Perry Rhodan Neo 218: Abstieg in die Zeit. Rainer Schorm

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Perry Rhodan Neo 218: Abstieg in die Zeit - Rainer Schorm


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musterte die rosettenförmige, rötlich blaue Verfärbung. »Was ist das?«, fragte sie nochmals. »Ich habe das Wort nie zuvor gehört.«

      »Es sind Totenflecken, die bei noch Lebenden auftreten.« Die Assistenzärztin Olsen sprach nur zögerlich. »Während der Agonie sinkt das Blut in tiefere Teile des Körpers ab. Das führt zu diesen Verfärbungen.«

      Lauras Mund war übergangslos staubtrocken. »Soll das ... heißen ... Heißt das etwa ...?«

      Das kann einfach nicht wahr sein, dachte sie verzweifelt. Wir stehen kurz davor, Lashat zu erreichen. Wir haben so viel durchgemacht ... Und jetzt ist es zu spät? So kurz vor dem Ziel ...?

      Sato schloss kurz die Augen. »Ja. Er stirbt. Obwohl ich nicht sagen kann, wie lange es sich hinziehen wird. Mister Rhodan ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Das wissen Sie besser als ich.«

      Von Sophie kam ein ersticktes Geräusch. Laura sah, dass ihre Augen wässrig glänzten.

      »Kann man ...«, setzte Laura an.

      »Wir haben alle nötigen palliativen Behandlungen eingeleitet«, sagte Sato. »Schmerzbehandlung, alles, was nötig ist, um ihm das Ende erträglicher zu machen.«

      »Erträglich!«, stieß Laura hervor.

      »Wahrscheinlich eine unglückliche Wortwahl«, gab Sato zu. »Unter normalen Umständen gehört dazu die Anwesenheit von Familie und Freunden.«

      »Seine Familie ist nicht hier, sondern Zehntausende von Lichtjahren entfernt«, sagte Laura bitter. »Neben mir und Sophie sind ein paar alte Freunde an Bord. Aber Conrad Deringhouse und Gabrielle Montoya sind nicht abkömmlich. Sie werden in der Zentrale gebraucht und leiten den Anflug auf Lashat. Da sie ihre Pflichten überaus ernst nehmen, werden sie nicht kommen können. Sosehr ihnen das jetzt und später zusetzen wird. Sie werden furchtbar darunter leiden. Wir alle sind aufgebrochen, um Perry Rhodan zu helfen. Er selbst hat seine Familie abgehalten mitzukommen, weil er die Verantwortung allein übernehmen wollte. Als Preis dafür stirbt er nun in der Fremde – allein.«

      »Sie beide sind hier«, sagte Olsen sanft.

      Laura schluckte. »Er hat drei Kinder. Eine Frau, die ihm mehr bedeutet als das eigene Leben. Unser Vater wäre sicher hier, wenn er könnte. Sophie und ich sind nur ein müder Ersatz.«

      Olsen schwieg. Sie spürte wohl, dass Laura ihre Worte ernst meinte, ohne dass diese abwertend gemeint waren.

      Laura fühlte Sophies Verzweiflung, als sei es ihre eigene. Die Verbindung über den MINSTREL funktionierte reibungslos, sogar in dieser recht oberflächlichen Form. Durch sie trug jede der beiden die emotionale Last der anderen, ohne dass dies Erleichterung gebracht hätte.

      Da nützt nicht mal eine Umarmung etwas, dachte sie müde. Man sieht im anderen, wie es einem selbst früher oder später ergehen wird. Das Leben endet tödlich, und nichts wird am Ende gut.

      Sie ließ sich tiefer in den Konnex fallen, die Verbindung zum MINSTREL, die auf gewisse Weise dem Kontakt eines Emotionauten mit seinem Raumschiff ähnelte. Sie fühlte die ganze Fremdartigkeit des NATHAN-Ablegers. Sie war nicht feindlich oder bedrohlich, aber wohl fühlte sich Laura ebenfalls nicht. Sophies Gegenwart hingegen war ein Quell von Wärme und Geborgenheit.

      Gibt es nichts, was wir tun können?, fragte Laura.

      Der MINSTREL antwortete nicht konkret. Die Informationen, die er umwälzte, erinnerten sie eher an Melodien, die sich ergänzten und zu einem höherdimensionalen Gebilde verwoben.

      Eine Fuge, erinnerte sie sich an ein Gespräch, das sie vor langer Zeit mit Leibnitz auf dem Mond geführt hatte. Der rätselhafte Mann hatte mit Monade, einer Posbi, eine dauerhafte Verbindung, die der von Laura und Sophie mit NATHAN glich. Der musikalische Vergleich war wohl der beste Beweis, dass die Bezeichnung zutreffend war. NATHAN hatte den Namen MINSTREL gewiss nicht ohne Grund gewählt.

      Er ist ein Sänger, keine Frage, dachte Laura.

      Sie spürte die Gedanken ihrer Zwillingsschwester, und für einen kleinen Moment fühlte sie sich geborgen und gut aufgehoben. Aber der Moment verging, und sie stieß auf etwas, das sie nicht erwartet hatte. Da war etwas wie eine Barriere. Diese isolierte einen Datenbereich, der Laura vollkommen unzugänglich blieb. Sie spürte auch Sophies Verblüffung – beinahe wie eine körperliche Berührung.

      Was ist das?

      Eine Antwort erhielt sie nicht. Als sie versuchte, auf das fragliche Areal zuzugreifen, prallte sie ab. Häufig assoziierte sie abstrakte Vorgänge und Abläufe mit Bildern. In diesem Fall hatte sie eine fast ätherische Ansammlung dünnster Membranen vor dem geistigen Auge, beinahe zerknüllt, wie Klarsichtfolie. Doch der Kontakt selbst glich eher der Berührung von gehärtetem Glas. Die Überraschung spülte sie förmlich aus dem Konnex hinaus. Sie registrierte, dass Sophie nach Luft schnappte. Der MINSTREL hielt seine beiden Interpreterinnen von etwas fern. Das war neu.

      Das ist nicht für euch bestimmt! Die Abweisung war eindeutig, aber nicht aggressiv oder gar feindlich.

      Die beiden Ärztinnen hatten von diesem Vorfall nichts mitbekommen. Ihr Interesse galt ihrem Patienten. Die positronische Überwachung von Rhodans Lebensfunktionen zeigte dessen kritischen Zustand schonungslos an.

      »Alles hat sich rapide verschlechtert«, sagte Sato. »Wir hatten mit etwas mehr Zeit gerechnet, aber der Zellaktivator ist eine Blackbox, die wir weder öffnen noch auslesen können. Für uns heißt das, dass uns wichtige Informationen ganz einfach fehlen. Wüssten wir, welche Schäden der Aktivator repariert, könnten wir den Zustand der entsprechenden Organe oder der biochemischen Abläufe in den Zellen besser beurteilen. Aber wegen des Stotterns des Zellaktivators bleibt ein komplettes Bild aus.«

      »Der Organismus ist durch die Lashat-Viren stark geschädigt«, ergänzte Olsen. Mit einer kurzen Betätigung des Kontrollholos erhöhte sie den Durchfluss des Schmerzmittels. »Das Dunkelleben kommt dazu und ist ein weiterer Faktor, den wir nicht eindeutig analysieren können.«

      Pari Sato trat einen Schritt zurück und musterte den Patienten. Rhodans Atem ging schwer, die Brust hob und senkte sich unregelmäßig. Unter dem Atemgeräusch lag ein leises, aber nicht zu ignorierendes Pfeifen.

      »Vielleicht sollten wir Merkosh bitten ...«, setzte Lena Olsen an, als ein leises Geräusch im Hintergrund zu hören war.

      »Ich bringe den compariatischen Doktor«, sagte Gucky. »Nichts zu danken.«

      Laura spürte, wie vorgetäuscht Guckys gute Laune war. Der Mausbiber war einer von Rhodans engsten Freunden, vergleichbar nur mit Reginald Bull, ihrem Vater.

      Gucky ließ den mitgebrachten Merkosh los. Wie immer war es schwer, die Mimik des Oproners zu deuten, aber eine gewisse Hektik glaubte Laura wahrzunehmen. Die große, dürre Gestalt stakste auf das Bett zu. Mit enormer Geschwindigkeit schrieb sich Merkosh etwas auf den Unterarm, offenbar Auszüge aus den positronischen Diagnoseprotokollen. Das war seine Art, Dinge im Gedächtnis zu speichern. Er trug eine eigenartig geschnittene, badeanzugähnliche Kombination; aus einer der Taschen holte er das kleine Injektionsgerät, das alle bereits kannten.

      »Ich hatte gehofft, es sei nicht noch einmal nötig, bevor wir auf Lashat landen«, sagte er und stülpte die Lippen nach vorn, als wolle er pfeifen. Seine grünen Augen schienen sich zu verdunkeln. Fasziniert sah Laura, wie sich unter der transparenten Haut des Oproners Muskeln bewegten. Der Lichtkegel einer Deckenlampe streifte den Kopf, und sie konnte Teile des Gehirns erkennen.

      »Ist es gefährlich?«, fragte sie nach einem Seitenblick auf Sophie.

      Merkosh zögerte und drehte den Injektor elegant zwischen seinen sechs Fingern.

      »Wenn ich Perry Rhodans Zustand sehe ... nein. Vielleicht wird es ihn ein wenig stabilisieren können, mehr aber kaum. Die Dichte an neuronalen Pseudoprionen ist auf meinen Organismus abgestimmt – oder den eines anderen Oproners. Sie sind nicht als Medikament konzipiert und somit nur ein Notbehelf. Sie werden ihm aber auf keinen Fall schaden.«

      Laura registrierte, dass die beiden Ärztinnen sich mit dieser Erklärung nicht recht wohlfühlten. Olsen


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