Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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stu­diert habe, und dass er hof­fe, mit der Zeit noch grö­ße­re Vor­treff­lich­keit dar­in zu er­rei­chen. Die Mu­sik sei bis­her in der ba­by­lo­ni­schen Ge­fan­gen­schaft ge­we­sen, und er möch­te sie in ihre Hei­mat zu­rück­füh­ren. Das sei schwer zu er­klä­ren und schwer zu be­grei­fen. Er wol­le die alte Mu­sik nicht her­ab­set­zen, kei­nes­wegs, denn sie sei eine Of­fen­ba­rung Got­tes ge­we­sen; nun aber müs­se der Tö­ne­brun­nen aus der Men­schen Herz aus­flie­ßen und kün­den, was dar­in­nen sei.

      »Mein Freund«, sag­te Eg­gen­berg, »Ihr seid nur ein be­schei­de­ner Ka­pell­meis­ter, und doch seid Ihr mehr als ir­gend­ei­ner von uns, wie mir scheint, den Göt­tern ähn­lich. Ihr lasst Licht wer­den und zau­bert tö­nen­de Ge­schöp­fe aus dem Ab­grund und ver­bin­det die chao­ti­schen Stim­men zu ei­ner ge­re­gel­ten, in Voll­kom­men­heit schwe­ben­den Har­mo­nie.«

      Das fei­ne, von heim­li­cher Träu­me­rei um­dun­kel­te Ge­sicht Schüt­zens er­hell­te ein gü­ti­ges Lä­cheln. Sein Ge­schäft müs­se doch um vie­les leich­ter sein als das des Herr­gotts, sag­te er; denn des­sen Krea­tu­ren stän­den trotz sei­ner All­macht in lau­ter Ha­der und Dis­pu­tie­ren, die Dis­har­mo­ni­en lös­ten sich nie­mals auf, und es wür­de da­mit im­mer schlim­mer statt bes­ser.

      »Ja, das sind Ge­heim­nis­se«, nick­te Eg­gen­berg ein we­nig zu­rück­hal­tend. »Wir Men­schen ma­chen so viel Lärm auf der Erde, dass wir die Har­mo­nie Got­tes nicht ver­neh­men kön­nen.«

      Khlesl hat­te, auch ab­ge­se­hen von dem Miss­glücken sei­nes Hei­rats­pla­nes, man­che Bit­ter­keit zu schlu­cken. Er hat­te kraft sei­nes Kar­di­nals­ran­ges das Recht, bei Ti­sche zwi­schen den Erz­her­zö­gen zu sit­zen; da die­se aber mit Abrei­se droh­ten, wenn sie nicht über ihn ge­setzt wür­den, was wie­der­um Khlesl sich nicht ge­fal­len las­sen woll­te, schlug der be­dräng­te Hof­mar­schall vor, Khlesl möch­te an ei­ner an­de­ren Ta­fel sit­zen, wo er den un­be­strit­te­nen Ehren­platz ein­neh­men wür­de. Hier­auf ging Khlesl mit sau­rer Mie­ne ein, ob­wohl er wuss­te, dass es ihm zu De­spekt und Schimpf ge­rei­chen wür­de, und es ent­ging ihm auch nicht, mit wel­cher Scha­den­freu­de Ma­xi­mi­li­an ihn vom kai­ser­li­chen Ehren­ti­sche aus be­ob­ach­te­te.

      Der Krieg zwi­schen Ve­ne­dig und dem Kai­ser lock­te vie­le be­rühm­te Feld­her­ren und jun­ge Her­ren von Adel nach Gra­dis­ca, der die große grü­ne fri­au­li­sche Ebe­ne be­herr­schen­den Fes­tung, um die der Kampf haupt­säch­lich sich dreh­te. Wäh­rend Ve­ne­dig sich des be­rühm­ten Gi­us­ti­nia­ni rühm­te, glänz­te auf ös­ter­rei­chi­scher Sei­te na­ment­lich Trautt­mans­dorff, der sei­ne Lauf­bahn in den Kriegs­zü­gen des Matt­hi­as ge­gen Ru­dolf be­gon­nen hat­te (den von Ramée hat­te Erz­her­zog Leo­pold schon vor ei­ni­gen Jah­ren ge­schwind und laut­los pro­zes­sie­ren und köp­fen las­sen). Ne­ben Trautt­mans­dorff mach­ten sich der Loth­rin­ger Dam­pi­er­re, Mar­ra­das, Me­lan­der, be­son­ders aber Al­brecht von Wald­stein oder Wal­len­stein be­merk­bar, ein etwa drei­ßig Jah­re al­ter böh­mi­scher Edel­mann, der als Va­sall des nun­meh­ri­gen Kö­nigs von Böh­men Fer­di­nand ins Feld ge­zo­gen war. Zog Wal­len­stein die Scha­ren der Söld­ner an, so war er doch bei den Ka­me­ra­den nicht be­liebt, wenn man ihm auch zu­ge­stand, dass sein Re­gi­ment in auf­fal­lend gu­ter Ord­nung, tüch­tig und leis­tungs­fä­hig sei; aber er schreck­te durch zu­rück­hal­ten­des und hoch­fah­ren­des We­sen ab, nahm an den ge­mein­sa­men Ban­ket­ten sel­ten teil, be­trank sich nie­mals und schi­en sich über­haupt mit an­de­ren nicht ge­mein ma­chen zu wol­len. Sein Reich­tum er­mög­lich­te ihm, prunk­voll ge­klei­det zu er­schei­nen und sich mit ei­nem Tross reich aus­staf­fier­ter Die­ner zu um­ge­ben. Man wuss­te, dass er dies Ver­mö­gen sei­ner Frau, ei­ner ver­wit­we­ten böh­mi­schen Edel­frau, ver­dank­te, die kürz­lich ge­stor­ben war, ohne Kin­der ge­bo­ren zu ha­ben. Sie war meh­re­re Jah­re äl­ter als er und nicht schön, aber lei­den­schaft­li­cher Na­tur und in ih­ren ernst­haf­ten und tief­sin­ni­gen Mann sehr ver­liebt ge­we­sen. Das Gerücht war von ihr im Um­lauf, um sich sein Herz zu­zu­wen­den, habe sie ihre Zuf­lucht zu ei­ner al­ten Frau ge­nom­men, die sich auf Arz­nei­en und al­ler­lei ver­bor­ge­ne Küns­te ver­stan­den habe, und ihm einen von der­sel­ben zu­sam­men­ge­koch­ten Lie­bes­trank ein­ge­flö­ßt, der aber kei­ne Lie­be, son­dern eine ge­fähr­li­che Krank­heit in ihm er­zeugt habe. Nach sei­ner Ge­ne­sung sei er noch käl­ter als zu­vor ge­gen sie ge­we­sen, wor­über jene alte Frau sehr er­schro­cken ge­we­sen sei und ge­sagt habe, er kön­ne kein fleisch­li­ches Herz ha­ben, wenn es die­sem Zau­ber un­zu­gäng­lich sei. Selbst Tie­re wür­den durch dies Mit­tel zur Lie­bes­brunst an­ge­facht, er müs­se au­ßer­halb der Na­tur und mit feind­li­chen Geis­tern im Bun­de ste­hen. Die arme Frau ver­such­te in from­men Übun­gen Trost zu fin­den, ver­moch­te es aber nicht, sich der hoff­nungs­lo­sen Lie­be zu ent­rei­ßen, und er­gab sich trau­rig in den Tod. Zur zwei­ten Ge­mah­lin wähl­te der jun­ge Wit­wer die ös­ter­rei­chi­sche Grä­fin Har­rach, die nicht reich war, ihn aber durch ihre an­ge­se­he­ne Fa­mi­lie in nahe Ver­bin­dung mit dem Erz­hau­se brach­te.

      Trautt­mans­dorff, der den Ober­be­fehl hat­te, war ein Mann, der sich we­ni­ger durch Feld­herrn­ga­be als durch Kühn­heit und Selbst­be­wusst­sein aus­zeich­ne­te, auch durch sei­ne hel­den­haf­te Ge­stalt und sei­nen stolz ge­tra­ge­nen blon­den Kopf Ein­druck mach­te. Um einen ge­lun­ge­nen Aus­fall zu fei­ern, lud er ei­nes Ta­ges die Of­fi­zie­re zu ei­nem Gast­mahl ein, das im ge­räu­mi­gen Schloss­hof auf­ge­rüs­tet wur­de. Der von Mau­ern ein­ge­schlos­se­ne Platz war schat­tig kühl; jen­seit der­sel­ben sah man das blaue Meer und die röt­li­chen Ber­ge in der schwir­ren­den Luft ko­chen.

      Gleich beim Be­ginn des Es­sens ent­spann sich ein Streit, in­dem Trautt­mans­dorff die Ge­sund­heit des Kai­sers aus­brach­te und sein Glas dar­auf leer­te, wel­chem Bei­spiel alle mit Aus­nah­me Wal­len­steins folg­ten. Von Trautt­mans­dorff dar­über zur Rede ge­stellt, ant­wor­te­te Wal­len­stein kurz, dass er das Wein­trin­ken bei der Hit­ze nicht ver­tra­gen kön­ne, wo­ge­gen Trautt­mans­dorff mit Schär­fe ein­wand­te, er habe Wal­len­stein kürz­lich trin­ken se­hen, als das Wohl des Erz­her­zogs von Stei­er­mark aus­ge­bracht wor­den sei. Der Erz­her­zog von Stei­er­mark sei Kö­nig von Böh­men und sein Herr, ent­geg­ne­te Wal­len­stein. Das sei nicht wahr, rief Trautt­mans­dorff, an­noch habe Matt­hi­as die Ober­herr­schaft in Böh­men, wenn er auch Fer­di­nand schon habe krö­nen las­sen. Und ob Wal­len­stein Matt­hi­as nicht als sei­nem Kai­ser Ge­hor­sam vor al­lem schul­de? In­dem er sich dro­hend von sei­nem Sitz er­hob, frag­te Wal­len­stein, ob Trautt­mans­dorff ihn der Lüge zei­hen wol­le und ob er be­haup­ten wol­le, er, Wal­len­stein, sei kein treu­er Un­ter­tan des Kai­sers?

      Die­ser ge­fähr­li­che Zwist wur­de durch die üb­ri­gen glück­lich bei­ge­legt, und Trautt­mans­dorff wie Wal­len­stein ver­si­cher­ten, dass sie we­der dem Kai­ser noch dem Kö­ni­ge von Böh­men, noch sich ge­gen­sei­tig dies zum Schimpf ge­meint hät­ten. Bald je­doch ent­stand ein neu­er Wort­wech­sel, in­dem Trautt­mans­dorff die Hoff­nung aus­sprach, der nächs­te Krieg wer­de ge­gen die ket­ze­ri­schen Re­bel­len im Reich ge­hen; der Um­stand näm­lich, dass die hol­län­di­schen Staa­ten der Re­pu­blik Ve­ne­dig ein Hilfs­heer un­ter dem Ge­ne­ral Gra­fen Jo­hann Ernst von Nassau ge­sen­det hat­ten, in dem zahl­rei­che Pro­tes­tan­ten


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