Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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sie so mark­ten, sag­te dann wohl An­halt un­ge­dul­dig, wenn es sich um die Frei­heit der Ge­wis­sen han­de­le! Woll­ten sie still­sit­zen, wenn nun die Hor­den der Je­sui­ten und Ka­pu­zi­ner nä­her­rück­ten, um die dem rei­nen Got­tes­dienst ge­weih­ten Kir­chen mit ih­rem Baals­dienst zu be­su­deln?

      Sie wür­den sich weh­ren, er­wi­der­ten die Städ­te, wenn die Wi­der­sa­cher ih­nen zu Lei­be rück­ten; aber da­von wä­ren noch kei­ne An­zei­chen vor­han­den. Wenn in ih­rem Ge­biet ein Päpst­li­cher sich un­be­schei­den auf­führ­te, so hät­ten sie Mit­tel, ihn zu stra­fen trotz Kai­ser und Papst. Bis­her hät­te der Kai­ser sie bei ih­ren Rech­ten und Ge­wohn­hei­ten be­las­sen, wie sie ihm wie­der­um ihre Schul­dig­keit ge­leis­tet hät­ten.

      Sie hät­ten kei­nen Ge­mein­sinn, warf ih­nen An­halt vor.

      Ob die Fürs­ten nicht auch zu­erst ihre Selbs­t­er­hal­tung be­däch­ten, ent­geg­ne­ten die Städ­te. Es wäre bis­her so ge­we­sen, dass sie vom Kai­ser ih­ren Le­bens­fa­den an­ge­spon­nen und dass die Fürs­ten ihn ab­zu­schnei­den ge­trach­tet hät­ten; soll­ten sie sich nun ge­gen den Kai­ser zu den Fürs­ten stel­len? Man sehe jetzt wie­der, wie der Her­zog von Wol­fen­büt­tel der Stadt Braun­schweig nach­stell­te und sie zu ei­ner ge­mei­nen Land­stadt her­un­ter­drücken woll­te.

      Ja, und der Kai­ser hät­te sie nicht be­schützt, sag­te An­halt tri­um­phie­rend, eben­so­we­nig wie die Reichs­stadt Do­nau­wörth, die er viel­mehr aus Glau­bens­hass dem je­sui­ti­schen Her­zog von Bay­ern preis­ge­ge­ben hät­te.

      Wäre die Stadt vor­sich­tig ge­we­sen und hät­te dem Pö­bel nicht zu viel nach­ge­ge­ben, ant­wor­te­ten wie­der­um die Städ­te, möch­te es nicht so weit ge­kom­men sein. Üb­ri­gens wüss­ten sie wohl, dass die ge­gen­wär­ti­gen Läuf­te ge­fähr­lich und be­son­ders für die Städ­te ver­däch­tig wä­ren; sie müss­ten müh­se­lig zwi­schen Scyl­lam und Cha­ryb­dim hin­durch­steu­ern, woll­ten sie die hei­le Haut da­von­tra­gen.

      Als Chris­ten soll­ten sie nicht an ihre Haut den­ken, sag­te An­halt, son­dern an ih­ren Gott. Worauf der nürn­ber­gi­sche Ab­ge­sand­te ein­mal ent­geg­ne­te: »Euer Lieb­den re­den viel von Gott, wenn Sie zu uns spre­chen. Spre­chen Sie aber zu Ihres­glei­chen, so re­den Sie von der Li­ber­tät, wel­ches so viel heißt, als dass die Fürs­ten dem Kai­ser nicht Un­ter­tan sein wol­len.«

      Was fer­ner den Städ­ten durch­aus nicht ein­ge­hen woll­te, war die Ver­bin­dung mit dem Kö­nig von Frank­reich als mit ei­nem aus­län­di­schen Fürs­ten. In der gu­ten al­ten Zeit wür­de man der­glei­chen als Hoch­ver­rat an­ge­se­hen ha­ben, und es kön­ne nichts Gu­tes aus sol­chem Bünd­nis kom­men. Noch dazu sei der Kö­nig von Frank­reich ein Apo­stat, habe sei­nen Glau­ben ab­ge­schwo­ren, sei­ne Glau­bens­brü­der ver­ra­ten und be­kämp­fe sie jetzt. Wie rei­me sich das da­mit, dass er den Pro­tes­tan­ten im Nach­bar­lan­de bei­ste­hen wol­le? Da­bei sei kein Treu und Glau­ben, und es möch­te den gu­ten Deut­schen er­ge­hen wie dem Bä­ren oder Ha­sen, als er mit dem Fuchs ge­mein­sa­me Sa­che mach­te.

      1 Ex­kom­mu­ni­ka­ti­on ist der zeit­lich be­grenz­te oder auch per­ma­nen­te Aus­schluss aus ei­ner re­li­gi­ösen Ge­mein­schaft oder von be­stimm­ten Ak­ti­vi­tä­ten in ei­ner re­li­gi­ösen Ge­mein­schaft. <<<

      Auf der Stra­ße, die durch die Ber­ge der Ei­fel nach Dü­ren führ­te, über­hol­te ein Trupp Mans­fel­di­scher Rei­ter ei­ni­ge Land­leu­te, die eine Hoch­zeit zu voll­zie­hen sich in das nächs­te Kirch­dorf be­ga­ben. Es wa­ren das Braut­paar, des­sen El­tern und die Ver­wandt­schaft mit ih­ren Kin­dern, alle sau­ber ge­klei­det, die Braut mit Bän­dern und ei­ner tur­mar­ti­gen Kro­ne ge­schmückt, un­ter der ihr jun­ger Kopf sich ernst und scham­haft beug­te. Beim An­blick der Rei­ter er­schra­ken die Leu­te, be­ru­hig­ten sich aber, als ei­ner der­sel­ben, ih­ren Dia­lekt ko­misch nach­ah­mend, sie freund­lich an­sprach, nach dem Wege frag­te und ver­si­cher­te, dass sie nichts Feind­li­ches im Sin­ne hät­ten, viel­mehr selbst der Hil­fe be­dürf­tig wä­ren. Die vom Schreck be­frei­ten Bau­ern ga­ben Be­scheid, wor­auf die Rei­ter sich ih­nen an­schlos­sen und un­ter dem müh­se­lig ge­führ­ten Ge­spräch zur Hoch­zeit ein­lu­den, da sie noch nichts im Lei­be hät­ten, auch Ge­nüg­sam­keit ge­lob­ten, als die Leu­te auf das ge­rin­ge Maß der im Dor­fe vor­han­de­nen Vor­rä­te hin­wie­sen. Es war An­fang Ja­nu­ar, und nach lan­gen Re­gen­ta­gen setz­te schar­fe Käl­te ein; ein bei­ßen­der Nord­wind pfiff durch das lee­re Gins­ter­ge­strüpp, das hie und da die Hü­gel be­wuchs, und die erst durch­weich­ten, nun ge­fro­re­nen Wege wa­ren für die bar­fuß lau­fen­den Kin­der schwer zu be­ge­hen. Eine Vier­tel­stun­de von dem Dor­fe ka­men den Hoch­zei­tern Be­freun­de­te ent­ge­gen, de­nen Spi­el­leu­te vor­an­gin­gen, und wie­der­um zer­streu­te die gute Lau­ne der Rei­ter die Be­sorg­nis, die ihr un­er­war­te­tes Er­schei­nen ein­flö­ßte. Da sich zeig­te, dass sie gute Ka­tho­li­ken wa­ren, die Knie beug­ten und be­te­ten wie die an­de­ren, war die Ein­woh­ner­schaft vollends zu gast­li­cher Auf­nah­me wil­lig, und das Hoch­zeits­mahl wur­de durch her­zu­ge­tra­ge­nes Brot, Fleisch und Dünn­bier, so gut es ge­hen woll­te, er­wei­tert. Beim Tan­ze, der sich an das Es­sen an­schloss, ent­spann sich ein Streit, in­dem ein be­trun­ke­ner Rei­ter die Braut um die sil­ber­nen Be­schlä­ge an­sprach, die ihr Mie­der zier­ten und die sei­ne Hab­gier reiz­ten. Der Bräu­ti­gam lief zu ih­rem Schut­ze her­bei, der Rei­ter wur­de hit­zig, zog die Braut an sich und stach ihr, als sie sich ihm schrei­end ent­win­den woll­te, ein kur­z­es Schwert, das ihm an der Sei­te hing, ins Herz. Daraus ent­wi­ckel­te sich ein all­ge­mei­nes wil­des Kämp­fen, das durch die plötz­li­che An­kunft Mans­felds, des Re­gi­ment­s­obers­ten, un­ter­bro­chen wur­de. Er sprang so­fort vom Pfer­de, trat un­ter die Wü­ten­den und hieß einen der Sei­ni­gen spre­chen, der die Schuld des Ge­sche­he­nen auf die Bau­ern zu schie­ben such­te, als hät­ten sie einen lis­ti­gen Über­fall vor­be­rei­tet, des­sen sie, die Sol­da­ten, sich ge­walt­sam hät­ten er­weh­ren müs­sen. Mans­feld stell­te sich an, als ob er ihm Glau­ben schenk­te, be­fahl sei­nen Leu­ten, al­les her­aus­zu­ge­ben, was sie sich etwa den Bau­ern Ge­hö­ri­ges an­ge­eig­net hät­ten, ließ sie auf­sit­zen und spreng­te mit der gan­zen, nun ver­ei­nig­ten Trup­pe so schnell wie mög­lich da­von, ohne dass die Bau­ern der be­waff­ne­ten Über­macht ge­gen­über Wi­der­stand zu leis­ten hät­ten wa­gen kön­nen.

      Schon lag das frü­he Dun­kel auf den Hü­geln, über die die Rei­ter hin­jag­ten. Mans­feld war ver­stimmt und sag­te un­ge­hal­ten zu dem Leut­nant, der die Schul­di­gen an­ge­führt hat­te, er durch­schaue den wah­ren Sach­ver­halt wohl und wür­de eine blu­ti­ge Stra­fe ver­hängt ha­ben, wenn er nicht hof­fen kön­ne, dass die Tat in die­sem ver­las­se­nen Win­kel be­gra­ben blei­be. Als der Leut­nant sich da­mit ent­schul­di­gen woll­te, dass nach lan­gem Fas­ten ih­nen Es­sen und Trin­ken zu Kop­fe ge­stie­gen sei, hieß ihn Mans­feld schwei­gen; er müs­se für ihre Zü­gel­lo­sig­keit bü­ßen, ihm häng­ten sie den Na­men ei­nes Mord­bren­ners an, der die Ka­tho­li­ken so we­nig ver­scho­ne wie die Evan­ge­li­schen. An ei­ner Weg­schei­de ließ er Halt ma­chen, sprach sein Miss­fal­len und die Hoff­nung aus, die Übel­tä­ter wür­den sich be­ei­fern, ihr Schel­men­stück


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