Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Ei­fer vor­ge­wor­fen hat­te, und er dach­te, wie leicht er hier oben in ei­nem plötz­lich sich öff­nen­den Ver­lies für im­mer ver­schwin­den könn­te. Vor­wärts, Khlesl, raun­te er sich zu, die Furcht kommt vom Teu­fel! und sie wich denn auch mit ei­nem Schla­ge von ihm, als er dem Kai­ser ge­gen­über­stand, des­sen Blick sich in die Au­gen­höh­len zu­rück­zu­zie­hen schi­en und der ihm mit vor­neh­mer Lie­bens­wür­dig­keit die Hand reich­te. Lei­se und lang­sam sprach er da­bei sein Ver­gnü­gen aus, den be­rühm­ten Bi­schof ken­nen­zu­ler­nen, der so viel für die Wie­der­her­stel­lung der Kir­che ge­tan habe, und zeig­te sich über die­se Ver­hält­nis­se gut un­ter­rich­tet. Un­will­kür­lich duck­te sich Khlesl zu­sam­men, als wis­se er mit sei­ner großen, ma­ge­ren, stark­kno­chi­gen Per­son dem sanf­ten, ver­bor­ge­nen Man­ne vor ihm nicht bei­zu­kom­men, und be­gann von sei­ner An­häng­lich­keit an die Ma­je­stät zu spre­chen, wor­an er die Bit­te knüpf­te, der Kai­ser möge doch et­wai­gen Ver­leum­dun­gen kei­nen Glau­ben schen­ken, son­dern ihn als den er­ge­bens­ten sei­ner Die­ner be­trach­ten. Er hat­te je­doch den Satz kaum vollen­det, als er sich durch ein ge­lin­des Kopf­ni­cken und freund­li­ches Hand­win­ken des Kai­sers aus dem Zim­mer ge­scho­ben fühl­te und sich nach we­ni­gen Mi­nu­ten zwar un­be­schä­digt, aber ohne ir­gend­ein Er­geb­nis er­run­gen zu ha­ben wie­der vor die Burg ver­setzt sah.

      An eine zwei­te Au­di­enz war nicht zu den­ken, oh­ne­hin be­durf­te der Kai­ser meh­re­re Tage, um sich von der An­stren­gung die­ses Empfan­ges zu er­ho­len. Von der Falsch­heit und Rau­blust des Matt­hi­as nur de­sto mehr über­zeugt, blick­te er angst­voll nach je­man­dem aus, der ihn vor sei­nen Fein­den schütz­te. Durch die Do­nau­wör­ther Sa­che ver­pflich­te­te er sich den Her­zog von Bay­ern, be­reu­te es aber, so­wie es ge­sche­hen war, und hät­te es gern rück­gän­gig ge­macht. Wie hat­te er auf Kos­ten der Reichs­städ­te, de­ren stets ge­füll­te Kas­se ihm in so man­chen Ver­le­gen­hei­ten aus­ge­hol­fen hat­te, den ehr­gei­zi­gen, heim­tücki­schen, nur all­zu mäch­ti­gen Fürs­ten be­rei­chern kön­nen? Hät­te er es nicht lie­ber mit den Evan­ge­li­schen hal­ten sol­len, von de­nen er in sei­ner Um­ge­bung so oft hör­te, dass sie ihm er­ge­be­ner wä­ren als sei­ne Glau­bens­ge­nos­sen und dass sie nicht, wie die Je­sui­ten, den Kö­nigs­mord für eine er­laub­te Sa­che hiel­ten?

      Die be­dräng­te Lage des Kai­sers, die an den Hö­fen im Rei­che wohl­be­kannt war, brach­te den un­ter­neh­mends­ten un­ter den deut­schen Fürs­ten, Chris­ti­an von An­halt, auf den Ge­dan­ken, dass die Pro­tes­tan­ten sie be­nüt­zen müss­ten, um ihre Stel­lung durch An­schluss an das Reichsober­haupt zu be­fes­ti­gen. Die­ser Prinz, des­sen mun­te­ren, tap­fe­ren Geist die Sor­ge für sein klei­nes Land nicht aus­füll­te, hat­te eine Statt­hal­ter­schaft im pfäl­zi­schen Dienst an­ge­nom­men, die ihn in leb­haf­te­ren Zu­sam­men­hang mit den Welt­hän­deln brach­te. Rei­sen und Brief­wech­sel ver­mit­tel­ten ihm die Kennt­nis von al­lem, was vor­fiel, und lie­fer­ten ihm da­durch den Stoff zu stets neu­en An­schlä­gen im In­ter­es­se sei­ner Glau­ben­s­par­tei. Auch in Prag war er schon ein­mal ge­we­sen, hat­te dort Be­zie­hun­gen zum böh­mi­schen Adel an­ge­knüpft und war so­gar vom Kai­ser emp­fan­gen und mit Aus­zeich­nung be­han­delt wor­den. Mit der Über­zeu­gung, dass es sei­ner Kühn­heit und Schlau­heit nicht feh­len kön­ne, trat er die Rei­se an. Von den pro­tes­tan­ti­schen Her­ren in Prag wur­de er gut auf­ge­nom­men, und ihre Gast­freund­schaft ent­zück­te ihn; fast ver­wun­der­lich kam es ihm vor, dass sie so viel Wert auf den Bei­stand der Uni­on leg­ten, da doch die deut­schen Fürs­ten, an ih­rem Reich­tum ge­mes­sen, arme Schel­me wa­ren. Die re­for­mier­ten Her­ren Wen­zel von Bu­do­wa, Rup­pa und Eras­mus von Tschernem­bl, der be­deu­tends­te Stan­des­herr von Ös­ter­reich, hat­ten un­ge­mei­ne theo­lo­gi­sche Kennt­nis­se und wa­ren in der Po­li­tik al­ler Län­der be­wan­dert. Sie trau­ten alle dem Kai­ser durch­aus nicht, man könn­te ihn al­len­falls zwin­gen, Ver­spre­chun­gen zu ge­ben, nicht aber, sie zu hal­ten, er sei ein Rep­til, das über­all durch­schlüp­fe. Mit Matt­hi­as sei viel­leicht eher et­was aus­zu­rich­ten, er kön­ne die Hil­fe der Pro­tes­tan­ten durch­aus nicht ent­beh­ren, und wenn man nur den Khlesl ab­schaff­te, so wer­de er leicht zu re­gie­ren sein.

      Chris­ti­an von An­halt hör­te sol­chen Ge­sprä­chen, wo die Fürs­ten wie Wür­fel hin und her ge­spielt wur­den, ver­wun­dert und mit heim­li­cher Miss­bil­li­gung zu, ließ sich aber nichts mer­ken, auch weil er dach­te, dass es da­mit noch gute Wei­le habe. Das üp­pi­ge We­sen mit den Wei­bern, das in Prag im Schwan­ge war, miss­fiel ihm glei­cher­wei­se, und er hielt sich ei­ni­ger­ma­ßen da­von zu­rück. Er pfleg­te sich stets einen Raum in sei­nem Geis­te wie eine Ka­pel­le vor­zu­be­hal­ten, wo­hin Lärm, Schmutz und Un­ge­zie­fer der Welt­ge­schäf­te nicht drang, wo der kla­re Hauch des rei­nen Got­tes­glau­bens und ho­her Men­sch­lich­keit weh­te und wo das Bild­nis ei­ner Frau thron­te, die er in­brüns­tig lieb­te und die ihm an­ge­hör­te, sei­ner Ge­mah­lin, ei­ner Grä­fin Bentheim, mit der er nun seit etwa zehn Jah­ren ver­hei­ra­tet war. Was ihn um­gab und was er tat, moch­te hie und da ein­mal übel schme­cken, das Be­wusst­sein, dass sei­ne See­le, wann er woll­te, sich in ei­nem Pa­ra­die­se läu­tern konn­te, ver­lieh sei­nem We­sen einen an­mu­ti­gen und stol­zen Schwung.

      Hoff­nung be­schwing­te sei­nen Schritt, als er den Weg zum Kai­ser an­trat, und blies wie ein fri­scher Flü­gel­schlag mit ihm in das Ge­mach des Mon­ar­chen; er er­wi­der­te An­halts ehr­furchts­vol­len Gruß freund­lich, er­in­ner­te ihn an ihre frü­he­re Be­geg­nung und er­mun­ter­te ihn, sich zu­trau­lich zu äu­ßern. Zu­nächst, sag­te An­halt, kön­ne er nur Dank äu­ßern, dass der Kai­ser ihm das Glück sei­ner Ge­gen­wart ge­wäh­re, Dank, dass er in die­sem Au­gen­blick nicht nur als der Un­ter­tan zu sei­nem Herr­scher, son­dern dass er als ein Fürst und ein Mann zu dem spre­chen dür­fe, von dem die Ge­schi­cke der Welt ab­hin­gen.

      »Soll­te es Euer Lieb­den al­lein un­be­kannt sein«, sag­te Ru­dolf weh­mü­tig, »dass kaum ein Herr auf sei­nem Gute so ver­las­sen und ohn­mäch­tig ist wie der


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