Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland

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Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane - A. F. Morland


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niemals verboten. Es war nicht leicht, so einem unvernünftigen Patienten zu helfen.

      Magengeschwür-Kranke befinden sich nahezu immer in einer unbefriedigenden Lebenssituation, welche ihrem Ehrgeiz nicht gerecht wird, sie sind „Vagotoniker“, das heißt, bei ihnen überwiegen Eingeweide erregende Reize.

      Sven Kayser wusste von Walter Schmidt, dass er mal ein ziemlich erfolgreicher Grafiker in einer großen Werbeagentur gewesen war. Eines Tages hatte man ihm einen neuen Chef vor die Nase gesetzt, dem hatte diese Nase nicht gefallen, und so hatte es nur zwei Monate gedauert, bis man sich in beiderseitigem Einvernehmen getrennt hatte.

      Seither arbeitete Walter Schmidt nur noch gelegentlich und lebte mit Gleichgesinnten immer in Geldschwierigkeiten – in einer Wohngemeinschaft.

      „Tja, Herr Schmidt“, sagte Sven ernst. „Ich hab’ das kommen sehen.“

      „Sieht nicht gut für mich aus, was?“ Der Patient fuhr sich mit den nikotinbraunen Fingern durch das dunkle Haar.

      „Sie haben trotz meiner ausdrücklichen Verbote weiter gesündigt.“

      „Ich bin ein Idiot. Ich weiß, Herr Doktor. Aber wer kann schon raus aus seiner Haut? Jeder ist, wie er ist.“

      „An einem dermaßen unvernünftigen Menschen kann ich natürlich kein Wunder vollbringen.“

      „Das ist mir klar“, erwiderte Walter Schmidt nüchtern. „Sagen Sie mir nur eines, Herr Doktor: Muss ich operiert werden?“

      „Möglicherweise kommen Sie darum herum.“

      Schmidt grinste. „Das höre ich nicht ungern. Wem macht es schon Spaß, sich den Bauch aufschneiden zu lassen, nicht wahr?’’

      „Aber eine Einweisung in die Seeberg-Klinik kann ich Ihnen leider nicht ersparen“, sagte Sven Kayser.

      „Einverstanden“, nickte Walter Schmidt. „Vielleicht kriegt man mich da mit Medikamenten und ’ner strengen Diät wieder hin. Ich schlucke alles, die größten Kapseln kriege ich runter wie nichts. Darin bin ich Weltmeister.“

      „Magengeschwüre können immer wiederkommen, Herr Schmidt. Sie sollten Ihre Lebensgewohnheiten ändern, sollten wieder einer geregelten Arbeit nachgehen und sich bemühen, glücklich und zufrieden zu werden.“

      „Ich bin glücklich und zufrieden“, behauptete der Patient.

      „Wenn Sie das glauben, belügen Sie sich selbst, Herr Schmidt“, konterte Sven ungerührt. „Weniger Zigaretten, kein Alkohol ...“

      „Ich werde darüber nachdenken, Herr Doktor.“

      Sven Kayser griff nach einem Einweisungsformular und begann zu schreiben.

      2

      Die große Wohnung befand sich in Schwabing, in der Leopoldstraße. Sechs Zimmer, alle mit zwei Personen belegt. Nur Walter Schmidt wohnte zur Zeit allein.

      Bis vor Kurzem hatte Olivia mit ihm Zimmer und Bett geteilt. Olivia Hammersfeldt, eine hysterische, überspannte Ziege. Nicht auszuhalten war sie manchmal gewesen!

      Walter Schmidt war froh, dass es vorbei war. Olivia trug mit Sicherheit ein gerüttelt Maß Schuld daran, dass er ein Magengeschwür bekommen hatte.

      Glück für sie, dass sie freiwillig gegangen war, sonst hätte er sie nämlich eigenhändig hinausgeworfen. Sie hatte sich eingebildet, Tänzerin zu sein, dabei war ihr Herumgehopse, das sie für einen Ausdruck höchster Kunst gehalten hatte, nur lächerlich und peinlich gewesen.

      Alle in der Wohngemeinschaft hatten sich – mehr oder weniger offen – gewundert, dass Olivia ein Engagement bekommen hatte. Als Tänzerin! Um die Welt der Musen musste es schlecht bestellt sein, wenn man auf „Künstler“ wie Olivia Hammersfeldt, die nur unwesentlich gelenkiger war als ein Spazierstock, zurückgreifen musste.

      Auf Tournee war sie gegangen, und man war in der Wohngemeinschaft der einhelligen Meinung, dass Olivia mit dem Tourneeleiter geschlafen haben musste, um von ihm berücksichtigt zu werden. Denn das konnte sie. Das musste ihr Walter Schmidt ohne Wenn und Aber zugestehen.

      Als Schmidt die Wohnung, betrat, sprang ihn eine brütende Stille an. Niemand war da. Alle waren weg, waren lange vor ihm zur Arbeit gegangen.

      Er war diese Leere gewöhnt, denn er war der einzige, der nicht zur Arbeit ging. Wenn er arbeitete, dann tat er es hier, in seinem Zimmer.

      Er ging in die Gemeinschaftsküche und nahm eine Flasche Weißbier aus dem Kühlschrank. Das Geld dafür warf er in einen offenen Schuhkarton, der daneben stand.

      So wurde es hier gehandhabt. Es lagen bereits einige Münzen und Banknoten im Karton. Niemandem wäre es eingefallen, sein Bier nicht zu bezahlen. So unterschiedlich die Leute auch waren, die in dieser Wohnung lebten, man konnte einander vertrauen, und das war eminent wichtig. Man konnte getrost seine Geldbörse irgendwo liegen lassen, tagelang – niemand hätte sich daran heimlich bedient.

      Walter Schmidt ging mit der Bierflasche in sein spartanisch eingerichtetes Zimmer. Ein Schrank, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, das war alles. Mehr brauchte er nicht. Alles andere war Luxus, und den konnte er sich bei den Einkünften, die noch magerer waren als er, nicht leisten. Er zündete sich gedankenverloren eine Zigarette an und setzte die Flasche an die gespitzten Lippen. Aber schon der erste Schluck bekam ihm nicht.

      „Verdammt!“, entfuhr es ihm mit schmerzverzerrtem Gesicht. Hart stellte er die Bierflasche auf den Tisch. Wütend stieß er die Zigarette in den Aschenbecher. „Verdammt!“

      Er setzte sich aufs breite Bett und massierte stöhnend seinen Magen. Wie konnte er nur so blöd sein? Wurde er denn nie gescheiter?

      Draußen fiel die Eingangstür krachend ins Schloss. Walter Schmidt hörte Schritte. Er kannte dieses Stampfen. So ging nur einer: Felix Lehmann, der lange Blonde mit den unwahrscheinlichen X-Beinen. Er war Pizzabäcker in einem schmuddeligen Schwabinger Lokal.

      Walter Schmidt stand auf und ging zur Tür. Die Schmerzen hatten nachgelassen. Er öffnete die Tür. Felix Lehmann fuhr erschrocken herum.

      „Ach, du bist es“, stieß er heiser hervor und entspannte sich.

      Walter Schmidt grinste. „Was dachtest du denn? Der Geist von ’ner vermoderten Ahnfrau?“

      Felix Lehmann zuckte die Schultern. „Na ja, ich nahm an, die Wohnung wäre leer, und ich war in Gedanken.“

      „Wieso bist du hier und nicht in der Pizzeria? Hat dich dein Chef hinaus geschmissen? Ist er endlich dahintergekommen, dass du es bist, der alle seine Gäste vergiftet?“

      „Blödmann. Meine Pizza kann jeder gefahrlos essen.“

      „Mir wurde schon mal schlecht davon“, behauptete Walter Schmidt.

      „Ist ja gar nicht wahr. Du hattest zu viele Schnäpse getrunken. Die sind dir nicht bekommen.“ Felix eilte in sein Zimmer. Die Tür ließ er auf. „Einer der Gäste möchte die Fotos vom Tegernsee sehen.“

      Walter staunte. „Und die zeigst du ihm?“

      „Warum denn nicht? Es sind herrliche Aufnahmen. Die brauche ich nicht zu verstecken.“

      „Auf der Hälfte


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