Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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jun­gen Ba­stards er­schöpf­te je­doch end­lich ihre Ge­duld; er ver­folg­te Mäd­chen und Frau­en auf der Stra­ße und bis in die Häu­ser und be­han­del­te die Män­ner, die es ihm weh­ren woll­ten, als re­bel­li­schen Pö­bel, den er zu stra­fen wis­sen wer­de. Da­rauf­hin wur­de er vom Kai­ser wohl ein­mal zur Ord­nung ge­wie­sen, ohne dass je­doch et­was We­sent­li­ches ge­än­dert wur­de. Nun lern­te Don Gi­u­lio bei ei­nem Tanz, wo er sich ein­ge­drängt hat­te, die Toch­ter ei­nes Bar­biers ken­nen, ein scheu­es, mehr lieb­rei­zen­des als schö­nes Mäd­chen, in die er sich ver­lieb­te und die er so an sich zu zie­hen wuss­te, dass sie ihre El­tern ver­ließ, um als sei­ne Ge­lieb­te bei ihm zu woh­nen. Sei­ne nicht un­ed­le Er­schei­nung, sein lei­den­schaft­li­ches und zu­gleich hoch­fah­ren­des We­sen mach­ten sie so sehr zu sei­ner Skla­vin, dass sie sich se­lig pries, den Staub von sei­nen Fü­ßen küs­sen zu dür­fen, und dass eine Lieb­ko­sung von sei­ner Hand ihr fast die Be­sin­nung raub­te. Alle Ver­su­che der El­tern, ihr Kind zu­rück­zu­ho­len, wa­ren ver­geb­lich; er jag­te sie fort mit dem Be­deu­ten, es sei ihr frei­er Wil­le, ihm in sei­nem Hau­se als Magd zu die­nen.

      In ei­ner Nacht je­doch kam das Mäd­chen schwer­ver­wun­det vor die Tür ih­res El­tern­hau­ses und ließ sich jam­mernd in ihr ver­las­se­nes Bett tra­gen; den Prin­zen hat­te, als sie in sei­nen Ar­men lag, plötz­lich eine Ra­se­rei er­grif­fen, so­dass er sie würg­te, sie in die Brust biss und sie er­mor­det hät­te, wenn auf ihr Schrei­en nicht ein Die­ner ge­kom­men wäre und ihr die Flucht er­mög­licht hät­te. Wi­der Er­war­ten ge­nas das Mäd­chen un­ter der Pfle­ge der El­tern, die es nun ängst­lich im Hau­se hü­te­ten. Trotz­dem ge­lang es Don Gi­u­lio, ihr Brie­fe zu­zu­ste­cken und auch selbst ein­zu­drin­gen; al­lein der Va­ter warf ihn hin­aus und rief, um sein Kind vor fer­ne­ren Nach­stel­lun­gen zu si­chern, den Schutz des Statt­hal­ters von Kru­mau an. Die­ser ver­wünsch­te im Her­zen den un­be­que­men Ba­stard, gab aber doch sei­nem her­ri­schen Drän­gen und Dro­hen nach und ließ es zu, dass der Bar­bier, weil er den Sohn des Kai­sers an­ge­grif­fen hät­te, ins Ge­fäng­nis ge­wor­fen wur­de. Nun er­reich­te Don Gi­u­lio sei­nen Wil­len; denn die furcht­sa­me Mut­ter glaub­te durch Nach­gie­big­keit Gna­de für ih­ren Mann er­kau­fen zu müs­sen, und das Mäd­chen ver­moch­te, wie­wohl es sich ent­setz­te und ver­lo­ren gab, kei­nen Wi­der­stand zu leis­ten. Durch De­mut und Zärt­lich­keit such­te sie einen neu­en Aus­bruch sei­ner selt­sa­men Wut zu be­schwö­ren, in­des er sie miss­trau­isch be­ob­ach­te­te, weil es ihm schi­en, als sei sie trau­rig und ver­lan­ge nach Hau­se. So wa­ren meh­re­re Wo­chen ver­gan­gen, als er ei­nes Abends, nach­dem er mehr Wein als ge­wöhn­lich ge­trun­ken hat­te, sie auf­for­der­te, sich zu ihm zu set­zen und mit ihm zu trin­ken. Ihre Wei­ge­rung reiz­te ihn, und es kam ein Blick in sei­ne Au­gen, der ihr eine schreck­li­che Erin­ne­rung ein­flö­ßte und ihre Glie­der lähm­te. Als er ihre Angst sah, ver­rie­gel­te er Tür und Fens­ter, warf sie auf das Bett und ließ nicht von ihr ab, bis sie tot war; ih­ren emp­fin­dungs­lo­sen Kör­per zer­riss und zer­hack­te er, wor­auf ihn plötz­lich die Kräf­te ver­lie­ßen.

      Das ge­sche­he­ne Un­glück such­te man nach Mög­lich­keit zu ver­tu­schen. Der Bar­bier, der im Ge­fäng­nis schwer er­krankt war, wur­de zu­nächst dar­in ge­las­sen, da­mit sein Ge­schrei das Übel nicht ver­meh­re; spä­ter dach­te man, wenn es noch nö­tig sei, ihn durch Geld ab­zu­fin­den. Frei­lich sah der Statt­hal­ter ein, dass ernst­li­che Maß­nah­men ge­trof­fen wer­den müss­ten, um den Un­hold an der Aus­übung wei­te­rer und viel­leicht emp­find­li­che­rer Ab­scheu­lich­kei­ten zu ver­hin­dern.

      Phil­ipp Lang un­ter­nahm es, den Kai­ser von dem Vor­ge­fal­le­nen in Kennt­nis zu set­zen, mach­te aber durch­aus nicht den Ein­druck da­mit, den man ge­fürch­tet hat­te. Das Mäd­chen hät­te sich vor­se­hen sol­len, mein­te der Kai­ser, man kön­ne nicht für jede Hure in der Welt auf­kom­men. Das sei wohl wahr, sag­te Lang; aber es sei doch wohl an dem, dass der jun­ge Herr ein we­nig haupt­krank sei, wie die Ärz­te wis­sen woll­ten, und man tue da­her viel­leicht am bes­ten, wenn man ihn der Be­wa­chung ei­nes ge­schick­ten Arz­tes so­wie ei­nes Geist­li­chen an­ver­traue, die wech­sel­wei­se mit Pur­gan­zen und Buß­pre­dig­ten, wie es sich eben schi­cke, ih­ren Vor­teil an ihm wahr­neh­men könn­ten. »Mei­net­we­gen«, sag­te der Kai­ser; man sol­le nur gründ­lich mit ihm ab­fah­ren, ihm sei al­les gleich. Sei­ne Söh­ne taug­ten nichts, frön­ten auf sei­ne Kos­ten ei­nem üp­pi­gen Le­ben, ohne es ihm zu dan­ken. Er zie­he jetzt die Hand von Don Gi­u­lio ab, und es dür­fe bei sei­ner Un­gna­de künf­tig nicht mehr von ihm ge­re­det wer­den.

      In der habs­bur­gi­schen Fa­mi­lie wur­de die­se Ge­schich­te Don Gi­u­li­os mit Scha­den­freu­de und Ent­rüs­tung be­spro­chen und be­stärk­te sie in der Mei­nung, mit Ru­dolf gehe es ab­wärts, und sie müss­ten sich zu­sam­menschlie­ßen, da­mit er nicht das gan­ze Haus in den Ab­grund zie­he. Schon im Jah­re 1606 hat­ten sie un­ter sorg­fäl­ti­gen Vor­keh­run­gen zur Ge­heim­hal­tung ih­res Un­ter­fan­gens einen Ver­trag ab­ge­schlos­sen, nach wel­chem Matt­hi­as, als der Äl­tes­te, zu ih­rem Haupt an­ge­nom­men wer­den und be­fugt sein soll­te, im Fal­le der Not et­was Ent­schei­den­des vor­zu­neh­men.

      Ru­dolf hat­te sich, nach­dem er sei­nes treu­en Feld­herrn be­raubt war, dazu be­we­gen las­sen, dass er Matt­hi­as in dem noch im­mer fort­dau­ern­den Tür­ken­krie­ge den Ober­be­fehl über­trug, und un­ter des­sen Lei­tung war es zu ei­nem nicht ge­ra­de un­güns­ti­gen Frie­dens­ver­tra­ge ge­kom­men. Als nun aber der Ver­trag dem Kai­ser vor­ge­legt wur­de, wei­ger­te er sich zu un­ter­schrei­ben, weil dar­in schimpf­li­che Ver­lus­te für ihn vor­ge­se­hen wä­ren; der Krieg, sag­te er, sol­le bis zur voll­stän­di­gen Un­ter­wer­fung des Fein­des fort­ge­setzt wer­den. Da­ge­gen war zu er­wi­dern, dass es zur Fort­füh­rung des Krie­ges an Geld feh­le, dass die Un­garn sich mit den Tür­ken ver­bin­den wür­den und dass es dem dop­pel­ten An­griff zu wi­der­ste­hen noch we­ni­ger mög­lich sein wür­de; aber Ru­dolf ent­geg­ne­te, er wis­se recht gut, dass Matt­hi­as durch den Frie­den das Heer frei be­kom­men wol­le, um es nach Prag zu füh­ren und ihm, sei­nem Bru­der, die Kro­ne zu ent­rei­ßen; da­hin wol­le er es nicht kom­men las­sen.

      Die­sen Ver­dacht galt es dem Kai­ser aus­zu­trei­ben, und da Matt­hi­as sein Ge­wis­sen nicht rein fühl­te, auch die Ab­nei­gung des Bru­ders ge­gen sei­ne Per­son sich nicht zu über­win­den ge­trau­te, mach­te sich Khlesl nach Prag auf, um den Kai­ser von sei­nes Schütz­lings Un­schuld und Er­ge­ben­heit zu über­zeu­gen. Bei dem Has­se Ru­dolfs ge­gen Matt­hi­as war die­se Rei­se nicht ohne Ge­fahr für den Bi­schof, und vie­le warn­ten ihn, er sol­le sei­nen Kopf nicht mut­wil­lig in des Lö­wen Ra­chen ste­cken; aber Khlesl ließ sich nie durch Be­fürch­tun­gen für sei­ne Per­son von ei­nem Un­ter­neh­men ab­hal­ten, auch weil er sich als Werk­zeug Got­tes noch zu vie­len Ta­ten und Ehren vor­be­hal­ten glaub­te. Frei­lich konn­te er sich in Prag neu­er, un­be­hag­li­cher Ge­füh­le nicht im­mer er­weh­ren. An das klei­ne, bür­ger­li­che Wien ge­wöhnt, wo ihn je­der­mann kann­te und ehr­fürch­tig grüß­te, schi­en er sich fast in einen an­de­ren Erd­teil und un­ter bar­ba­ri­sche Fremd­lin­ge ver­setzt, de­ren Blick teils gleich­gül­tig, teils mit feind­se­li­ger Dro­hung auf ihm ruh­ten. Wenn sie hier ein Bu­ben­stück­lein an dir ver­üben woll­ten, ging es ihm zu­wei­len durch den Sinn, so möch­te es wohl lan­ge wäh­ren, bis ein Hahn da­nach kräh­te; aber er ließ das nicht auf­kom­men, son­dern be­ru­hig­te


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