Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland
Читать онлайн книгу.war ich schon.“
„Und was sagt der Doktor?“, erkundigte sich Felix.
„Ich muss ins Krankenhaus“, brummte Walter.
„Wirklich? Operieren?“
Walter hob die schmalen Schultern. „Das steht noch nicht fest.“
„Ich drück’ dir die Daumen, dass du nicht unters Messer musst. Julia und ich kommen dich selbstverständlich besuchen, und alle anderen Mitglieder unserer Wohngemeinschaft auch. Wir sind ja so etwas wie eine große Familie.“
Walter grinste wieder. „Ja, eine große, glückliche Familie sind wir.“
„Ich muss gehen.“
„Ciao. Lass keine Pizza anbrennen.“
„Wir sehen uns heute Abend“, sagte Felix.
„Ja, zum letzten Mal bis auf Weiteres, denn ab morgen residiere ich in der Seeberg-Klinik.“
3
Man konnte das Magengeschwür zwar ausheilen, aber Dr. Ulrich Seeberg, der
Chef der Klinik, erklärte, damit sei nicht viel gewonnen.
„Sie meinen, ich werde bald wieder ein Geschwür haben“, sagte Walter Schmidt. „Ich bin der Typ dafür, nicht wahr?“
„Das ist eine bedauerliche Tatsache, Herr Schmidt.“
Der Patient nickte mit gefurchter Stirn. „Das hat mir Dr. Kayser auch schon gesagt.“
„Manche Menschen neigen ein Leben lang zum Ulcus ventriculi.“
„Kann man dagegen denn gar nichts tun?“, fragte der Patient.
„Doch. Um der erneuten Bildung eines Magengeschwürs vorzubeugen, kann man den Vagusnerv durchtrennen, um die Eingeweide erregenden Reize zu unterbinden.“
„Wollen Sie mir eine solche Operation vorschlagen?“
„Der Eingriff ist relativ harmlos“, sagte Dr. Ulrich Seeberg.
„Und ich werde danach nie wieder ein Magengeschwür haben?“, fragte Walter Schmidt.
„Das kann ich Ihnen nicht versprechen, denn es gibt auch noch andere auslösende Faktoren für ein Ulcus ventriculi, aber die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Erkrankung wird nach der Vagusnerv-Operation sehr gering sein.“
Der Patient musterte den Klinikchef nachdenklich. „Wäre nicht klug, wenn ich mich nicht operieren ließe, wie?“
„Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“
„Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie sich operieren lassen?“
„Auf jeden Fall“, antwortete Dr. Seeberg sofort.
„Tja, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als zuzustimmen“, meinte Walter Schmidt schweren Herzens. „Aber begeistert bin ich von Ihrem Vorschlag nicht, das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, Dr. Seeberg.“
Die Operation verlief ohne Komplikationen. Walter Schmidt bekam jeden Tag Besuch. Von Felix Lehmann und Julia Krantz, von Oliver Hellnwein und Saskia Fröhlich, von Roman Stolze und Grete Straak, und sogar von Dr. Sven Kayser.
„Ich hab’ hier keine Langeweile“, grinste der Grafiker, als Sven bei ihm war. „Meine Freunde geben sich die Türklinke in die Hand. Sie müsste schon fast so abgenutzt sein wie die von der christlichen Wohlfahrt. Ehrlich, zu Hause kriege ich die ganze Bande nicht so oft zu sehen. Tut gut, zu wissen, dass sie einen mögen.“ Er senkte den Blick. „Man fürchtet sich vor so ’ner Operation eigentlich mehr, als es nötig ist.“
„Wie fühlen sie sich?“, fragte Dr. Kayser, der Belegarzt an der Seeberg-Klinik war.
„Schon recht gut.“
„Ich würde es begrüßen, wenn Sie sich nach Ihrer Entlassung wieder in meiner Praxis blicken ließen“, sagte Sven Kayser. „Zur Kontrolle.“
Walter Schmidt grinste. „Ich werde Ihnen Gelegenheit geben, sich davon zu überzeugen, dass mich Ihr Freund Dr. Seeberg wieder prima hingekriegt hat.“
„Werden Sie wieder einer geregelten Arbeit nachgehen?“
„Weiß ich noch nicht“, antwortete der Patient. „Mir gefällt es, zu Hause zu arbeiten, unabhängig zu sein, mich von niemandem blöd anquatschen lassen zu müssen. Aber ich werde kaum noch Alkohol trinken und meinen Zigarettenkonsum drastisch einschränken. Ist das ein Wort?“
„Wäre schön, wenn Sie sich daran hielten.“
„Der gute Vorsatz ist da. Alles andere wird sich ergeben.“
„Bis bald“, sagte Sven Kayser, wünschte dem Patienten alles Gute und verließ das Krankenzimmer.
Aber er verließ noch nicht die Klinik, sondern schaute auf einen Sprung bei Ulrich Seeberg rein. „Ist er da?“, fragte er Ute Morell, die attraktive Chefarztsekretärin.
„Oh, hallo, Herr Dr. Kayser“, strahlte ihn die vierundzwanzigjährige Frau an. „Schön, Sie zu sehen!“
„Schön, Sie zu sehen“, entgegnete Sven schmunzelnd. „Sie sind heute mal wieder eine wahre Augenweide.“
„Mh, tut richtig gut, das zu hören. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ja, der Chef ist da.“
„Hat er Zeit?“, erkundigte sich Sven.
„Für Sie doch immer. Gehen Sie nur hinein. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?“
Sven nickte zustimmend. „Eine großartige Idee. Falls Sie hier mal weg wollen, lassen Sie es mich wissen.“
Ute Morell lachte „Okay, Sie sind der erste, der es erfährt.“
„Der was erfährt?“, fragte plötzlich jemand hinter Dr. Kayser.
Sven drehte sich um, grinste Dr. Seeberg an und sagte: „Das, mein Lieber, wird nicht verraten. Tag, Ulrich, wie ist das werte Befinden?“
„Wenn du versuchst, meine Sekretärin abzuwerben, waren wir die längste Zeit Freunde, das sag’ ich dir.“
Sven Kayser zeigte auf den Freund. „Du hast gelauscht. Das tut man nicht. Was hast denn du für eine Kinderstube?“
„Ich hab nicht gelauscht.“
„Hast du doch!“, blieb Sven Kayser bei seiner Behauptung.
„Ich habe deine Stimme gehört, bin raus gekommen, um dich zu begrüßen, und dabei wurde ich zwangsläufig Ohrenzeuge eures Gesprächs.“
Sven winkte amüsiert ab. „Ja, ja, schon gut. Wie soll man denn sonst was erfahren, wenn man nicht hin und wieder lange Ohren macht?“
Dr. Ulrich Seeberg verdrehte die Augen. „Wie konnte ich mir nur so einen Freund aussuchen?“
In Dr. Seebergs Allerheiligstem meinte Sven wenig später, während er sich setzte: „Du hast Herrn Schmidt sehr gut hingekriegt, gratuliere.“
„Eine Vagusnerv-Operation ist keine Hexerei“, erwiderte Dr.