Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas Brandhorst

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Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband) - Andreas  Brandhorst


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handeln –, sah sie genau hin und fand ihre Vermutung bestätigt. Der Muskelring öffnete und schloss sich in einer befremdlich anmutenden Synchronität.

      »Was willst du von mir?«, fragte sie. Leise. Dennoch schreckte das Wesen auf. Es sprang mit einer Leichtigkeit in die Höhe, die An-Keyt verriet, dass sie mit ihrer Vermutung Recht gehabt hatte: Es konnte sie mühelos mit einem einzigen Sprung erreichten.

      Das Wesen kam mit einem polternden Schlag, von dem An-Keyt glaubte, dass er weit zu hören sein musste, schwer auf dem Boden auf. Wo blieb ihr Trupp? Hatte das Peschtan ihren Kameraden so vollständig den Verstand geraubt, dass sie nicht mehr einsatzfähig waren? Das, oder sie befanden sich in einem Amoklauf, um ihre widerlichen Phantasien in die Tat umzusetzen. Aber was war mit dem Helk? Seine Module mussten längst ihr Fehlen bemerkt haben. Wieso griff er nicht ein?

      Neue Geräusche von dem Wesen. Fordernder, drängender.

      »Ich verstehe dich nicht«, sagte An-Keyt. »Ich spreche deine Sprache nicht.« Sie ging nicht davon aus, dass sie verstanden wurde. Aber es tat gut zu sprechen. Es gab ihr die Illusion zu handeln. Und vielleicht erhöhte es die Hemmschwelle ihres Gegenübers. Es fiel schwerer, ein Wesen zu erschlagen, mit dem man sich unterhalten hatte. Selbst dann, wenn man dabei kein Wort verstanden hatte.

      Dennoch: Ihre Antwort stellte ihr Gegenüber nicht zufrieden. Der Fremde gestikulierte mit den freien Armen – es waren vier – und schlug mit ihnen um sich.

       Will er mich als Gefangene?

      Es war ein Gedanke, der An-Keyt mit einer Verspätung erfasste, die sie verblüffte. Es war so offensichtlich. Das Flachauge hatte sie nicht getötet. Dafür konnte es nur einen Grund geben: Der Fremde wollte sie lebend.

      An-Keyt fragte sich, ob die Bewohner der PAN-THAU-RA so etwas wie Peschtan kannten. Sie wäre nicht überrascht gewesen. Nein. Im Gegenteil, es hätte sie überrascht, kannten sie es nicht. Vielleicht hatte dieser Fremde seinen eigenen Trupp mit dem Versprechen verlassen, einen Feind heranzuschaffen, an dem sie sich ausleben konnten. Und sie, An-Keyt, war ihm in ihrer grenzenlosen Dummheit in die Arme gelaufen. Die Loowerin erinnerte sich an ihren Schwur, nicht auf der PAN-THAU-RA zu sterben. Wie töricht zu glauben, dass ein Vorsatz allein genügen konnte. Wie un-entelechisch! Ein kaltes Gefühl machte sich in An-Keyt breit. In gewisser Weise hatte sie verdient, was dieses Wesen und seine Gefährten mit ihr anstellen würden. Es war die Strafe dafür, dass sie aus der Reihe getanzt war.

      Der Fremde schnaubte wieder.

      »Schon gut«, sagte An-Keyt schicksalsergeben. Sie hatte sich selbst zuzuschreiben, was nun geschehen würde. »Schon gut. Ich komme ja mit.«

      Sie zog Tentakel und Flughäute ein, senkte den Oberkörper in einer Geste der Unterwerfung. Hier, nimm mich!, schrie ihr Körper. Ich gehöre dir!

      Der Fremde verstand sie auch jetzt noch nicht, da sie ohne Worte zu ihm sprach. Er machte keine Anstalten, ihr die Waffe abzunehmen oder sie zu fesseln. Ja nicht einmal, ihr die Richtung anzuzeigen, in die sie gehen sollte.

      An-Keyt hob vorsichtig ein Stielauge. Der Fremde fuchtelte jetzt mit der Waffe, begleitete seine Gesten mit einem ununterbrochenen Strom merkwürdiger, rauer Laute, die aus seinem obszönen Sprechmuskel drangen. Und zum ersten Mal glaubte An-Keyt ihn zumindest in Ansätzen zu verstehen: Er war nicht zufrieden mit dem, was sie tat. Nicht im geringsten. Der Fremde gestikulierte weiter, heftiger. Als brenne in ihm eine Wut, die versuchte, sich auf diesem unbeholfenen Weg Luft zu machen.

      »Bitte«, sagte An-Keyt. »Ich versuche ja, dich zu verstehen. Ich brauche nur ein Zeichen, nur ...«

      Es war, als hätte der Fremde ihre Worte verstanden. Das Schlagen seiner Glieder kam zu einem abrupten Halt. Das Beben, das seinen Körper erfasst und sich auf den Lauf der Waffe ausgedehnt hatte, klang ab. Der Fremde streckte den Waffenarm ganz aus, zielte auf ihren Höckerwulst und zischte scharf.

      Es war der Befehl, auf den An-Keyt gewartet hatte. Sie schob einen Fuß vor, um den ersten Schritt in die Gefangenschaft zu machen.

      Ein Zischen stoppte sie, ließ ihren Fuß in der Luft hängen. Der Fremde fixierte sie mit seinen starren Augen, machte mit dem Lauf der Waffe eine kreisende Bewegung, gefolgt von einem Schieben.

      An-Keyt verstand. Dreh dich um! Verschwinde!

      Die Körperhaare der Loowerin erbebten. Sie machte auf dem Absatz kehrt, in einer Bewegung von einer Eleganz und Schnelligkeit, von der die Flachaugen nur träumen konnten. Ihr Rückgrat, das einem Scharnier glich, machte es ihr möglich.

      Sie ging los. Setzte einen Fuß vor den anderen. Konzentriert, als balanciere sie auf einem dünnen Seil über einem Abgrund. Ihre Rückenhaare waren in Aufruhr, juckten mit einer solchen Intensität, dass der Drang, sich mit den Greiflappen – oder wenigstens den Flughäuten! – zu kratzen, beinahe übermächtig war. An-Keyt widerstand ihm. Widerstand auch dem Impuls, ein Stielauge zu drehen, um zu sehen, was der Fremde hinter ihrem Rücken tat. Es war ein furchtbares Gefühl, die totale Ohnmacht. Loower waren Rundumsicht gewohnt, sie kannten keinen toten Winkel, keinen »Rücken«.

      Weiter ging An-Keyt, immer weiter.

      Was ist das für ein Wesen?, fragte sie sich, im festen Glauben, ihre letzten Augenblicke zu erleben. Was ist das für ein Wesen, das es nicht fertig bringt, einen Feind, eines der Wesen, die seinesgleichen ausrotten wie Ungeziefer, aus nächster Nähe zu töten? Es nicht ertragen konnte, ihm ins Auge zu sehen?

      Die Loowerin gelangte an das Ende des Ganges, die Einmündung in einen anderen, breiteren Korridor. Der Augenblick ihres Todes war gekommen. Ein Tod, schändlicher, als sie ihn sich jemals hätte ausmalen können. Ein Opfer ihrer eigenen Unzulänglichkeit. Wäre sie eine wahre Zweidenkerin gewesen, hätte sie sich niemals von ihren Kameraden entfernt. Wäre sie dem Fremden im Schutz ihres Tiefenbewusstseins wenigstens mit Gelassenheit und Würde gegenübergetreten, um einen schnellen und sauberen Tod zu sterben, wäre sie ...

      Sie durfte nicht stehen bleiben. Aufs Geratewohl wandte sie sich nach links. Es war egal, welche Richtung sie einschlug, sie würde nicht weiter als ein, zwei Schritte weit kommen.

      An-Keyt machte einen Schritt, dann einen zweiten, dritten und vierten. Der Gang mit dem Fremden blieb hinter ihr zurück, kein Energiestrahl bohrte sich in ihren Rücken.

       Sie lebte!

      Ihre Beine versagten. Sie sackte auf den Boden. Die Wände, die Decke, alles um sie herum drehte sich. An-Keyt stöhnte, schrie. Ihre Glieder schlugen aus, sie zappelte auf dem kühlen Metall wie ein Fisch, den man seinem Element entrissen hatte, bis das protestierende Pochen in ihren überbeanspruchten Muskeln sie erlahmen ließ. An-Keyt holte tief Luft und kroch los, zurück in den Gang, in dem sie um ein Haar gestorben wäre. Hätte sterben müssen.

      Der Gang war verlassen.

       Kapitel 20

       LFT-Einheit LUCKY JIM

      20. April 1341 NGZ, 12:55 Bordzeit

      Vernehmung: Yun, Eingeborener der Kolonialwelt Snowflake

      Vernehmungsgegenstand: Shon Leehan

      Vernehmender Spezialist: Wilton Dolson

      DOLSON: Yun, darf ich etwas sagen?

      YUN: Seit wann fragst du mich um Erlaubnis für irgendwas?

      DOLSON: Nun, ich möchte dich bitten, nicht wütend zu werden, wenn ich gleich etwas sage. In Ordnung?

      YUN: Ich werd's versuchen. Was gibt's?

      DOLSON: Ich weiß, dass du Shon Leehan als deinen Freund siehst. Bitte nimm das, was ich jetzt sage, nicht als Beleidigung, aber ... in eurer Begegnung mit den Tring ... er erweckt nicht gerade den Eindruck eines Menschen, der vor Kompetenz überschäumt, nicht?

      YUN: [Ruckt hoch.] Was meinst du damit?

      DOLSON: Na ja, Shon Leehan ist Xeno-Ethnologe, Spezialist für fremde Intelligenzen und ihre Gesellschaften. Behauptet er wenigstens.


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