Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1). Perry Rhodan

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Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1) - Perry Rhodan


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Rhodan warf einen Blick auf sein Multikom. Die Anzeigen seiner biologischen Werte lagen sämtlich im grünen Bereich. Die Zeitangabe allerdings – der 15. Oktober 1552 NGZ – dürfte alles andere als verlässlich sein. Ohne die Reise durch das Gezeitenfeld hätte er nicht an der Messgenauigkeit des Geräts gezweifelt. Aber nun?

      Kurz überlegte er. 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung entsprach dem Jahr 5139 Alter Zeitrechnung. Alte Zeit, neue Zeit – in Gedanken winkte er ab.

      An der Decke des Saals schimmerte das dreidimensionale Abbild der Milchstraße. Langsam drehte sich das Gebilde, ein unüberschaubares Mosaik aus Sternen. Erleuchtete Nebelschwaden wie der Atem der Ewigkeit, Kugelsternhaufen bewegten sich auf Jahrmillionenbahnen.

      Rhodan hätte die Sterne stundenlang betrachten können, wie er das als Junge auf der Erde getan hatte. Blickte er in die Schöpfung, fühlte er sich manchmal wieder als Junge, verloren in Zeit und Raum, fasziniert von der Unendlichkeit.

      Aber er hatte keine Zeit zum Schauen und noch weniger zum Träumen. Etwas stimmte nicht, da war er sich sicher.

      »ANANSI?«, rief er.

      Seine Stimme hallte im Saal nach. Sein Ruf blieb ohne Antwort. Wäre er nicht schon besorgt gewesen, hätte ihn spätestens dieses Schweigen alarmiert. Es war nicht normal, das Schweigen bedeutete Gefahr.

      ANANSI war als Semitronik der Zentralrechner des Schiffes, sie steuerte das Schiff. ANANSI ging niemals in die Suspension. Sie musste nicht schlafen. Und sie durfte es nicht.

      Wenn ANANSI nicht reagierte, hieß das für die RAS TSCHUBAI und ihre Besatzung: Das Schiff war steuerlos, konnte nicht reagieren. Und befand sich damit womöglich in höchster Gefahr.

      Erneut blickte er zum Abbild der Galaxis hoch. Hunderte von Milliarden Sterne, eine Menge, die man sich kaum vorstellen konnte, auch nach Jahrtausenden nicht. Einer davon war die heimatliche Sonne, umkreist von einem kleinen blauen Planeten. Dachte Rhodan an die Erde, fühlte er sich, als hätte er Heimweh nach einer kleinen Stadt, in der er aufgewachsen war.

      Der Alkoven, in dem Perry Rhodan gelegen hatte, stand am linken Rand einer Doppelreihe von zwei Dutzend weiteren Suspensionskammern. Der Suspensionssaal lag in unmittelbarer Nähe zur Hauptzentrale der RAS TSCHUBAI. In der Zentrale des Schiffes taten im Normalbetrieb gut zwei Dutzend Besatzungsmitglieder Dienst. Im Falle eines Vollalarms konnten es 70 Personen werden, denn alle Stationseinheiten waren für diesen Fall auf Dreifachbelegung eingerichtet.

      Während eines Suspensionsflugs aber befand sich kein Lebewesen in der Zentrale. Sie musste schleunigst wieder besetzt werden.

      Um zu wissen, wer in den anderen Alkoven lag, brauchte Rhodan die Angaben in den Monitoren der Verschlusskappen nicht zu lesen: Seine Frau Sichu Dorksteiger und seine Enkelin Farye Sepheroa-Rhodan ruhten in seiner unmittelbaren Nähe. Er blieb vor ihren Alkoven stehen, legte die Hand darauf und gönnte sich einen kurzen Moment, in dem er die Augen schloss. Er würde nicht allein sein, egal, was ihn erwartete.

      Daneben lagen Atlan und Gucky, dann Cascard Holonder. Der riesenhafte Ertruser war der Kommandant der RAS TSCHUBAI. Irgendwer – vielleicht Holonder selbst – hatte eine seiner Kritzelzeichnungen an das Verschlussstück des Alkovens geheftet. Die grobe Skizze zeigte einen bartlosen Mann mit kurzen Haaren, die Augen erstaunt geöffnet. Wer das wohl sein mochte?

      Holonder entwarf diese Bilder bei Besprechungen oder wenn er angestrengt über etwas nachdachte. Obwohl er Rechtshänder war, zeichnete er sie mit seiner linken Hand, die dabei ein Eigenleben zu entwickeln schien. Nach der Fertigung ließ er die Folie zumeist achtlos liegen. Andere Besatzungsmitglieder lasen diese Holonderiana auf, sammelten sie oder tauschten sie sogar manchmal.

      Auch Rhodan besaß ein solches Holonderianum, eine kleine, liebenswert-versponnene Szene, die er in seiner Kabine neben jenem Holowürfel aufbewahrte, in dem Porträts seiner Kinder zu sehen waren.

      Rhodan schritt die Reihe der Alkoven ab, die in einem doppelten Halbkreis neben und hintereinanderstanden. Die Infosäulen an den Ringspeichern, die das hyperenergetische Muster der suspendierten Körper verwahrten, zeigten an, dass alle Komponenten der Aggregate fehlerlos arbeiteten: die Transmissionsschock-Dämpfer und Hyperenergie-Feldleiter, die Strukturfeldgeneratoren mit ihren Kompensatoren, die Emitterkerne und Subdistributoren – alles lief im ungestörten Betrieb.

      Was stimmt hier nicht?, dachte er.

      Er glaubte, ein Geräusch zu hören, laute Schritte im Hintergrund des Saals, und erstarrte. Als er sich umwandte, sah er nichts Besonderes, nur die technisch-kühle Eleganz eines Raums, penibel saubere Oberflächen aus einem Material, auf dem kein Quäntchen Schmutz liegen blieb.

      Da ist nichts, sagte er zu sich selbst. Aber das Unwohlsein blieb.

      Vor dem Alkoven des Kamashiten Shalva Galaktion Shengelaia, des Ersten Betreuers ANANSIS, verharrte Rhodan. Warum meldet sich ANANSI nicht?, fragte er lautlos. Das Schweigen der Semitronik beunruhigte ihn immer stärker.

      Der Kamashite befand sich – wie alle anderen – noch in der Suspension und gab deswegen selbstverständlich keine Antwort. Rhodan rief sich die schmale, schmächtige Gestalt vor Augen, die grünlich schimmernde Haut.

      Warum hatte ANANSI nur ihn aus der Suspension zurückgeholt?

      »ANANSI!«, rief Rhodan noch einmal. Er hätte einiges darum gegeben, sie endlich ihr »Wie geht es dir?« fragen zu hören, mit dem sie sonst Gespräche eröffnete.

      Stille.

      Perry Rhodan blieb am Ende der Reihe stehen. Eine komplette Zentralebesatzung lag dort, immer noch in Suspension.

      Für einen Herzschlag hatte Rhodan die erschreckende Vorstellung, allein an Bord zu sein, der letzte Mensch in einem stählernen Globus, der durch das chaotemporale Gezeitenfeld in die fernste Zukunft gestürzt war.

      Für einen Moment fragte er sich, wozu er diesen Rundgang gemacht hatte, warum er nicht sofort darangegangen war, die anderen zu wecken.

      Ein Zugriff von außen war möglich, wenngleich schwierig ohne die Unterstützung ANANSIS. Er konnte das leisten.

      Warum hatte er gezögert?

      Weil das, was andere Menschen einen Instinkt genannt hätten, ihn warnte. Weil die in ihm verkörperte Erfahrung zahlloser Einsätze und zahlloser Gefahren etwas als unstimmig wahrgenommen hatte, als nicht geheuer. Erneut ließ er seinen Blick schweifen, über die Alkoven hinweg, die Wände entlang, hoch zur Decke, zurück zum Boden.

      Hatte er richtig gesehen? Er kniff die Augen zusammen, schaute konzentriert hin.

      Kein Zweifel. Dort, zwischen zwei Alkoven der hinteren Reihe, stand etwas.

      Etwas, das nicht an diese Stelle gehörte und nicht in diesem Saal gestanden hatte, als sie alle sich in ihre Alkoven begeben hatten.

      Das ist ein Koffer, dachte Rhodan.

      Aber wessen Koffer?

      *

      Perry Rhodan trug eine einfache Bordkombination. Plötzlich fühlte er sich schutzlos: keine Waffen, kein Schirmfeldgenerator, jedem Angreifer ausgeliefert.

      Er eilte zum nächsten Versorgungsschrank. Nachdem er ihn mit den Fingerspitzen berührt hatte, öffnete sich die Tür. Er entnahm einen leichten SERUN, zog rasch den Schutzanzug an und überprüfte dessen Funktionsbereitschaft: Die SERUN-Positronik identifizierte ihn und erkannte ihn als verwendungsberechtigt an. Er checkte die Systeme. Die Lebenserhaltung, der Gravopak, die diversen Schutzschirmaggregate und der Deflektorschirmgenerator meldeten uneingeschränkte Einsatzbereitschaft.

      »Nimm Kontakt zu ANANSI auf!«, befahl er.

      »Kontaktaufnahme nicht möglich«, sagte die Positronik.

      »Warum nicht?«

      »Die Semitronik hat keine Abwesenheitsnotiz hinterlegt. Es liegen keine Informationen vor.«

      Rhodan tastete kurz nach dem Multifunktionsstrahler im Holster des SERUNS und nach dem Vibromesser. Er hatte eigentlich nicht das Gefühl, in einen


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