Tod unterm Nierentisch. Alida Leimbach

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Tod unterm Nierentisch - Alida Leimbach


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tat er.

      »Ja, so in etwa.«

      »Haarfarbe? Besonderheiten?«

      »Dunkle Haare, eigentlich grau, er lässt sie hier ab und zu tönen. Er hinkt.«

      »Kriegsverletzung?«

      Sie zuckte mit den Schultern. »Der Mann interessiert mich nicht.«

      Conradis Nicken zeigte, dass er sich zunächst mit ihrer Antwort zufriedengab. »Gehen wir mal die Situation durch. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie Rolf Schmalstieg fanden?«

      »Ich habe nichts gedacht. Oder doch: Warum ausgerechnet jetzt, er hat sich doch so auf das Spiel gefreut? Wobei meine Mutter ja behauptet, er hätte sich wegen des Spiels vom Sonntag mehr geärgert als gefreut.«

      »Verständlich. Wer aus Ihrer Familie ist noch da? Sie sagten vorhin, Sie hätten sich alle zusammen vor dem Radio versammelt, als es passierte. Wen können wir noch sprechen außer Ihrer Großmutter? Wer hat sich zur Tatzeit im Wohnzimmer aufgehalten?«

      »Meine Mutter will nicht gestört werden.«

      »Wer noch?«

      »Die Kleinen waren kurz mit dabei.«

      »Haben Sie noch mehr Geschwister?«

      »Mein Zwillingsbruder Karl hat unsere beiden kleinen Geschwister zur Nachbarin gebracht, damit sie nichts mitbekommen.«

      Conradi machte eine auffordernde Handbewegung. »Schauen Sie doch bitte nach.«

      Bettine Korittke erhob sich. Im Flur rief sie mehrmals den Namen ihres Bruders. Danach kam sie mit einem bedauernden Gesichtsausdruck zurück. »Tut mir leid. Wahrscheinlich ist er noch bei der Nachbarin.«

      Johann Conradi reichte ihr eine kartonierte Visitenkarte. »Er soll sich morgen früh bei uns auf der Wache melden. Die Anschrift steht auf der Karte. Unser Revier befindet sich am Markt, in der Nähe des Rathauses.«

      »Ja, ich weiß.«

      »Umso besser. Wer gehört außerdem zur Familie?«

      »Meine Schwester Eva. Aber die wohnt nicht mehr hier. Sie studiert in Hamburg, hat ein Stipendium bekommen. Leider sehe ich sie nicht oft. Eva kommt nur alle paar Wochen nach Osnabrück, wenn überhaupt.«

      Conradi notierte ihren Namen. »Ich möchte jetzt gerne noch ein paar Fotos machen. Wir brauchen das für die Beweisführung.«

      Bettine wurde blass. »Welche Beweisführung?«

      »Wir müssen doch den Fall aufklären, nicht wahr?«

      »Wie werden Sie das machen?«, fragte sie leise.

      »Zunächst einmal, indem ich mich frage, was für ein Mensch Rolf Schmalstieg gewesen ist. So könnte man dem Motiv auf die Spur kommen. Warum wurde Rolf Schmalstieg getötet? Wer wollte ihn aus dem Weg haben und aus welchem Grund? Vielleicht gibt es einen, den Sie mir im Moment nicht nennen wollen. Vielleicht gab es großen Ärger um irgendeine Sache.«

      Bettine starrte ihn mit halb offenem Mund an.

      7. Kapitel

      Sie saßen nebeneinander auf einem schmalen Bett mit einem hellgelben Überwurf. Es war eher eine Kammer als ein Zimmer, mit krummen Wänden, wenig Mobiliar und schiefem Boden. Anfangs hatte sie oft das Gefühl gehabt, seekrank zu werden. Wenn Eva am Schreibtisch saß und einen Bleistift fallen ließ, musste sie ihn vor der Zimmertür wieder einsammeln. Wenn sie ein Glas vor sich stehen hatte, sah das Wasser darin aus wie auf dem Deck eines Schiffes bei Windstärke zehn. Eva Korittke wohnte zur Untermiete bei einem Ehepaar mit Baby in Hamburg-Uhlenhorst. Kürzlich hatte sie das Glück gehabt, im Sperrmüll ein Bild mit Engeln zu finden sowie einen zerschlissenen Armlehnstuhl, den sie mit einer selbst bestickten Decke verschönert hatte. Außerdem sorgten Kerzen für ein bisschen Gemütlichkeit.

      Geschirr durfte sie in der Küche der Webers ausleihen, sie musste es nur hinterher abwaschen und ordentlich zurückstellen.

      Werner hatte eine Flasche Kupferberg Gold mitgebracht, eine Aluminiumdose mit belegten Broten und eine zweite mit Kuchen sowie einer Tafel Suchard-Schokolade. Er verwöhnte sie bei jedem Besuch, zeigte sich großzügig und liebevoll, und doch hätte sie es gerne anders gehabt.

      »Du siehst heute wieder bezaubernd aus«, sagte er, aber sein Blick wollte nicht so recht zu seinen Worten passen. Er hob sein Glas und prostete ihr zu. Etwas schien ihm auf der Seele zu liegen. Er war ungewöhnlich still und blickte ernst und betrübt vor sich hin.

      »Das sagst du nur, weil du nicht willst, dass ich weiter nachbohre.«

      »Das will kein Mann«, sagte er mit unbewegtem Gesicht.

      Eva stellte ihr Glas ab und schmiegte sich an ihn wie eine Katze. »Es ist doch nur, weil ich dich liebe, du abscheulicher Brummbär. Ich möchte einfach, dass du mir vertraust und mir alles erzählst.« Sie sprach rasch und ein wenig zerstreut. Zwar war sie nicht mehr so ängstlich und nervös wie zu Beginn ihrer Beziehung, aber jede Begegnung mit Werner löste dennoch starkes Herzflattern in ihr aus. Auch wenn er ihr oft Komplimente machte, konnte sie nie sicher sein, was er für sie empfand. Sie selbst war sich anfangs ihrer Gefühle nicht so sicher gewesen. Zu sehr belasteten sie lang zurückliegende Ereignisse, die ihre Jugend abrupt ausgelöscht hatten. Es war nicht allein der Krieg, der alles Zarte und Empfindsame in ihr zerstört hatte. Es war danach passiert. Fast acht Jahre war das jetzt her. Sie hatte geglaubt, sie könnte sich nie in einen Mann verlieben.

      »Was soll ich dir denn erzählen? Was möchtest du hören?« Er streichelte und küsste ihr kastanienbraunes Haar, das sie kurz und gelockt trug.

      Sie sah ihn mit großen, rehbraunen Augen an. »Manchmal frage ich mich, warum ich dein Zuhause noch nicht kenne, warum du mich nie zu dir einlädst. Du scheinst nicht gerade arm zu sein. Als Professor verdienst du doch sicher gut. Ich möchte so gerne einmal deine Wohnung sehen!«

      »Das wirst du auch, Prinzessin. Ich möchte nichts übers Knie brechen. Das Gerede der Leute, du weißt schon.«

      »Was kümmert mich das Getratsche, ich liebe dich, Werner!«

      »Ich dich auch, aber im Gegensatz zu dir habe ich einen Ruf zu verlieren. Das muss nicht unbedingt sein. Wir haben doch Zeit, oder nicht?« Er fuhr mit seiner Hand ihre Taille auf und ab.

      Sie starrte vor sich hin. »Ich möchte wissen, ob du eine andere hast.«

      »Wie kommst du denn darauf, hm?« Er zog sie näher an sich heran und begann, ihren Halsansatz zu küssen und ihre Bluse aufzuknöpfen.

      Sachte schlug sie ihm auf die Finger. »Lass das. Ich will das jetzt nicht.«

      »Was willst du denn?«

      »Ich will reden, nicht schmusen.«

      Er spielte mit ihren Locken. »Nur reden willst du? Dein Blick sagt mir aber etwas anderes.«

      Sie errötete, vermied es, ihn anzusehen. »Dann täuscht dich dein Blick.« Es war tatsächlich so. Erinnerungsfetzen aus einer dunklen Vergangenheit waren aufgetaucht. In der letzten Zeit passierte das öfter, und wenn es so war, dann hatte sie keinen Sinn für Zärtlichkeit, für Nähe.

      Im Hause hörte man jetzt verschiedene Geräusche. Seltsamerweise beruhigte sie das. Die Welt draußen war laut und anstrengend, aber sie war nicht allein. Sie kam aus einer großen Familie und hasste das Gefühl von Einsamkeit. Werner war bei ihr, und das war gut. Nur heute war sie nicht in Stimmung.

      In väterlichem Ton sagte er: »Man kann nicht alles haben, was man möchte. Das wirst du auch noch lernen müssen, meine Kleine.«

      »Dann sag mir endlich: Gibt es nur mich?«

      »Wenn ich sage, ich liebe nur dich, ist es auch so. Ich lüge dich nicht an. Eva, meine freche, kleine, reizende, anmutige Eva! Du bringst mich um den Verstand, weißt du das?«

      Er näherte sich ihrem Gesicht und küsste sie hauchzart auf die Nasenspitze.

      Sie


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