim! Diesmal hat sich der Fischzug wirklich gelohnt!“

      In einem der vorderen Waggons fielen plötzlich wieder Schüsse. Die Männer fuhren herum. Der Anführer hängte den Leinenbeutel an seinen Sattelknauf, schwang sich auf sein Pferd und preschte los. Schon nach wenigen Augenblicken erreichte er den Waggon. Er zog seinen rechten Revolver und spannte den Hahn.

      Zwei, drei Schüsse tönten noch, dann verebbte die Schießerei im Waggon. Zwei Banditen traten ins Freie. Die Taschen ihrer Jacken waren von Diebesgut ausgebeult. Einer der beiden hatte sich eine goldene Kette mit Bernsteinschmuck um den Hals gehängt. Die Männer steckten ihre Revolver zurück in die Holster.

      „Gab’s Probleme?“, fragte der Anführer.

      „So ein Narr meinte unbedingt, er müsste sich hektisch bewegen, als er sein Zigarettenetui in der Jackentasche suchte!“, berichtete der mit der Bernsteinkette.

      Der andere zuckte mit den Schultern. „Für mich sah es im ersten Moment wie ein Derringer aus“, ergänzte er. „Hinterher habe ich gesehen, dass der Kerl eine Holzhand hatte. Wahrscheinlich eine Kriegsverletzung!“

      Der Anführer steckte den Colt wieder ein. „Also ein elender Yankee-Soldat. Um den ist es nicht schade. Machen wir, dass wir wegkommen!“

      3

      Eine Woche später.

      Schneidend kalter Wind fegte über das zerklüftete Land. Es hatte in der Nacht etwas gefroren. Jetzt krochen die ersten Sonnenstrahlen als ferner Schimmer über die Hügelkette am Horizont.

      Grainger


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