Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Ma­ria, die habe ihn be­reits so gut ku­riert, dass nur noch ein paar blaue Fle­cken als Spu­ren des gräu­li­chen Stur­zes üb­rig wä­ren. Til­ly sah dem Ge­ret­te­ten an­däch­tig zu, wie er in die Luft sprang und mit den Ar­men um sich hieb, um zu be­wei­sen, dass ihm nichts feh­le, und sag­te, er hof­fe, Gott möge sich sei­ner, Til­lys, be­die­nen, um die Ket­ze­rei in Böh­men aus­zu­rot­ten und die not­lei­den­de Kir­che wie­der auf­zu­rich­ten. Ob Gott ihn ei­nes Mär­ty­rer­tums, wie Mar­ti­nitz und Sla­wa­ta er­lit­ten hät­ten, wür­dig hal­te, wis­se er nicht, aber sein Ei­fer dazu sei stark und mäch­tig, und nichts wün­sche er mehr, als dass Gott das Op­fer sei­nes Le­bens an­näh­me. Wenn Mar­ti­nitz ihm die Ehre an­tun wol­le, in sei­nem Hau­se zu woh­nen, so wol­le er ihm da­für als für eine Gna­de dan­ken, und er zweifle nicht, dass sein Herr, der Her­zog, da­mit ein­ver­stan­den wäre.

      Bei Til­ly blieb Mar­ti­nitz ei­ni­ge Wo­chen, bis sei­ne Fa­mi­lie sich mit ihm ver­ei­nig­te, mit der er dann ein Bür­ger­haus am Vieh­mark­te be­zog. Da in Prag zu­nächst kein Um­schwung ein­trat, viel­mehr ein Re­gi­ment un­ka­tho­li­scher Di­rek­to­ren ein­ge­setzt, end­lich so­gar der Kur­fürst von der Pfalz zum Kö­ni­ge ge­wählt wur­de, dach­te Mar­ti­nitz nicht an Heim­kehr, son­dern sie­del­te von Mün­chen auf den Be­fehl des nun­meh­ri­gen Kai­sers Fer­di­nand nach Passau über, wo­hin sich auch Sla­wa­ta mit den Sei­ni­gen flüch­te­te. Un­ter dem Schut­ze des Erz­her­zog-Bi­schofs Leo­pold, mit dem sie zur Zeit Kai­ser Ru­dolfs und des Pas­sau­er Ein­falls in gu­tem Ein­ver­neh­men ge­stan­den, dem sie so­gar die Nach­fol­ge hat­ten zu­wen­den wol­len, er­war­te­ten sie in be­hag­li­chem Frie­den, doch nicht ohne Un­ge­duld die Ge­le­gen­heit, nach Böh­men zu­rück­zu­keh­ren und sich ih­rer Gü­ter wie­der zu be­mäch­ti­gen.

      Das Er­eig­nis des Fens­ter­stur­zes ver­mehr­te den Streit und die Un­ru­he in der Wie­ner Hof­burg; denn Ma­xi­mi­li­an und Fer­di­nand woll­ten die Em­pö­rung, als was sie den Vor­fall an­sa­hen, so­fort ge­walt­sam nie­der­schla­gen, wo­hin­ge­gen Khlesl der An­sicht war, der Kai­ser müs­se einst­wei­len nach Be­schwich­ti­gung und Ver­mit­te­lung trach­ten. Es sei ein wah­res Sprich­wort, sag­te Khlesl, dass man nur den hän­gen könn­te, den man habe. Wie woll­te man denn aber der Schul­di­gen mäch­tig wer­den? Wo­mit woll­te man lö­schen, wenn es ein­mal brenn­te? Das Feu­er wür­de Land und Leu­te bis aufs Hemd und alle mit­ein­an­der fres­sen. Wo­von soll­te man le­ben, wenn die rei­chen böh­mi­schen Ein­künf­te aus­blie­ben? Der Kai­ser kön­ne nicht ein­mal den Kräut­ler und den Kä­se­ste­cher be­zah­len!

      Dem Kai­ser leuch­te­te die An­sicht Khlesls ein, und so wur­de denn, wäh­rend un­ter der Hand ge­wor­ben und ge­rüs­tet wur­de, ein sanft mah­nen­des Schrei­ben an die böh­mi­schen Stän­de er­las­sen, sie soll­ten ihr un­ziem­li­ches Re­bel­lie­ren ein­stel­len, an­statt des­sen we­gen vor­han­de­ner Schä­den or­dent­li­che Kla­gen ein­rei­chen, vor al­len Din­gen aber die ei­gen­mäch­tig ge­wor­be­nen Sol­da­ten ent­las­sen, so wer­de der Kai­ser ih­nen auch wie­der­um gnä­dig sein.

      Die Stän­de er­wi­der­ten den Brief mit ei­nem Schrei­ben, in dem sie ver­si­cher­ten, das sie sich durch­aus kei­ne Re­bel­li­on an­maß­ten, auch die ge­wor­be­nen Sol­da­ten un­ver­weilt ent­las­sen wür­den, wenn der Kai­ser zu­vor sei­ne Wer­bun­gen ein­stell­te, die nach der Aus­sa­ge fried­häs­si­ger Leu­te ge­gen sie ge­rich­tet wä­ren; denn sie könn­ten, so­lan­ge sie von Krieg und Über­fall be­droht wä­ren, die Rüs­tung nicht wohl ab­le­gen, be­gehr­ten aber nichts an­de­res, als nach wie vor des Kai­sers ge­hor­sa­me und treue Un­ter­ta­nen zu sein.

      In Hin­blick auf die Geld­not des Kai­sers, die ihm nach Khlesls An­sicht das Krieg­füh­ren un­mög­lich mach­te, spiel­te der Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an auf Khlesls großes Ver­mö­gen an, wo­mit er aus­hel­fen kön­ne; aber dar­auf woll­te sich der Erz­bi­schof nicht ein­las­sen, mach­te viel­mehr ein großes Auf­he­ben von den Sum­men, die er Matt­hi­as schon vor­ge­streckt und nicht zu­rück­er­hal­ten habe. Ma­xi­mi­li­an je­doch brach­te dies Ver­mö­gen nicht aus dem Sinn: sie wä­ren aus al­ler Ver­le­gen­heit und hät­ten, was sie brauch­ten, sag­te er zu Fer­di­nand, wenn sie dem lo­sen Bu­ben sein Recht zu­teil wer­den lie­ßen und sein Hab und Gut, das oh­ne­dies er­stoh­len wäre, dem Kai­ser zu­fie­le. Mit ei­nem Gal­gen, ei­nem Strick und dem rech­ten Mann dar­an wol­le er ganz Ös­ter­reich und Böh­men und das Reich dazu in Ord­nung brin­gen.

      Wäh­rend in Böh­men die Rüs­tung in vol­lem Gan­ge war, führ­ten die Ver­hand­lun­gen des Kai­sers mit den Un­garn so weit zu ei­nem Ver­ständ­nis, dass am 1. Juli Fer­di­n­ands Krö­nung in Press­burg vor­ge­nom­men wer­den konn­te. Khlesl hat­te es sich nicht neh­men las­sen, mit zu der Fei­er zu rei­sen, wie­wohl sein Herz nicht fest­lich ge­stimmt war, und sah mit an­de­ren Her­ren von ei­nem Bal­kon des erz­bi­schöf­li­chen Palas­tes, in dem er wohn­te, dem in der mäch­ti­gen Som­mer­son­ne fun­keln­den Auf­zu­ge zu. Eben als ein Es­ter­ha­zy mit sei­nen be­waff­ne­ten Un­ter­ge­be­nen vor­über­ritt und Khlesl sich, um ihn bes­ser zu se­hen, über die Ba­lus­tra­de beug­te, schwirr­te der Bol­zen ei­ner Arm­brust hart an ihm vor­bei und blieb in der Wand des hin­ter dem Bal­kon lie­gen­den Zim­mers ste­cken. In­des die Her­ren hin­eil­ten, das noch zit­tern­de Ge­schoss be­trach­te­ten und sich über den Zu­fall ver­wun­der­ten, ließ sich Khlesl in einen Ses­sel fal­len und trock­ne­te mit ei­nem Tüch­lein den Schweiß von der Stir­ne. »Das war kein Zu­fall«, sag­te er mit schwa­cher Stim­me, »es war ein Gruß für mich von der For­tu­na.« Das sei eine sta­che­li­ge Spra­che für ein Frau­en­zim­mer, lach­ten die Her­ren, wor­auf Khlesl sag­te, es sei ihr Ab­schieds­gruß, da­bei pfleg­ten die Wei­ber, habe er sa­gen hö­ren, mehr zu bei­ßen als zu küs­sen. Dies gab wie­der­um zu Scher­zen An­lass; denn es war be­kannt, dass Khlesl von den Frau­en nichts wis­sen woll­te, auch nie­mals mit ih­nen zu tun ge­habt hat­te; aber heim­lich wa­ren alle ei­ner­lei Mei­nung dar­über, wo der Schuss sei­nen Ur­sprung ge­nom­men hät­te. Die Nach­for­schun­gen, die an­ge­stellt wur­den, er­ga­ben nichts, nie­mand woll­te von der Sa­che et­was ge­se­hen ha­ben, und Khlesl kehr­te mit be­drück­tem Her­zen nach Wien zu­rück.

      Dort be­rei­te­te Ma­xi­mi­li­an schleu­nig die Ge­fan­gen­nah­me Khlesls vor, wozu Fer­di­nand sei­ne Ein­wil­li­gung gab, um dem Kir­chen­fürs­ten we­nigs­tens das Le­ben zu spa­ren. Der Um­stand, dass Matt­hi­as ge­ra­de das Bett hü­te­te, er­leich­ter­te es ih­nen, un­ver­merkt die Vor­be­rei­tun­gen zu tref­fen: sie lie­ßen näm­lich einen ver­deck­ten Gang von der Burg nach der Bas­tei er­rich­ten, durch wel­chen der ver­haf­te­te Kar­di­nal in der Stil­le soll­te ab­ge­führt wer­den, da­mit nicht etwa das Volk zu­sam­men­lie­fe und ein Lär­men ent­stän­de.

      Als Khlesl am Vor­mit­tage zum Kai­ser fah­ren woll­te, kam ge­ra­de der Nun­ti­us zu ihm und sag­te, er sol­le doch heu­te nicht auf die Burg, es habe ihm häss­lich ge­träumt und er fürch­te, es wer­de ihm dort et­was Wi­der­wär­ti­ges be­geg­nen. Nein, sag­te Khlesl, er habe nie­mals et­was auf Träu­me ge­hal­ten; dass sei­ne Fein­de Wi­d­ri­ges im Sin­ne hät­ten, wis­se er wohl; aber er ver­traue auf den Kai­ser, der wer­de sei­nen treu­en Die­ner nicht un­be­schützt las­sen. Er wol­le nichts ge­gen den Kai­ser oder sonst je­mand an­brin­gen, sag­te der Nun­ti­us; aber es lie­fe doch in die­ser Zeit viel Hass und Wi­der­wil­len un­ter,


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