Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas Brandhorst

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Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband) - Andreas  Brandhorst


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Eiswelt namens Snowflake, spärlich besiedelt und in der Nähe seiner Heimatwelt gelegen. Letzteres ein Zufall und eher ein Grund, der gegen einen Trip nach Snowflake gesprochen hätte. Doch die Gelegenheit war günstig gewesen. Deshwan hatte die Hitze der Dschungelwelt, auf der er Monate verbracht hatte, gründlich satt gehabt, und der schnellste Weg, sie hinter sich zulassen, war der Flug nach Snowflake gewesen. Die Kälte würde ihm gut tun, glaubte Deshwan, und auf dem Eis würde er die Einsamkeit finden, die ihm auf der Dschungelwelt versagt geblieben war. Zu viele Dummköpfe mit überschweren Strahlengewehren, die darauf aus waren, sich eine Bestätigung ihrer Männlichkeit zu erballern, hatten ihn ermüdet.

      Auf Snowflake gab es nichts, auf was zu schießen sich gelohnt hätte. Nur Eis und Schnee, die gelegentliche Robbe, manchmal sogar Rudel von ihnen, Eingeborene – angeblich insektenartig – die eher Gerücht als Realität waren und Deshwan nie über den Weg liefen – und Menschen.

      Viel zu viele von ihnen. Anstatt in den Kuppeln zu bleiben, wo sie hingehörten, zog es sie auf das Eis. Manche dieser Menschen waren grotesk deformiert, sie nannten sich Zweite oder Dritte, Opfer eines missglückten Versuchs gesteuerter genetischer Anpassung. Sie zogen, von einer übermächtigen Sehnsucht getrieben, auf das Eis und starben. Erfroren jämmerlich in einer Welt, für die sie nicht geschaffen waren. Deshwan verachtete sie, verfluchte sie. Sie störten seine Ruhe, machten seine Einsamkeit zunichte, die Majestät des Eises. Er ging ihnen aus dem Weg, beschimpfte sie, wenn ihm das nicht gelang. Und als er und Koppin schließlich nach einem langen Sturm auf ein Lager von Zweiern und Dreiern stießen, beweinte er ihre steif gefrorenen Leichen. Von da an war es nur ein Schritt zur Bewunderung – waren sie nicht wie er? Trotzten sie nicht den Elementen? – und ein weiterer zum Eingreifen. Es war seine dritte Wiedergeburt.

      Deshwan setzte sich eine neue Aufgabe: Leben zu erschaffen. Leben, das im Ringen mit dem Eis eine faire Chance haben sollte. Auf Snowflake hatte er Menschen gefunden, deren Mut dem der frühen Oxtorner glich, der Schiffbrüchigen, die sich einer Welt gegenübergesehen hatten, für die sie nicht erschaffen waren. Doch ihre Körper hinkten ihren Geistern hinterher, sie kämpften einen aussichtslosen Kampf. Deshwan würde für Waffengleichheit zwischen dem Planeten Snowflake und den Menschen sorgen.

      An finanziellen Mitteln mangelte es ihm nicht. Er war ein herausragender Söldner gewesen, entlohnt mit hohen Summen, für die er keine Verwendung gehabt hatte. Er hätte sie ins Nichts überweisen können wie der merkwürdige Fremde mit dem Rückgratscharnier, aber Deshwan hatte es vorgezogen, das Geld zu investieren. Aus Gewohnheit aus seinen Springerjahren, hatte er damals geglaubt, aber nun wusste er es besser. Der Sold, den er für das Töten erhalten hatte, war von Anfang an dazu bestimmt gewesen, neues Leben zu erschaffen.

      Wahres Leben, ursprüngliches Leben. Leben, das im Kampf um das Dasein aus sich selbst heraus bestehen konnte.

      Deshwan ging daran, das beste Know-how einzukaufen, das es in der Milchstraße gab. Er musste sich beeilen. Ihm würden nicht mehr viele Jahre bleiben, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Er entschloss sich deshalb, in zwei Schritten vorzugehen. Erst eine Zwischenstufe, Vierte genannt, und dann, ausgehend von den Erfahrungen mit den Vierten, die Endstufe, perfekt an Snowflake angepasste Wesen. Die Fünften. Sie ...

      Ein Holo entstand. Sein Stellvertreter blickte ihn an.

      »Was gibt es, Rivol?«

      »Wir haben die Trümmerflotten geortet. Beide.«

      Beide. Es musste sich um mehr als eine Routinematerialisation handeln. Er schluckte einen Klumpen herunter, der sich in seinem Mund gebildet hatte.

      »Wo?«, fragte er.

      Er bekam die Antwort, die er gefürchtet hatte. »Im Flake-System.«

       Kapitel 28

      Der Tag neigte sich dem Ende zu. Einer wie viele, beinahe austauschbar, wäre nicht die Demütigung des Vordenkers gewesen: ein ermüdender, monotoner Marsch. Teil des großen Marschs, der sie schließlich zum Mittelpunkt der PAN-THAU-RA bringen würde.

      Lef-Krar hatte den Helm ausgefahren. An-Keyt sah Bilder über die Innenfläche huschen, die den Höckerwulst des Navigators in wechselndes Licht tauchten. Der Loower kommunizierte mit dem Helk des Trupps, ging mit ihm zusammen in Frage kommende Nachtquartiere durch. An-Keyt konnte an den Gesten des Navigators den Verlauf des Gesprächs ablesen. Lef-Krar hatte die Eigenart, seine Worte stets mit Bewegungen der Tentakel zu unterstreichen, und sie war offenbar so tief in ihm verankert, dass er sie auch im Umgang mit einem Gesprächspartner nicht ablegen konnte, der ihn optisch gar nicht wahrnahm.

      An-Keyt verfolgte mehrere Ablehnungen in schneller Folge, dann eine kurze Diskussion, schließlich die Zustimmung des Navigators.

      Er klappte den Helm ein. »Hier lang«, verkündete er und zeigte auf eine Abzweigung. »Es ist nicht weit.«

      Dankbar für die Aussicht, einen anstrengenden Tag endlich abzuschließen, wollte der Trupp aufbrechen, aber der Vordenker ging dazwischen.

      »Halt! Wer hat den Befehl gegeben, das Nachtquartier aufzusuchen?«

      Er bekam keine Antwort. Sie war zu offensichtlich. Wozu einen Befehl für das, was der einzig vernünftige nächste Schritt war, der gemeinsame Wille des Trupps?

      Schließlich sagte Lef-Krar: »Niemand.« Er atmete tief durch. »Es ist selbstverständlich dein Privileg, ihn zu geben.«

      »Richtig.«

      »Worauf wartest du dann?«

      »Auf den richtigen Moment. Er ist noch nicht gekommen.«

      »Was ...?«

      Die Helme des Trupps klappten hoch. Der Vordenker hatte seinen Primärkode benutzt.

      »Sieh dir das an!«, hörte An-Keyt seine Stimme aus den Akustikfeldern dringen. »Was sagst du hierzu?«

      Die Frage war an den Navigator gerichtet. An-Keyt sah auf der Schemadarstellung ein Neuneck. Es pulsierte orange.

      »Was soll ich dazu sagen? Es ist ein potentielles Feindnest.«

      »Richtig. Und?«

      »Wir passieren jeden Tag Dutzende von ihnen und überlassen sie dem Helk. Sobald die Helk-Module den unmittelbaren Bereich um unser Nachtquartier gesichert haben, werden sie sich darum kümmern.«

      »Wie lange wird es bis dahin dauern?«

      »Einige Subeinheiten vielleicht. Der genaue Zeitraum lässt sich nicht vorhersagen, weil wir nicht wissen, worauf sie bei der Säuberung stoßen werden.«

      »Einige Subeinheiten. Oder mehr. Was ist, wenn die Flachaugen bis dahin die Flucht ergriffen haben?«

      »Was soll schon sein?« Lef-Krar gab sich zunehmend weniger Mühe, die Genervtheit aus seiner Stimme herauszuhalten. »Dann erwischen wir sie morgen oder übermorgen oder was weiß ich wann. Sie können uns nicht entkommen. Es gibt keine Lücke in unserem Vormarsch. Der Plan sieht sie nicht vor.«

      »Falsch. Uns können sie schon entwischen. Willst du die Verantwortung dafür übernehmen, dass sie in einen anderen Sektor fliehen und dort womöglich unersetzliche Loower-Leben nehmen?«

      »Nein, natürlich nicht.«

      »Schön. Ich wusste, dass du einsichtig bist. Wieso machst du nicht öfters von deiner Klugheit Gebrauch, Lef-Krar?«

      Die Tentakel des Navigators zuckten vor, verschränkten sich in einem Griff, mit dem er spielend eine Flughaut hätte abreißen können. »Ich ziehe einige Helk-Module ab, die sich um das Nest kümmern«, sagte er betont ruhig.

      An-Keyt glaubte, die Krise sei damit ausgestanden, Negan-Parrs Bloßstellung wenigstens fürs Erste gesühnt. Sie irrte sich.

      »Nicht doch«, hakte der Vordenker nach. »Es wäre äußerst unklug, Helk-Module von der Sicherung des Nachtquartiers abzuziehen. Willst du uns alle gefährden, Navigator?« Die Stielaugen des Vordenkers waren jetzt ganz ausgefahren. Er wollte sichergehen, dass er keine Einzelheit seiner Vergeltung verpasste. »Das wäre unverantwortlich. Wir erledigen das selbst.«


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