Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Sol­dat.

      Da­mals er­schi­en ein Buch, das dem Land­gra­fen An­re­gung ge­währ­te, es hat­te den Ti­tel ›Chy­mi­sche Hoch­zeit Chris­ti­an Ro­sen­creuz‹, gei­ßel­te mit Witz und Wär­me die Las­ter der Zeit und be­rich­te­te von ei­ner Ge­sell­schaft, die zum Zweck eine Re­form der Sit­ten, der Po­li­tik und der Kir­che, kurz, des gan­zen öf­fent­li­chen so­wie pri­va­ten Le­bens habe. Es be­gann mit ei­ner Er­zäh­lung, wie die Wei­ber ei­nes Fa­bel­lan­des sich im Rat­hau­se ver­sam­meln, um den herr­schen­den Übeln ab­zu­hel­fen, wie das Volk in Ehr­furcht war­tet, auf wel­che Wei­se es ge­bes­sert und be­glückt wer­den soll, wie end­lich die ge­hei­lig­te Pfor­te sich öff­net und den Har­ren­den das Er­geb­nis ver­kün­det wird, mit wel­chem der Wen­de­punkt ei­ner neu­en, schö­ne­ren Zeit be­gin­nen soll: eine neue Taxe auf Kraut, Rü­ben und Pe­ter­si­lie.

      Die Emp­feh­lung des Land­gra­fen ver­schaff­te dem Bu­che in Hes­sen vie­le Le­ser, aber auch in an­de­ren kal­vi­ni­schen Ge­gen­den er­reg­te es Bei­fall oder min­des­tens In­ter­es­se, wäh­rend es im All­ge­mei­nen als frech, auf­wieg­le­risch und voll von Ket­ze­rei­en ge­ta­delt und be­kämpft wur­de. Der un­ge­nann­te Ver­fas­ser, nach dem man ver­ge­bens fahn­de­te, war ein Schwa­be, der aus ei­ner Fa­mi­lie von Theo­lo­gen stamm­te, Jo­hann Va­len­tin An­dreae, ein rast­lo­ser Geist, des­sen Ver­stand eben­so durch­drin­gend und un­be­stech­lich wie sei­ne Fan­ta­sie leb­haft war, hei­ter, stolz, warm­her­zig und un­ter­neh­mend. Durch sei­ne Ab­kunft zur Theo­lo­gie be­stimmt, wid­me­te er sich doch zu­nächst aus Nei­gung der Ma­the­ma­tik und Mecha­nik, der Ma­le­rei, Mu­sik und Dich­tung, führ­te ein un­ge­bun­de­nes Rei­se­le­ben oder ver­dien­te sich sei­nen Un­ter­halt als Er­zie­her. Etwa im Jah­re 1613 war er mit zwei Freun­den, dem ös­ter­rei­chi­schen Edel­mann Abra­ham Ho­el­zel und dem schwä­bi­schen Ju­ris­ten Be­sold, sei­ner Ge­sund­heit we­gen im Bade Gries­bach, ohne Stel­lung und wil­lens, sich durch Un­ter­richt die Ein­nah­men zu ver­schaf­fen, de­ren er be­durf­te. Wäh­rend ei­nes län­ge­ren Auf­ent­hal­tes in Ita­li­en hat­te er in Pa­dua Fech­ten und Vol­ti­gie­ren ge­lernt und es mit sei­nem ge­schmei­di­gen Kör­per dar­in zu großer Fer­tig­keit ge­bracht. Als er ei­nes Ta­ges mit Ho­el­zel an ei­nem Plat­ze vor­bei­kam, der zur Kurzweil für die an­we­sen­den rit­ter­li­chen Gäs­te be­stimmt war, lock­te es ihn, sich ein we­nig zu tum­meln, und be­lus­tig­te sich in al­ler­lei Spie­len und Küns­ten mit Ho­el­zel zu­sam­men, der, plum­per ge­baut und we­ni­ger ge­wandt, Jo­hann Va­len­tins Vor­zü­ge in de­sto bes­se­rem Licht er­schei­nen ließ. Am nächs­ten Tage er­zähl­te Ho­el­zel, es hät­ten ihn meh­re­re vor­neh­me jun­ge Leu­te auf­ge­sucht und ihn nach dem jun­gen Man­ne aus­ge­fragt, der sich mit ei­nem so vor­treff­li­chen und un­ge­wöhn­li­chen Vol­ti­gie­ren habe se­hen las­sen; er, Ho­el­zel, habe dar­auf An­dreaes Ta­len­te und Fer­tig­kei­ten ge­rühmt, und sie sei­en be­gie­rig, sei­ne Be­kannt­schaft zu ma­chen. Er sol­le sich be­reit hal­ten, viel­leicht blü­he ihm hier das Glück. In kur­z­er Zeit hat­te er wirk­lich meh­re­re jun­ge Edel­leu­te zu Schü­lern im Fech­ten und Vol­ti­gie­ren, die üb­ri­gens gute Ge­sell­schaf­ter wa­ren. War er mit Ho­el­zel und Be­sold al­lein, so diente es ih­nen zu großer Be­lus­ti­gung, dass An­dreae nun end­lich das Ge­biet ge­fun­den habe, auf wel­chem er Ehre und Vor­teil er­rin­gen kön­ne; kärg­lich sei es ihm er­gan­gen, so­lan­ge er sich der Welt­weis­heit, Kunst und Got­tes­ge­lehrt­heit be­flei­ßigt habe, als Fecht­meis­ter wer­de er zu Ruhm und An­se­hen kom­men. Üb­ri­gens be­schloss er so­gleich, un­ver­merkt auf das In­ne­re der jun­gen Män­ner zu wir­ken, die ihn mit der Aus­bil­dung ih­res Kör­pers be­traut hat­ten, und als ein an­de­rer Mer­kur ihre See­len zu Gott zu füh­ren. Bei dem häu­fi­gen Zu­sam­men­sein fand er Ge­le­gen­heit, sei­ne Kennt­nis­se in der Ma­the­ma­tik zu zei­gen und sie so für die­se Wis­sen­schaft zu in­ter­es­sie­ren, dass sie sich alle et­was da­von an­zu­eig­nen wünsch­ten und ihn um Un­ter­wei­sung ba­ten. Ka­men sie dann auf theo­lo­gi­sche Fra­gen, so lob­te Be­sold wohl die Schrif­ten des Mys­ti­kers Va­len­tin Wei­gel, wäh­rend ihn we­der Luthers noch Kal­vins Leh­re ganz be­frie­di­ge. Sie wä­ren, sag­te er, of­fen­bar von den Men­schen auf­stei­gend zu Gott ge­kom­men, wäh­rend man doch, um zu Gott zu kom­men, sich so weit wie mög­lich von den Men­schen ent­fer­nen müs­se. Die An­schau­ung un­se­res Le­bens müs­se man ver­las­sen, wenn man Gott fin­den wol­le; denn Gott wis­se nichts von uns, Gott wis­se nur von sich, dar­um müs­se, wer zu ihm wol­le, die fes­te Erde von sich sto­ßend einen Sturz in den bo­den­lo­sen Ab­grund wa­gen, der für un­se­re ir­di­schen Sin­ne die Nacht und das Nichts sei.

      Die­se Auf­fas­sung be­kämpf­te An­dreae als schwär­me­risch und ge­fähr­lich. Gott, des­sen We­sen Licht sei, sei nur durch das Licht zu er­rei­chen. Es sei viel Wahr­heit in dem, was Be­sold sage, aber das Gan­ze sei un­wahr. Man dür­fe nicht ver­ges­sen, dass die Welt, wel­chen An­teil auch das Böse an ihr habe, doch von Gott er­schaf­fen, von sei­nem Sa­men und Blut sei. Es kom­me nicht so sehr dar­auf an, dass der ein­zel­ne im Glau­ben Be­frie­di­gung fin­de und Gott nä­her­kom­me, wie dass die Ge­sell­schaft, die kleins­te wie die um­fas­sends­te, eine har­mo­ni­sche Ord­nung dar­stel­le. Luther sei kein Gott, also nicht un­fehl­bar, wenn auch gött­li­chen Geis­tes voll ge­we­sen; aber wel­cher an­de­re Mensch sei das? Wo­hin wür­de man ge­ra­ten, wenn ein je­der die Macht ha­ben soll­te, den ei­ge­nen Träu­men über die höchs­ten Din­ge nach­zu­ge­hen, sich ei­ge­ne Wege zur Se­lig­keit zu gra­ben? Sie wüss­ten wohl alle, dass das Wort Re­li­gi­on von Bin­den kom­me, und sie sol­le in der Tat ein hei­li­ges Band um alle Men­schen, ja um alle Welt schlin­gen. Das möch­te ih­nen ka­tho­lisch klin­gen; aber Luther habe ja auch die ka­tho­li­sche Kir­che nicht ab­schaf­fen, nur rei­ni­gen wol­len. Einst wer­de ge­wiss die Kup­pel der al­lesum­fas­sen­den Kir­che mit dem Ge­wöl­be des Kos­mos sich de­cken und ein Got­tes­haus für alle sein. Das Grü­beln, Schwär­men und Dis­pu­tie­ren müs­se ein­mal auf­hö­ren, je­der sol­le sich auf dem fes­ten Bo­den ge­mein­sa­men Glau­bens ei­nem tä­ti­gen tu­gend­haf­ten Le­ben wid­men. Was für eine wun­der­vol­le Har­mo­nie habe er in den Städ­ten Ba­sel, Zü­rich und Genf ge­se­hen! Die gli­chen licht­brin­gen­den Ster­nen, die sich streng, voll Ruhe und fast gleich­gül­tig auf re­gel­mä­ßi­ger Bahn be­weg­ten.

      Er er­zähl­te mit Vor­lie­be von dem Le­ben in den eid­ge­nös­si­schen Städ­ten, von der Tüch­tig­keit und Ver­nünf­tig­keit ih­rer Be­woh­ner, wie sie ih­rer Ar­beit flei­ßig nach­gin­gen, ein je­der tue, was ihm ob­lie­ge, die Vor­neh­men stolz auf ihre Pf­lich­ten, auch die Ge­rin­ge­ren auf die ih­rem Stan­de ei­gen­tüm­li­che Wür­de. Feh­le es auch nicht ganz an Fle­cken und Ab­wei­chun­gen, so wür­den sie doch aus­ge­gli­chen durch die Re­gel­mä­ßig­keit der Be­we­gung und die Fül­le des Lich­tes im Gan­zen. Frei­lich wä­ren die Theo­lo­gen dort auch an­ders ge­ar­tet als die im Reich und lei­der nicht zum we­nigs­ten in Schwa­ben; sie lehr­ten, pre­dig­ten, wal­te­ten in der Ge­mein­de, tä­ten ihr Ta­ge­werk, an­statt al­ber­ne Spitz­fin­dig­kei­ten aus­zu­boh­ren und sich her­nach dar­über zu zan­ken und zu ver­flu­chen.

      Da­mals wa­ren die lu­the­ri­schen Theo­lo­gen über zwei Streit­fra­gen ge­spal­ten, de­ren eine die Al­lent­hal­ben­heit oder Ubi­qui­tät Chris­ti ge­nannt wur­de. Ei­ni­ge sag­ten, dass, da Chris­ti Leib beim Abend­mahl


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